Medienrevolution
 
Dienstag, 16. Dezember 2003
Buch versus Internet

Internet und Buch haben vieles gemeinsam. Genauso wie das Buch, ist das Internet ein Transportmedium für Sprache, Gedanken und Bilder. Das gedruckte Buch ist selbstverständlich ein herausragendes Medium, das die Erfahrungen von mehr als 500 Jahren in sich trägt. Der Buchdruck wurde 1450 von Johannes Gutenberg erfunden. Im Mittelalter wurden Bücher noch mit der Hand geschrieben und liebevoll verziert. Die Herstellung eines Buches dauerte manchmal Monate.

Das Internet dagegen ist ein Medium, das sich erst in der Anfangsphase befindet. Es ist gerade mal 30 Jahre alt und in den Köpfen der Allgemeinheit wohl erst seit 4 bis 5 Jahren verankert. Anfang der 60er Jahre machte sich die RAND Corporation – eine Denkfabrik des Kalten Krieges – in den USA Gedanken darüber, wie die US-Machtinhaber und Behörden nach einem Nuklearkrieg die Kommunikation untereinander aufrecht erhalten sollten. Unter höchster militärischer Geheimhaltung begann man an einem Netzwerk zu arbeiten, das die Lösung für dieses Problem sein sollte. Das erste kleine Testnetz stand in Großbritannien. Kurze Zeit später entschied das Pentagon, ein wesentlich größeres Projekt in den USA zu realisieren: das ARPA-Net war geboren. Im Dezember 1969 waren dann 4 Universitäten mit einem Rechner ausgestattet und über schnelle Datenleitungen miteinander verbunden.
Der Anschluss der akademischen Welt ans Netz erforderte eine Trennung zwischen militärischem und zivilem Teil, da die Militärs ihre eigenen Interessen wahren wollten. Im zivilen Teil des Netzes nahm die Anzahl der angeschlossenen Rechner in den 80er Jahren sprunghaft zu. Der Siegeszug des Internet nahm seinen Lauf.

Das Internet ist ein Medium mit viel Potenzial, denn es steckt immer noch in den Kinderschuhen. Um dieses Potenzial zu entwickeln, sind kreative Entwicklungen und Ideen nötig. Denn der Cyberspace hat viel zu bieten.

Es gibt drei Möglichkeiten, wie die Literatur das Medium Internet nutzt bzw. wie kreative Verbindungen zwischen Literatur und Internet entstehen können.

1. Literatur im Netz

Man setzt einen literarischen Text 1:1 ins Netz. Hier wird das Netz als Publikationsorgan und eventuell als PR-Maschine genutzt. Dies ist die unspektakulärste Art, das Netz zu nutzen. Beispiele dafür sind Hunderttausende von Schubladenromanen, die mittlerweile auf einsamen Homepages vor sich in fristen. Ein anderes Beispiel ist ein Horrorthriller von Stephen King , bei dem das Netz lediglich als Marketinginstrument zum Vertrieb des Textes benutzt wird.

Die Texte sind linear strukturiert und auf traditionelle Weise verfasst. Es handelt sich hierbei nicht um Netzliteratur sondern um Literatur im Netz, da die neuen Elemente des Mediums wie zum Beispiel Hyperlinks nicht mit einbezogen werden.

2. Literarische Hypertexte

Sie nutzen die Möglichkeit der Vernetzung von Textteilen. Sie präsentieren sich als multilineare Texte. Der etablierteste Begriff für diese literarischen Texte ist wohl Hyperfiction.
Mit dem Aufkommen des Internets Mitte der neunziger Jahre entstand besonders im deutschsprachigen Raum eine Szene, die die neuen elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten des Netzes mit mehr oder weniger großem Erfolg auslotete. Der Begriff Netzliteratur war naheliegend, da die Texte der Autoren nur im Internet existierten. Doch da dieser Begriff im Internet schlicht mit Literatur im Netz interpretiert wird, ist es naheliegend, im wissenschaftlichen Umfeld den Begriff Hyperfiction zu verwenden.
Eine, so knapp wie möglich formulierte, Definition müsste man folgendermaßen formulieren: „Hyperfictions sind komplexe literarische Gewebe, in denen multiple narrative Abläufe durch die implementierte Verknüpfungsstruktur sichtbar werden und die dem Leser zum Nachwandern offen stehen.“ (Sutter, Beat und Böhler, „Hyperfiction – ein neues Genre“)

3. Multimedia(le) Texte und Welttexte

Damit sind Texte oder Werke gemeint, die mit Bild-, Ton- und Videoelementen versetzt sind oder sein können und eine Art Gesamtkunstwerk darstellen. Sie werden gelegentlich auch als Hypermedia bezeichnet. Dabei handelt es sich um den relevantesten Texttypus, der das hypertextuelle Erbe in die Multimedialität der neuen technischen Möglichkeiten überführt. Hierzu gehören zum Beispiel Projekte wie Mark Amerikas "Grammatron" und "Die Aaleskorte der Ölig" von Dirk Günther und Frank Klötgen.

