Webwissenschaften Expertennetzwerk zum Wissensmanagement
melanie.schreiner2.uni-linz, 5. Jänner 2016, 19:05
In meiner Tätigkeit als Lehrbeauftragte im Bereich des Digital Marketings ist es von entscheidender Bedeutung aktuell in Bezug auf Wissen zu bleiben - einerseits soll der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn im Fokus bleiben und andererseits muss natürlich die Praxis- und Anwendungsrelevanz gegeben sein. Hinsichtlich Wissensmanagements wäre daher ein denkbarer Ansatz ein Wissensnetzwerk mit Partnern der Wirtschaft im Kontext des Wissensmanagements aufzubauen. Dieser Artikel analysiert die Idee bzw. die Einflussfaktoren eines qualitativ hochwertigen Expertennetzwerkes zur Umsetzung eines Wissensmanagements im tertiären Bildungssektor.
Die Grundidee des Wissensmanagements umfasst " ... den Erwerb, der Entwicklung, dem Transfer, der Speicherung sowie der Nutzung von Wissen.“ [1] Im Zuge der Arbeit und Aufgaben als Lektorin ist es von essentieller Bedeutung das Wissen als entscheidende Basis des Lehrauftrages zu verwalten bzw. managen. Diese Aufgabe kann demnach durchaus mit der oben genannten Grundidee des Wissensmanagements gleichgesetzt werden.
Im Kontext des Wissensmanagements und dabei vor allem der Produktion, Nutzung und Diffusion von Wissen, können Netzwerke - sogenannte Wissensnetzwerke - einen wesentlichen Beitrag in Form der genannten Aufgaben leisten. Die Entwicklung einer immer stärkeren Vernetzung spielt dabei ebenfalls eine einflussreiche Rolle zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Netzwerken. Unter anderem versprechen sich Unternehmen als Partner eines derartigen Netzwerkes den Zugang zu transdisziplinären Wissen [2]. Netzwerke werden im Bildungssektor vor allem für die Unterrichtsentwicklung wie bspw. Lerngemeinschaften oder soziale Integration eingesetzt. [3]
Unter einem Wissensnetzwerk im Unternehmenskontext kann " ... eine spezifische Organisationsform ökonomischer Aktivitäten, die auf die Erreichung von Wettbewerbsvorteilen abzielt" [4] verstanden werden. Die Aktivitäten der Akteure zielen demnach auf deren Vorteile ab. In der Folge hängen die Wettbewerbsvorteile bzw. strategischen Vorteile stark von den Zielen der Interakteure ab. Während Lektoren bspw. das Ziel Aktualität im eigenen Wissenstand verfolgen, versuchen Wissensträger in der Praxis (Anwender) bewährte Ansätze aus der Wissenschaft wie Theorien bzw. Vorgehensmodelle zu integrieren. Wissenschaftlich Quellen weisen darauf hin, dass diese Netzwerke in der eingangs genannten Ausgangssituation als möglicher Lösungsansatz herangezogen werden können [5]. Die Ausgangsbasis für die Schaffung eines Expertennetzwerks zum Wissensmanagement ist daher gegeben.
Um den Ansatz von Wissensnetzwerken für den Einsatz als Expertennetzwerkes anwenden zu können, ist es von Bedeutung diese Netzwerke und deren Einflussfaktoren genauer zu analysieren und zu kennen. Als wesentliche Aufgaben im Wissensmanagement können die Produktion, Nutzung und/oder Diffusion von sowohl vorhandenem als auch bestehendem Wissen einem Wissensnetzwerk zugeordnet werden [6].
Folgende Merkmale eines Wissensnetzwerkes werden in der Literatur häufig genannt: [7] [8]
- Struktur und Beziehungen unter den Akteuren sind dynamisch und vielschichtig
- Wissensnetzwerke sind zielgerichtet, die individuellen Beiträge dienen der Zielerreichung der einzelnen Akteure
- Reziprozität wird in Wissensnetzwerken vorausgesetzt
- Komplexität ist häufig hoch
- Kooperation und Zusammenarbeit sowie Koordination und Kommunikation(sformen) prägen Wissensnetzwerke
- stabiler Austausch zwischen den Akteuren sollte gegeben sein
- Partner sind häufig selbstständig sowie autonom und bringen subjektives, individuelles und beites Spetrum an Wissen ein
Basierend auf den identifizierten Parametern eines Wissensnetzwerkes sollten für das Konzept des Expertennetzwerks folgende Empfehlungen berücksichtigt werden:
Individuelle Ziele und Absichten
Die unterschiedlichen Zielvorstellungen der Akteure beeinflussen massiv die Ziele des gesamten Netzwerks [9]. Daher ist es entscheidend, die Vorstellungen und Erwartungen der beteiligten Akteure zu identifizieren und zu analysieren. Grundsätzlich werden von den Beteiligten häufig der Gewinn von neuem Wissen sowie die Verbreitung und/oder Nutzung vorhandenem Wissen bzw. der Erwerb von strategischen Vorteilen im Wettbewerb genannt [10]. Für den Lektor kann das möglichweise die Identifikation von Trendthemen und die Integration dieser Themen in die Lehre oder die Evaluierung von entwickelten theoretischen Modellen bzw. Prozessen in der Praxis sein. Die Unternehmenspartner könnten wiederum neue Kompetenzen entwickeln oder Entwicklungsarbeiten auslagern [11].
