Der gläserne Konsument - Neuromarketing

marion katharina.kitzberger.uni-linz, 5. November 2014, 14:22

Elke Hermeneit: Neuromarketing

Studienpapier der Schulstiftung Freiburg, 2010

 

Elke Hermeneit zielt in ihrer Arbeit darauf ab, Neuromarketing vorzustellen und seine praktische Anwendbarkeit im Marketing zu beleuchten.

„(Neuromarketing) bedient sich neurowissenschaftlicher Methoden, um menschliches Verhalten in Bezug auf Märkte und Markteinflüsse zu analysieren. Dabei untersucht es in erster Linie, wie Kauf- und Wahlentscheidungen im Gehirn ablaufen und wie man diese beeinflussen kann.“ (Q1, S 80f) Wissenschaftliche Disziplinen wie etwa die Psychologie liefern schon lange relevante Erkenntnisse an die Marktforschung, neu hinzu gekommen sind Psychophysik, Künstliche Intelligenz, Neurobiologie, Neurologie, also Disziplinen, die traditionell eher dem Gesundheitssektor als der Wirtschaftsforschung zugeordnet wurden. Bildgebenden Verfahren, neu das fMRT, liefert Informationen über un-/vorbewusste Reaktionen.  Die Bewusstseinsschwelle wird damit überwunden. Für (Kauf)Entscheidungen spielen Emotionen eine dominante Rolle. Mit Neuromarketing können Emotionssysteme identifiziert, analysiert und – zukünftig möglicherweise – auf neue Art manipuliert werden.  Neuromarketing ist derzeit noch im Status der Grundlagenforschung.

 

Entgegen tradierter Annahmen ist das Gehirn nicht in die Hemisphären links-logisch / rechts-intuitiv unterteilbar. Es ließe sich zum gegenwärtigen Stand des Wissens eher behaupten, dass alles mit allem verbunden ist, besonders relevant in diesem Zusammenhang ist aber, dass es klar und ausschließlich logische Entscheidungen nicht gibt. Ohne Emotionen können keine Entscheidungen getroffen werden – so nachgewiesen in einer Studie an hirnverletzten Probanden. Im Kern ist von zwei Systemen im Gehirn auszugehen: das implicite, das die gesamte auf Menschen einströmende Informationsflut unbewusst verarbeitet und zu  spontanen Reaktionen, intuitiven Entscheidungen oder auch adäquater Interpretation von körpersprachlichen Signalen uä führt. Dem gegenüber steht das explicite System, das wir benützen, wenn wir bewusst nachdenken oder etwa planen.

 

Das implicite System dominiert Kaufentscheidungen in Situationen von Zeitdruck, mangelndem Interesse, Unsicherheit  oder Informationsüberlastung. Hermeneit verweist auf den Havard-Professor Gerald Zaltman (Q1, S 86), der das implicite System für bis zu 95% aller (Kauf)Entscheidungen verantwortlich sieht. Neuromarketing analysiert die im Gehirn jenseits der Bewusstseinsschwelle ablaufenden Prozesse. Aus den zahlreichen Beispielen sei eines heraus gegriffen: Raucher gaben an, von Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen tendenziell vom Rauchen abgehalten zu werden. Gehirnscans zeigten allerdings, dass die Warnhinweise direkt das Suchtzentrum aktivierten, was wiederum die Bereitschaft, zur Zigrette zu greifen, erhöht. (Q1, S 88) Es konnte auch (neuerlich) nachgewiesen werden, dass Düfte und Musik Verhalten beeinflussen. Was Markenpräferenzen betrifft, so laufen diese Entscheidungsprozesse in einer für höhere Gedankengänge zuständigen Gehirnregion (im präfrontalen Kortex) ab.