Ein wichtiges Merkmal von Hyperfictions ist das performative Lesen. Dabei wird der Leser vom Autor ins Stück miteinbezogen und kann eine mehr oder weniger wichtige Rolle einnehmen. Die Beteiligung des Lesers an einem Text spielt sich normalerweise im Kopf ab. Durch lesen und imaginieren knüpft man die Fäden im Kopf zusammen. Der Hyperfiction-Leser dagegen muss seine Rolle wahrnehmen – und sei dies auch nur über die Entscheidung einen Link auszuwählen und den anderen sein zu lassen – denn wenn er nichts tut, entwickelt sich auch keine Story.
Es entsteht ein virtueller Raum, in dem der Leser entscheiden und handeln, manchmal sogar konkret mitschreiben kann. Der Leser wird zu einem Mitarbeiter am Text. Zwar ist auch das Lesen und Interpretieren eines Buchromans immer ein nicht zu unterschätzendes Stück Arbeit und Mitarbeit, das Neue an vielen Hyperfictions ist jedoch die Möglichkeit, diese Mitarbeit ganz konkret in einem eigens dafür konstruierten Raum leisten zu können – dem virtuellen Raum. Darin wird das beim Lesen entstehende Imaginäre zu einer zweiten Realität.

Doch nicht jeder sucht beim Lesen vor allem Verweise zu anderen Texten oder „Interaktivität“. Die Debatte Buch versus Internet bewegt sich oft auf dem Argumentationsniveau der früheren Debatte CDs contra Vinyl: hier die Liebe zur Tradition und eine Portion Nostalgie, dort technische Perfektion, Modernität und Weltoffenheit.
Sowohl das Buch als auch das Internet haben viele Vorteile.

Vorteile von Hypertext:

1. Geringere Erstellungskosten
Der Druck eines Buches ist sowohl zeit- als auch kostenintensiv. Er lohnt sich erst ab einer bestimmten Mindestauflage. Da außerdem die Vertriebskanäle der Verlage nicht genutzt werden müssen, werden beim Publizieren über das Internet noch mehr Kosten gespart.

2. Höhere Aktualität
Durch die geringen Kosten kann man in einer Neuauflage auf Änderungen oder Korrekturen eingehen, ohne zuvor monate- oder jahrelang abzuwarten.

3. Schnellerer Informationszugriff
Zwar gibt es in einem Buch ebenfalls Verweise, doch diese sind ausschließlich textuell (z.B.: „vgl. Kapitel 12, „siehe Seite 245“, „siehe Buch XY“). Beim Hypertext kann der Leser den Verweisen direkt per Mausklick folgen.

4. Integration unterschiedlicher Medientypen (Multimedia)
Im Medium Buch ist nur die Darstellung von Texten und Bildern möglich. Zur Veranschaulichung eines bestimmten Sachverhalts kann bei Hypertexten ein anderes Medium (z.B.: Demonstration durch Unterstützung von Sound) mitwirken.

Auch das Buch hat einige gravierende Vorteile:

1. Ein Buch kann man fast überall mit hinnehmen
2. Rezeption ohne Technik
3. gut für grundlegende und längerfristige Infos
4. akzeptiertes und bekanntes Medium
5. Ein Buch kann nicht abstürzen


Die digitale Revolution

Früher war die Kommunikation zwar langsam, dafür aber inhaltlich ausgeprägt. Heute kennen wir die gewaltige Dynamik der Kommunikation- und Medienmärkte durch die Schnelligkeit der Innovationen, achten aber nicht genug auf die qualitative Ausrichtung von Inhalten.
Der technologische Wandel und seine Folgen beeinflussen unser gesamtes Leben, unsere beruflichen Pflichten und privaten Gewohnheiten, unser gesamtes Denken und Handeln.
Wie gestalten wir nun verantwortlich diesen Wandel und was bedeutet er für das Medium Buch, dem wir im Laufe der Zeit das ganze Spektrum von Wissen, Kreativität und Emotionen anvertraut haben?

Durch die unbegrenzte Möglichkeit zur Datenspeicherung und die sofortige globale Datenübertragung gehen die Kommunikationskosten gegen null, die Kommunikationsmengen gegen unendlich.
Im Zuge dieser multimedialen Entwicklung hat sich das Buch gut behaupten können. Glanz und Elend der Menschheit sind in der Schrift festgehalten und lesend erschlossen worden. Wer sich bilden will kommt am Buch nicht vorbei. Wer liest, übt seinen Verstand und ist zu kategorischem Denken fähig. Intensives Lesen fördert deutlich die Beurteilung von Informationen und die Strukturierung des Wissens.
Das Buch kann für junge Menschen eine entscheidende Lebenschance bedeuten.

weiter



Quellenverzeichnis:

OQ 1: http://www.websprache.uni-hannover.de
OQ 2: http://home.t-online.de
OQ 3: http://www.schroedel.de
OQ 4: http://www.ub.uni-dortmund.de
OQ aufgerufen am 16. 12. 2003

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