In der Planung des Expertennetzwerkes können diese unterschiedlichen Zielvorstellungen sowohl ein Motivationsfaktor zum Mitwirken als auch ein Qualitäts- und Auswahlkriterium für die Netzwerkakteure sein. Im Idealfall werden individuelle Ziele und Ziele der Netzwerkskooperation in Einklang gebracht und unterstützen sich gegenseitig.
Gezielter Aufbau des Netzwerks
Größe und Struktur des Netzwerks einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis eines Wissensnetzwerks. Eine gezielte Auswahl der Akteure muss daher in den meisten Fällen getroffen werden. Auf dieser Basis kann in der Folge ein behutsamer Aufbau des Netzwerks erfolgen. In der Zusammensetzung spielt dabei unter anderem das Gleichgewicht einerseits aus Diversität für eine breite Wissensbasis und andererseits aus Homogenität für eine rasche und zielorientierte Zusammenarbeit eine tragende Rolle [12]. Daneben sollte die Funktionsrolle der einzelnen Akteure (Knoten in einem Netzwerk) wie etwa die Wissensvermittlung oder die Wissensproduktion in der Konzeptentwicklung bedacht und berücksichtigt werden. Alle Rollen im Wissensmanagement müssen dabei übernommen werden. Des Weiteren definiert sich die Struktur eines Netzwerks über die Parameter der Dichte (Intensität der Beziehungen und Interaktionen), der Interdependenz (Abhängigkeiten zwischen den Akteuren) sowie der Organisiertheit (strukturell wie Kommunikation oder kulturell wie Erwartungen). Die Abgrenzung des Netzwerks stellt durch die Flexibilität meist eine große Herausforderung dar und dient der Beurteilung der Durchlässigkeit nach außen hinsichtlich Wissensnutzung (Permeabilität). [13]
Abbildung 1. Struktur eines Wissensnetzwerkes nach Buko, 2007 [14]
Abbildung 1 zeigt zwei beispielhafte Strukturen von Wissensnetzwerken mit unterschiedlichen Beziehungsvarianten. Dabei wird klar, dass der Aufbau und die Zusammensetzung einerseits sehr komplex sind bzw. sein können und andererseits einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis bzw. den Output eines Wissensnetzwerkes haben. Einflussfaktoren eines Netzwerks und dessen Komplexität sind dabei die Akteure (Anzahl, Rolle) sowie dessen Informationsbereiche, Beziehungen (Anzahl, Stärke, Richtung), Einbettung in deren Organisation und Organisationstypen. Zusätzlich gilt es zu beachten, dass in einer strukturellen Grafik "nur" die ersichtlichen und dokumentierten Oberflächenstrukturen erfasst werden könne, die Tiefenstrukturen sind verdeckt und meist unbewusst [15].
Zur Erfolgssicherung und Dimensionierung müssen demnach Kriterien für die Auswahl der Akteure werden. Mögliche Einflussfaktoren sind neben der bereits genannten Anzahl bzw. der Netzwerkgröße und die Organisationstypen der möglichen Partner das implizites Wissen, Ziele und strategische Ausrichtung, Kontextvariablen, die Kooperationsintensität sowie Kommunikationsparameter. [16]
Das Expertennetzwerk braucht demnach ein gezielt Auswahl nach Kriterien, welche individuell verschieden nach den genannten Einflussfaktoren eines Netzwerkes erfolgen sollte.
