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Aufgabe 5a: Streaming - das Gespenst des Internets

michael.goldbeck.uni-linz, 15. Oktober 2014, 07:29

Ein Gespenst geht um im Internet - das Gespenst des Streamings. Alle Mächte der alten Contentindustrie haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, die Film- und die Musikindustrie, Oberster Gerichtshof und Handelsgericht Wien, globale Urheberlobbies und österreichische Anti-Piraten. 

 

Es ist erschreckend, wie Karl Marxs Worte im Kontext des Neulandes Internets passen. Und wie auch in der Geschichte des Proletariats geht es beim Streaming um die Wandlungsressistenz der Mächtigen und Unterdrückung der Vielen. Das Internet hat der Menschheit sehr viel gebracht - eine der wichtigsten Veränderungen ist die Demokratisierung des menschlichen Wissens. Doch gerade diese neue Form des Wissensaustauschs scheint durch die aktuellen Entwicklungen rund um’s Web am meisten bedroht. Verwertungsgesellschaften und Lobbyorganisationen, allen voran der Verein der Antipiraterie, ziehen durch die Weiten des Internets um die grünen Flächen bis auf die Erde abzugrasen. Abgesehen haben sie es vor allem auf Link-Services und Streams; für die Contentindustrie die Grundlage allen Übels. 

 

Doch was ist ein Stream?

Ein über das WWW übertragenes Programm bestehend aus Video und Ton wird als “Livestream” bezeichnet - kurz “Stream”. Der Vorgang der Datenübertragung in einem Netzwerk wird daher “Streaming” genannt und wurde vor allem durch Webradios und online Videos bekannt. Technisch gibt es mehrere Möglichkeiten, um einen Stream aufzubauen - eine gute Übersicht bietet folgendes Video:

 

 

Grundstätzlich gibt es zwei Arten von Streams: On-Demand Streams und Livestreams. Bei On-Demand Streams werden die Daten vom Server über das Internet an den Client übertragen und in einem Puffer gespeichert - Seiten wie Youtube oder Netflix basieren zu meist auf diesem System. Bei einem Livestream hingegen werden die Daten in Echtzeit bezogen und der Diensts somit sofort zur Verfügung gestellt - vor allem die Live-Übertragungen über das Internet von Fernsehsendern (ORF, ARD, ZDF, …) basieren auf diesem System, aber auch Voice-over-IP Services wie Skype oder Google Hangouts nutzen dieses bzw. ähnlich Verfahren. 

 

Ist Streaming downloaden?

Daraus ergibt sich unter anderen die Frage, ob ein Stream auch ein Download ist? Wichtig ist diese Frage nicht nur aus einer rein technischen Sicht - mit der Frage beginnt auch die leidige Diskussion um die Legalität bzw. Illegalität von Streams. Es gibt in Österreich keine gängige Rechtsmeinung, ob die durch das “Buffering” im Cache gespeicherten Daten als Download gewertet werden können oder nicht - Rechteverwerter antworten traditionellerweise mit JA, Technologen und Internetaktivisten mit NEIN. Definitiv werden Daten auf dem Computer, Tablet oder Smartphone gespeichert - doch entleert sich dieser Speicher individuell nach Einstellungen des Nutzers oder der Nutzerin. Ob diese vorübergehende und fragmentierte Speicherung wirklich einen Download konstituieren, muss in Österreich erst geklärt werden. 

 

Auch in dem Fall, dass Streaming als Downloading Prozess gewertet wird, bleibt die österreichische Rechtssprechung reichlich wage. Auf der Seite help.gv.at wird ausgewiesen, dass Streams zwar nicht dauerhaft auf der Festplatte gespeichert werden aber dennoch als Download gewertet werden können. Livestreams sind nach deren Definition rechtens und daher unbedenklich - bei On-Demand Streams wird festgehalten: “Es ist daher ebenso umstritten, ob Streaming erlaubt ist oder nicht.”, weshalb auch Hilfestellungsseiten für Jugendliche, wie Rat auf Draht, vor der Nutzung von Seiten wie z.B. kinox.to warnen, da nicht klar ersichtlich ist, ob der Uploader auch der Urheber des Videos ist. So verständlich diese Warnung auch ist, so unpraktikabel ist sie im echten Leben. Ist das Ansehen eines Film-Trailers auf Youtube erlaubt, wenn dieser nicht durch den Urheber des Films, sondern durch eine outgesourcte Agentur upgeloadet wird? Muss der/die KonsumentIn vor Abspielen des Videos sich selbst informieren bzw. kann er/sie es überhaupt in Erfahrung bringen? Genau diese Fragen machen das Thema Streaming so schwierig. Würden wir uns an den Vorschlag von Rat auf Draht halten, wäre unser Internet für den Otto-Normal-Verbraucher unnutzbar - wie soll der User wissen, ob der im Werbebanner automatisch abgespielte Trailer eines Films, publiziert auf einem Filmkritik-Blog, ausgeliefert durch einen Affiliate Anbieter, Urheberrechte verletzt? 

