Der Zusammenhang von organisatorischer Transparenz und Mitarbeitervertrauen
michael.goldbeck.uni-linz, 3. November 2015, 10:08
Transparenz war und ist eines der größten “Buzzwords” der letzten Jahre. Kaum ein Blog hat nicht darüber geschrieben, einige haben gar die Ära der Transparenz ausgerufen. Dabei wird immer wieder davon gesprochen, wie wichtig Transparenz ist, um Vertrauen aufzubauen. Begibt man sich auf die Suche nach Studien über den Zusammenhang von Transparenz und Vertrauen, gibt es eine ganze Menge an theoretischen, qualitativen Papers - “hard facts”; also empirische Daten über den Zusammenhang der beiden Konstrukte; sind aber rar.
In der Studie “Measuring the relationship between organizational transparency and employee trust” von Brad Rawlins aus dem Jahr 2008 wird versucht, eine empirische Basis über den Zusammenhang zwischen Transparenz und Vertrauen zu schaffen. Ein spannendes Thema, dass meiner Meinung nach in absehbarer Zukunft sehr viele Unternehmen beschäftigen wird.
Transparency and trust
Um den Zusammenhang zwischen Transparenz und dem Vertrauen der MItarbeiter exakt messen zu können, bedarf es laut Rawlings erst einer Definition der beiden Begrifflichkeiten. Der Autor hält sich bei “Transparency” an die Definition von Heise [Q1]:
“Transparency is the deliberate attempt to make available all legally releasable information—whether positive or negative in nature—in a manner that is accurate, timely, balanced, and unequivocal, for the purpose of enhancing the reasoning ability of publics and holding organizations accountable for their actions, policies and practices”
Um Transparenz messen zu können, bricht er das Konstrukt in vier Dimensionen:
-
Participation: Statements über Involvierung, Feedback, detaiierte Informationen und die Leichtigkeit der Auffindung der Informationen
-
Substantial Information: Relevanz, Klarheit, Komplettheit, Akkuratheit, Zuverlässigkeit und die Verifizierbarkeit der geteilten Informationen.
-
Accountability Component: Aussagen über die Organisation, die Informationen teilt, die mehr als nur eine Seite eines kontroversen Themas behandelt, die Organisation beschädigen könnte, Fehler eingesteht und vergleichbar mit Industrie Standards ist.
-
Secrecy Component: Aussagen, die die fehlende Offenheit reflektieren oder versucht werden, verheimlicht zu werden. z.B. Aussagen, die nur einen Teil der Geschichte widerspiegeln, Verwendung von Sprache, die die Bedeutung verschleiern und nur dann offengelegt wird, wenn nötig.
Im Vergleich zu “Transparency” ist der Begriff “Trust” nicht einheitlich definiert, da es komplexes Konstrukt darstellt. Auch wenn Menschen scheinbar einen “Sinn” für Vertrauen haben - Jack Welch [Q2] sagte “you know it when you feel it” -, gibt es wenig Übereinstimmung, was die Begrifflichkeit bedeutet; obwohl es laut Rawlings sehr viele Studien zu dem Thema gibt.
Der Autor beschreibt drei Dimensionen von Vertrauen:
-
Bereitschaft einer Person, einer Anderen zu vertrauen
-
Dem Zusammenhang von persönlicher Öffnung und der dadurch entstehenden Verwundbarkeit
-
Die Chrakteristik eines vertrauenswürdigen Individuums, Gruppe oder Einheit
Rawlins hat bei “Trust” die Definition von Tschannen-Moran und Hoy [Q3] hingehend angepasst:
“Trust is one party’s willingness to be vulnerable to another party based on the confidence that the latter party is competent and dependable, has integrity, and acts with goodwill.”
Um den Zusammenhang zwischen Transparenz und Vertrauen empirisch zu testen, hat Brad Rawlins eine online Umfrage bei den Mitarbeitern einer Gesundheitsorganisation durchgeführt. Die “Not-for-Profit” Organisation hat 25.000 Mitarbeiter an 150 Standorten - davon 21 Krankenhäusern. An 1.200 Mitarbeiter wurde per E-Mail eine Einladung zu der besagten online Umfrage ausgeschrieben; in einer fünftägigen Periode wurden 385 Umfragen abgeschlossen. Die Umfrage bestand aus Aussagen, bewertet durch 7-Punkt-Skalen zwischen “Strongly Disagree” und “Strongly Agree”. Folgende Aussagen wurden überprüft:
Quelle: Rawlins, Brad R., "Measuring the relationship between organizational transparency and employee trust" (2008). All Faculty Publications. Paper 885.
Um die vom Autor gestellten Forschungsfragen zu messen, werden die individuellen Einheiten eines jeden Konstrukts anhand des Reliabilität Alphas getestet (Research Question 1). Die Fragestellungen 2 bis 6 werden anhand von Korrelationen mit Persons R getestet (Signifikanz), und einer Regressionsanalyse um feststellen zu können, welche Komponenten zum höchsten Zusammenhang beitragen.
Research Question 1:
Are the components of trust and transparency reliable constructs?