Die Rolle der Interakteure
Das Wissensnetzwerk hängt stark von der Interaktion ab, daher muss eine Bereitschaft der Akteure zur Unterstützung vorhanden sein. Ohne Interaktion kann keine Kommunikation, Kooperation und Zusammenarbeit stattfinden. Vertrauen und Offenheit sind dabei wesentliche Voraussetzungen. [17] Die interpersonelle Verbindung zwischen den Akteuren hat ebenfalls einen Einfluss auf dem Erfolg der Kooperation im Wissensnetzwerk. [18]
Des Weiteren tragt das Motivationssystem (extrinsisch, intrinsisch) zur Interaktion und Generierung von Output entscheidend bei und sollte daher durchdacht werden. Extrinsische Systeme stoßen häufig an die Grenzen durch die Schwierigkeit der Messbarkeit von Wissen (bspw. Kreativität), den implizierten Kontrollcharakter sowie die Auswirkung auf die intrinsische Motivation. Weitere Probleme können dabei hinsichtlich strategischer Anreize im Bezug auf den Input - Wissen zurück halten - und auf den Output auftreten. [19]
Innerhalb des Expertennetzwerks muss Reziprozität hergestellt werden, um die Dynamik der Interaktion zu fördern und zu stärken [20]. In Abstimmung der Ziele soll ein Mehrwert, der im Idealfall mit den Ergebnissen der Interaktionen im Wissensnetzwerk in Einklang stehen sollte, für alle Akteure geschaffen werden. Das Mitwirken am Erreichen des übergeordneten Ziels eines Wissensnetzwerkes muss durch individuelle Anreize gegeben sein. Aufgrund der genannten Erkenntnisse sollte daher vor allem ein Mehrwertsystem über die Zieldefinition (persönlich und Netzwerk) und Erwartungen generiert werden.
Infrastruktur auswählen, aufbauen und bereitstellen
Die Infrastruktur des Netzwerks spielt eine bedeutende Rolle für die Einfachheit der Verteilung und somit des Wissenstransfers. Je einfacher der Zugang und Austausch, desto erfolgreicher wird der Wissenstransfer und die Interaktion sein. [21]
Es soll eine Infrastruktur geschaffen werden, damit eine Kooperation und ein stabiler Austausch in der Zusammenarbeit möglich sind. Die Kommunikation sowie dessen Formen haben einen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis der Netzwerkes [22]. Für die Umsetzung des Expertennetzwerkes wären Medien wie Business Plattformen (Xing oder LinkedIn) aber auch soziale Plattformen (Facebook oder Google Plus) denkbar. Die unterschiedlichen Plattformen bieten dabei durch ihre Orientierung und Differenzierung diverse Vor- und Nachteile. Demnach eigenen sie sich je nach Anwendungszweck und -anforderungen individuell verschieden für den Einsatz im Expertennetzwerk.
Hinsichtlich Koordination sollte eine Balance mit der Autonomie und Unabhängigkeit gefunden werden. Eng gekoppelt mit dem Anreizsystem und der Motivation stellt dies eine Herausforderung dar. Des Weiteren sollten Frequenz der Interaktion (Vorteile im Ergebnis durch intensiven Kontakt vs. Überlastung) sowie die der Umfang an gebotenem Wissen ermittelt bzw. in der Umsetzung überwacht und optimiert werden. [23] Im Hinblick auf Intensität der Zusammenarbeit muss im Expertennetzwerk eine Balance und ein Kompromiss mit den Akteuren gefunden werden.
Bedingungen beeinflussen Ausgestaltung von Wissensnetzwerken
Eine interessante Studie zur empirischen Analyse der Strukturen von real existierenden Wissensnetzwerken von Kreis-Hoyer et al (2004) ergab, dass unterschiedliche Netzwerktypen dessen Ausprägung bzw. Struktur stark beeinflussen.
Abbildung 2. Einfluss der Wissenseigenschaften auf die Netzwerkstruktur [24]
Abbildung 2 zeigt die Beeinflussung der Wissenseigenschaft hinsichtlich privat und öffentlich auf die Formalisierungsstrukturen die Führungsstruktur sowie die Wissensverwendung. Während in Wissensnetzwerken mit öffentlichem Gutcharakter die Zusammenarbeit eher informell, dezentral und hinsichtlich der Netzwerkgrenzen eher durchlässig stattfindet, gestaltet sich die Zusammenarbeit in Wissensnetzwerken mit privatem Gutcharakter eher formell, zentral geführt sowie undurchlässig hinsichtlich der Wissensverteilung außerhalb des Netzwerkes. In der Studie wird angeführt, dass der entdeckte Zusammenhang nicht linear korreliert [25].
Das Expertennetzwerk im Bildungssektor sollte eine Mischform hinsichtlich Wissensguts darstellen, die unterschiedlichen Interessen bzw. Auswirkungen auf die Netzwerkstrukturen sollten daher Berücksichtigung finden.
Abbildung 3. Einfluss der Akteure auf die Netzwerkstruktur [26]
Abbildung 3 zeigt abschließend die Beeinflussung der Akteure auf die Führungsstruktur bzw. die Koordination in Wissensnetzwerken. Während unter wissenschaftlichen Akteuren die Führung eher dezentral und die Koordination emergent erfolgt, werden unter wirtschaftlichen Akteuren eher eine zentrale Führung und eine koordinierte Strukturierung bevorzugt. Auch zu dieser Korrelation bzw. Darstellung des Zusammenhangs wird in der Studie angeführt, dass kein linearer Zusammenhang besteht [27].