 

Neben den aktuellen Befindlichkeiten gibt es etwas wie eine generelle, zeitüberdauernde Verhaltenspräferenz, die aus dem Zusammenspiel von Emotionen und Motiven entsteht. Hermeneit stellt die von Häusel entwickelte LimbicMap vor, anhand der Menschen in bestimmte Konsumententypen eingeteilt werden können, was wiederum für deren Ansprache nützlich ist. (Q1, S 93ff)

 

Fazit

Hermeneit gesteht zu, dass Neuromarketing bislang wenig Neues zutage gefördert hat, wohl aber bisheriges Wissen mit neuen Instrumenten bestätigt werden konnte. Sie zitiert Experten, deren Aussagen darauf hinaus laufen, dass Neuromarketing nicht als kurzfristiger Hype gesehen werden sollte, sondern als Grundlagenforschung – ergebnisoffen, wie es der Natur der Sache entspricht.

 

Persönliche Anmerkung

Um über den Stand der Forschung urteilen zu können, müsste die Originalliteratur gelesen werden. Einige der beschriebenen Versuche sind in der Form fragwürdig, was aber an der vereinfachten Wiedergabe liegen könnte.

 

Bezug zum Thema „Der transparente Konsument“

Dass wir mit jeder Handlung im Web Spuren hinterlassen, aus denen auf bestimmte Befindlichkeiten/Bedürfnisse/Kaufbereitschaften geschlossen werden kann, ist hinreichend bekannt und täglich erlebbar, so wir Werbung empfangen und nicht via spezieller Software unterdrücken. Was an zusätzlichen Informationen über uns aufgezeichnet ist, von Kreditkartenabrechnungen über Kommunikationsdaten bis Bewegungsmuster, lässt sich im Bedarfsfall zu einem umfassenden Profil kombinieren, das Auskunft gibt über Gewohnheiten, Routinen und Abweichungen. Als Konsumenten sind wir damit derzeit aus unserem Verhalten in der Vergangenheit relativ  transparent. Folgerungen für die Zukunft sind aber eben nur Folgerungen. Neuromarketing forscht an einer Transparenz „next level“. Nicht aus unserem Verhalten soll geschlossen werden sondern die (kauf)relevanten Gefühle sollen direkt erfasst werden und das nicht durch Befragen oder Beobachtung, wie wir es aus der Psychologie kennen, sondern unter Überschreiten der Bewusstseinsschwelle durch unmittelbaren Einblick ins Gehirn.

 

Das Bemühen um Transparenz verlässt im Neuromarketing die Außen-/Beobachterposition und dringt in die innersten Schichten der Persönlichkeit vor. Selbst wenn aktuell wenig Neues und kaum Praxisrelevanz in den Forschungsergebnissen zu erkennen ist, halte ich Neuromarketing  in diesem Rahmen für erwähnenswert.

 

Q1: HERMENEIT, Elke. 2. Was ist Neuromarketing?

http://www.schulstiftung-freiburg.de/de/forum/pdf/pdf_434.pdf   (DL 2.11.2014)

 

 

 

1 comment :: Kommentieren

Interessante Ansicht

birgit maria.kohl.uni-linz, 7. November 2014, 11:04

Dein Thema zum "transparenten Konsumenten" finde ich persönlich sehr interessant, da ich auch der Meinung bin das Neuromarketing in naher Zukunft ein wichtigeres Thema wird. Gerade im Bezug auf die Beeinflussung von Kaufentscheidungen werden auch im Web verschiedene Methoden verwendet, die unser Gehirn sozusagen "manipulieren". Beispielsweise durch Bilder die bestimmte Emotionen beim Betrachter hervorrufen. Zu deinem Thema habe ich einen Artikel gefunden, der Beispiele zeigt wie Neuromarketing im E-Commerce eingesetzt werden (siehe hier).

In meiner Studie habe ich untersucht wie E-Commerce-Unternehmen die Daten ihrer Kunden erfassen und verwenden. Zwar war das Ergebnis bei meiner Studie, dass die Unternehmen die gesammelten Daten kaum verwenden, jedoch werden Web-Applikationen auch so aufgebaut, dass sie die Kunden zum Kauf animieren. So gesehen finde ich dein Thema eine Weiterführung meines Themas.

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