Die alpha Reliabilität der Einheiten “Overall Trust”, “Overall Transparency” und deren Komponenten reichten von 0,79 zu 0,93 - und trafen damit den grundlegenden Standard für Vertrauenswürdigkeit. Die Vertrauenswürdigkeit der Konstrukte verbesserte sich nicht, wenn Einheiten entfernt wurden - jene beiden Einheiten, die in folgender Forschung verbesert werden könnten, sind “Overall Trust” und “Secrecy Constructs”. Daher kann RQ1 mit ja beantwortet werden.
Research Question 2:
Are the components of trust significantly related to overall trust?
RQ2 wurde mit einer Korrelationsmatrix beantwortet - alle Konstrukte haben einen signifikanten Zusammenhang.
Research Question 3:
Are the components of transparency significantly related to overall transparency?
Auch alle Messwerte von “Transparency” haben einen signifikanten Zusammenhang
Research Question 4:
Is overall transparency related to overall trust?
Der Zusammenhang zwischen “Overall Trust” und “Overall Transparenzy” ist stark ausgeprägt (0.75) - Beweis dafür, dass die beiden Konzepte eng miteinander korrelieren.
Research Question 5:
Are the components of transparency related to overall trust and its components?
Die Korrelationsmatrix zeigt auch signifikant moderate bis zu starke Zusammenhänge zwischen den Komponenten von “Trust” und “Transparency” (von -0,47 bis 0,81).
Research Question 6:
Which components of transparency contribute the most to overall trust and to each component of trust?
Für die Mitarbeiter der Gesundheitsorganisation waren die Komponenten “Accountability”, “Substantial Information” und “Openness” am engsten assoziiert mit den Konzept des Vertrauens.
Der Autor Brad Rawlins fasst daher zusammen, dass die Ergebnisse aus den Korrelationen und Regressionen einen starken Hinweis darauf liefern, dass Transparenz und Vertrauen positiv zusammenhängen. Stieg die Wahrnehmung von Transparenz durch Mitarbeiter, stieg auch deren Vertrauensfaktor. Informationen zu teilen, die nützlich sind und die Organisation haftbar machen, waren die Transparenz-Koeffizienten, die den größten Zusammenhang zwischen Transparenz und Vertrauen ausmachen.
“Secrecy” war generell der schwächste Teil, um Vertrauen zu erklären. Die Korrelationen haben zwar einen moderat starken Zusammenhang aufgezeigt, als Regressionskoeffizient hat es aber keinen starken oder signifikanten Vertrauens-Komponenten dargestellt.
Rawlins schließt ab, dass, wenn Organisationen transparenter werden, sie auch mehr Vertrauen genießen.
Kritik: Persönliche Wahrnehmung und Befangenheit
Ich habe diese Studie ausgewählt, da es ein der wenigen Forschungen ist, die sich bei dieser Fragestellung eine empirische Grundlage anhand einer quantitativen Umfrage erarbeitet hat. Sie hat sehr klare Forschungsfragen und will diese ohne pompöse Worte aufklären.
So gut das Paper und dessen Daten auch ausgearbeitet sind, gibt es von meiner Seite einige Kritikpunkte. Zumal ist die Anzahl an Antworten - 385, davon flossen 361 in die Studie ein - relativ gering, wodurch das Ergebnis statistisch schnell verfälscht werden kann. Auch ist die Studie anhand einer kleinen Akteurengruppe durchgeführt worden: Mitarbeitern. Mitarbeiter haben für gewöhnlich eine persönliche Wahrnehmung vom Unternehmen, basierend auf deren Einstellung gegenüber dem Arbeitgeber. Diese Wahrnehmung kann durch gewisse Vorkommnisse - wie z.B. Personalabbau - beeinflusst werden und somit das Ergebnis verfälschen. Mitarbeiter können auch befangen sein: kommen negative Ergebnisse auf, könnte der Arbeitgeber negative Konsequenzen ziehen, weshalb der Umfrageteilnehmer absichtlich Falschangaben macht. Daher kann meiner Meinung nach eine Quantifizierung von Gefühlen bzw. Gemütszuständen nie 100%ig akkurat erfolgen.
[Q0] Rawlins, Brad R., "Measuring the relationship between organizational transparency and employee trust" (2008). All Faculty Publications. Paper 885. http://scholarsarchive.byu.edu/facpub/885
[Q1] Heise, J. A. (1985). Toward closing the confidence gap: An alternative approach to communication between public and government. Public Affairs Quarterly, 9(2), 196-217.
[Q2] Welch, J. (2005). Winning. New York: HarperCollins.
[Q3] Tschannen-Moran, M. &Hoy, W. K. (2000). A multidisciplinary analysis of the nature, meaning, and measurement of trust. Review of Educational Research, 70(4), 547-593.
Transparenz und Vertrauen
michael.kaufmann.uni-linz, 4. November 2015, 18:51
Hallo Michael!
Finde deinen Artikel wirklich sehr interessant. Gerade auf den Zusammenhang zwischen Transparenz und Vertrauen wird hier näher eingegangen.
Gut gemacht!