Für die Planung und Ausgestaltung des Expertennetzwerkes bedeutet das wiederum eine Berücksichtigung der Akteure bzw. dessen Interessen. Dabei muss wohl ein Kompromiss in Abstimmung mit den Akteuren für die Organisation des Netzwerkes gefunden werden.
Grundsätzlich lässt sich zusammenfassen, dass eine durchdachte und ganzheitliche Konzeptionierung die Entwicklung und Umsetzung eines erfolgreichen Expertennetzwerkes begünstigt. Der Artikel nennt dazu wesentliche Einflussfaktoren, die in der Planung berücksichtigt werden sollten.
Referenzquellen
[1] Springer Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Wissensmanagement, online im Internet: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/55427/wissensmanagement-v8.html
[2], [6], [7], [9], [13], [19] Vgl. Kreis-Hoyer, P., Grünberg, J.: Definition und Typologie von Wissensnetzwerken, in: Caspers, R., Bickhoff, N., Bieger, T. (Hrsg): Interorganisatorische Wissensnetzwerke: Mit Kooperationen zum Erfolg, Berlin, Heidelberg, 2004, S. 109-148
[3] Vgl. Berkemeyer, N., Bos, W., Manitius, V., Münthing (Hrsg): Unterrichtsentwicklung in Netzwerken: Konzeptionen, Befunde, Perspektiven, Münster, 2008
[4] Kreis-Hoyer, P., Grünberg, J.: Definition und Typologie von Wissensnetzwerken, in: Caspers, R., Bickhoff, N., Bieger, T. (Hrsg): Interorganisatorische Wissensnetzwerke: Mit Kooperationen zum Erfolg, Berlin, Heidelberg, 2004, S. 109-148, S.110
[5] Vgl. Van Driel, J. H., Beijaard, D., Verloop, N.: Professional development and reform in science education: The role of teachers' practical knowledge, in: Journal of Research in Science Teaching, 38/2, 2001, S. 137-158
[8], [10], [11], [15], [16], [22], [23] Vgl. Buko, C. : Interorganisatorische Wissensnetzwerke - Erfolgsfaktoren und Gestaltungsansätze, des Managements, Dissertation, Universität St. Gallen, Internet: http://www1.unisg.ch/www/edis.nsf/SysLkpByIdentifier/3198/$FILE/dis3198.pdf, 2007
[12] Vgl. Bickhoff, N., Bieger, T., Caspers, R.: Einleitung, in: Caspers, R., Bickhoff, N., Bieger, T. (Hrsg): Interorganisatorische Wissensnetzwerke: Mit Kooperationen zum Erfolg, Berlin, Heidelberg, 2004, S. 1-14
[14] Buko, C.: Interorganisatorische Wissensnetzwerke - Erfolgsfaktoren und Gestaltungsansätze, des Managements, Dissertation, Universität St. Gallen, Internet: http://www1.unisg.ch/www/edis.nsf/SysLkpByIdentifier/3198/$FILE/dis3198.pdf, 2007, S.41
[17] Vgl. Bornemann, M.: Globale Wissensnetzwerke - Ein Weg zur gerechteren Gesellschaft, in: Gragober, A., Ortner, J., Sammer, M. (Hrsg): Wissensnetzwerke: Konzepte, Erfahrungen und Entwicklungsrichtungen, Wiesbaden, 2003, S. 15-42
[18], [20], [21] Vgl. Reagans, R., McEvily, B.: Network Structure and Knowledge Transfer: The Effects of Cohesion and Range, in: Administrative Science Quarterly,48/2, 2003, S. 240-267
[24], [26] Kreis-Hoyer, P., Grünberg, J., Liebrich, A.: Strukturen real existierender Wissensnetzwerke - eine empirische Analyse, in: Caspers, R., Bickhoff, N., Bieger, T. (Hrsg): Interorganisatorische Wissensnetzwerke: Mit Kooperationen zum Erfolg, Berlin, Heidelberg, 2004, S. 177-250, S.243
[25], [27] Vgl. Kreis-Hoyer, P., Grünberg, J., Liebrich, A.: Strukturen real existierender Wissensnetzwerke - eine empirische Analyse, in: Caspers, R., Bickhoff, N., Bieger, T. (Hrsg): Interorganisatorische Wissensnetzwerke: Mit Kooperationen zum Erfolg, Berlin, Heidelberg, 2004, S. 177-250
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