 

Wären da nicht die Paragraphen 41a und 42 des Urheberrechtsgesetzes. §42 und das darin enthaltene Recht auf Privatkopie wirken äußerst schlacksig:


 

Wäre das nicht schon genug um zu verzweifeln, bringt § 41a auch nicht 100%ige Sicherheit:

  

In Deutschland wird ein ähnlicher Passus dahingehend interepretiert, dass Vervielfältigungsstücke lediglich zwischengespeicherte Dateien im Cache seien. Diese sind flüchtig und begleitend - und damit ist die Nutzung von Streams für User zulässig und legal. In Österreich gibt es noch keinerlei eindeutige Rechtssprechung und kann daher auch keine sichere Auskunft über die Legalität bzw. Illegalität abgegeben werden. Es heißt zwar, dass der private Download legal sei, 100% sicher ist dies aber auch nicht. Nur eines ist sicher: niemand kennt sich mehr beim Urheberrecht aus. 

 

Die Netzsperren durch den Verein für Antipiraterie

Nur einer scheint sich auszukennen - der Verein für Antipiraterie. Mit der erfolgreichen Klage gegen kinox.to und movie4k wurden in Österreich erstmals Netzsperren durchgesetzt. Wirklich spannend an der Diskussion um diese Netzsperren ist vor allem die Argumentation. Denn auch wenn die via Streams illegal zur Verfügung gestellten Filme nicht ignoriert werden können, treffen die Sperren nicht die Betreiber der Streams, sondern die Linksseiten, welche darauf verweisen. Dieses Vorgehen scheint nur am ersten Blick strategisch klug, denn damit wird nicht der Aufruf der Videos verhindert, sondern lediglich der Mittelmann ausgeblendet. Einfacher ausgedrückt: anstatt die Händler am Schwarzmarkt festzunehmen wird der Tisch, auf dem illegal gehandelt wurde, eingesperrt. Keine sehr langfristige Lösung. Und diese ersten Sperren waren ja noch nicht das Ende. Freedom of Speech war dann auch mal.

 

 

Anstatt durch Innovation neue Geschäftsmodelle zu formen und selbst die Branche auf den Kopf zu stellen, sperrt sich die Contentindustrie quer durch das Internet. Nicht die an ein neues, ein digitales Lebensumfeld veränderten Kundenbedürfnisse stehen im Mittelpunkt, sondern das Verwerten bereits eingefahrener Lorbeeren. Da verwundert es nicht, dass Start-ups die steigende Nachfrage an innovativen Produkten in gewaltiges Nutzerwachstum umsetzen können. Firmen wie Netflix, Flimmit, und Youtube haben schon früh gesehen, dass der digitale Wandel zu einer Änderung unseres Konsumverhaltens führt - Filme und Videos wollen dann gesehen werden, wenn das Individuum will. Nicht wenn es ein Programm vorsieht. 

 

Dass dabei auch illegale Dienste entstehen, liegt in der Natur der Sache. Früher wurde Musik via Kassetten beim Radiohören mitgeschnitten, dann auf CD-Roms gespeichert und ausgetauscht. Nach dem USB Sticks kam der Austausch ins Internet. Natürlich kann ich den Ärger der Verwertungsgesellschaften darüber nachvollziehen. Wir brauchen aber ein modernes Urheberrecht um genau jene zu schützen, die die Inhalte auch erstellen: die Künstlerinnen und Künstler. Sich hinter den eigenen Rechten zu verstecken anstatt gesellschaftliche Veränderungen kopfan zu begegnen ist kein langfristiges Geschäftsmodell. Egal ob die Film- oder Musikindustrie.

 

PS: Alle Links wurden am 14. Oktober 2014 das letzte Mal aufgerufen.

 

2 comments :: Kommentieren

Nicht das Streaming sondern der Gedanke ... :-)

klemens.auinger.uni-linz, 2. November 2014, 15:17

Viele Skeptiker würde hier wohl gerne Nitzsche mit „Gott ist Tod“ zitieren, um zum Ausdruck zu bringen, dass es an Recht und Moral mangle wenn es um gar illegales Streaming geht. Die Schützer der Urheberrechte sehen sich mit einer Sisyphos-Aufgabe betraut das geistige Eigentum zu schützen.

Die Demokratisierung des Wissens scheint aber ein starkes Argument für einen lockeren Umgang mit Streaming zu liefern. Ich glaube aber, beide Seiten haben Unrecht und die Frage danach, ob es um „Downloads“ geht greift zu kurz. Mit Rücksicht auf weitere technische Entwicklungen greift dieser Aspekt zu kurz. Wird es so etwas wie downloaden in 20 Jahren noch geben? Würde eine kollektive distributive Datenspeicherung solche Fragen nicht obsolet machen?

Nicht das Streaming sondern der Gedanke ist schlecht? Derzeit scheinen wir auf eine digitale Anomie zuzusteuern - und das ist nur dann aufzuhalten, wenn wird die Fragen philosophisch, jenseits eines aktuellen technischen Kontextes, klären.

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...und nicht nur die Technik...

evelin.mueller.uni-linz, 2. November 2014, 16:39

Ich sehe auch eine soziale Komponente. Kunst und Kultur sollte möglichst für alle offen stehen und leistbar sein. Meiner Meinung nach geht das am ehesten, wenn wir uns endlich von unserem (materiellen) Besitzdenken wegbewegen. Anerkennung für ErschafferInnen wunderbarer Meisterwerke (natürlich auch von bemühter schlechter) sind dabei unbedingt zu berücksichtigen. Offen bleibt in welcher Art und Weise. Und ich hoffe es geht nicht immer um Geld!

 

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