Medienrevolution |
Montag, 19. Januar 2004
edith.frauscher.salzburg, 02:42h
„Das Internet hat viele Gesichter. Es ist nicht nur ein weltweiter Marktplatz, sondern auch ein Ort der zwischenmenschlichen Begegnung, eine weltweite Kneipe und transkulturelle Kommunikationsplattform.“ (Mike Sandbothe)
"Ich bin viele" lautet eine der Kernthesen von Sherry Turkle, klinische Psychologin und Professorin für Wissenschaftssoziologie am weltberühmten Massachusetts Institue of Technologie, kurz MIT. In ihrem Buch „Leben im Netz – Identitäten in Zeiten des Internets“ (Originaltitel: Life on the screen – Identity in the Age of the Internet) beschreibt sie, was User in der virtuellen Welt treiben und wie der tagtägliche – oft stundenlange – Umgang mit dem Internet die Gefühle und die eigene Identität beeinflusst. Turkle zitiert in ihrer Studie einen College-Studenten, der seine virtuelle Realität als mindestens genauso wichtig erachtet wie das RL – die Abkürzung steht für „Real Life“. “RL ist nur eines von vielen Fenstern, und meistens nicht gerade das Beste.“ Der Internetanwender, so Turkle, kreiert sich sein eigenes Selbst und experimentiert mit multiplen Persönlichkeiten. Auch diese „virtuellen Wesen“ suchen nach einer Gemeinschaft, nach Zusammengehörigkeit. Sie suchen sich ihren Platz in der Gesellschaft indem sie im Internet Stammesgemeinschaften aufbauen. Maskerade? Die Beurteilung virtueller Identitäten ist äußerst schwierig. Viele Leute kritisieren, dass der soziale Austausch im Netz reine Maskerade ist. Personen können sich hinter beliebig vielen „Scheinidentitäten“ verstecken die mit ihrem wirklichen Leben und Alltag nur wenig oder gar nichts gemeinsam haben. Andere wiederum sind der Meinung, dass es für viele Menschen positiv ist, wenn sie sich anonym so geben und verhalten, wie sie es im Alltag – aus welchen Gründen auch immer – nicht tun können. Viele Menschen flüchten vor ihren Alltagsproblemen in eine virtuelle Identität, in der sie ihre Wünsche und Sehnsüchte preisgeben können, ohne die Konsequenzen fürchten zu müssen. Sie benutzen den Bildschirm als Maske hinter der sie sich verstecken können, hinter der sie völlige Anonymität genießen. Dadurch werden soziale Ängste und Hemmungen reduziert und die Benutzer werden entspannter. Sie offenbaren dabei Aspekte ihres Selbst, die in vielen „Offline-Situationen“ ausgeblendet bleiben. Geschlechtertausch Da wir im Netz quasi „unsichtbar“ sind, können wir beliebig oft in immer neue Rollen schlüpfen. So befinden sich in einigen Chats – laut eigenen Aussagen - erstaunlich viele Schönheiten die im Geld schwimmen und in ihrer Freizeit am liebsten Extremsportarten ausüben. Mehr Schein als Sein. Die verbreitetste und radikalste Form des Rollentauschs im Netz ist das sogenannte „Gender-Switching“ oder „Gender-Swapping“. Wie der Name schon sagt geben sich hierbei Männer als Frauen aus und umgekehrt. Gerüchten zufolge sind in manchen Foren bis zu 80 % der angeblich weiblichen Chatter in Wirklichkeit Männer. Wenn also versucht wird, im Internet eine emotionale Beziehung aufzubauen, ist Vorsicht geboten. Ansonsten kann man(n) schnell enttäuscht werden... Zwischenmenschliche Enttäuschungen Problemlos lassen sich im Internet zahlreiche Erfahrungsberichte von enttäuschten Personen finden, die womöglich erst nach Wochen oder Monaten gemerkt haben, dass ihr begehrtes Gegenüber hinsichtlich Geschlecht, Alter, Aussehen, Vermögen, Beruf und Hobbys schamlos gelogen hat. Ein solcher Schwindel ist natürlich sehr schmerzhaft und belastend. Eine Reihe dieser Berichte wurde auf der von einer Betroffenen betriebenen Selbsthilfe-Website www.saferdating.com veröffentlicht. So schrieb eine Frau im Juni 1998 beispielsweise: “Two years ago I chatted with a guy in a "Southeastern chat room". Being a gal from Southern California, I wanted to hear a "cute" southern accent which isn't common where I live...so I asked a Texan if he would mind if I called him on the phone just for a few minutes so I could hear his voice. He agreed and so I called and we had a short, pleasant conversation on the phone. Several weeks later we would find each other on-line and chat for hours....either online or he'd call me or I'de call him on the phone. We had wonderful conversations. He seemed to be my "Mr. Right" and claimed that I was his "Ms. Right". Our chats online and on the phone continued for about a month, us falling more in love each day (or so I thought) until we no longer could stand the distance.”…”He decided he would fly to California to meet me. so he did. We had the most amazing weekend together. He was all I could ever imagine wanting and vice versa. We were so in love. This guy hung the moon for me.”...”Finally the idiot I was decided I would wire him some money (which I took out of savings and small loans). The money I lent him added up to close to $2,000. By now it had been about three months since we had last seen each other and I was in the hole about two grand, not to mention in major stress from not seeing him and all the problems that arose with my family and friends because of him. I was so in love and so sure that this guy was sincere with me that I believed every word out of his mouth. He finally told me over the phone that he didn't think "it was going to work". I had lost sleep, cried my eyes out, disobeyed my parents, and was now in financial distress myself and this guy who I thought meant the world to me is telling me "it's not going to work out, we should just end this". I was devastated.” Identitätstäuschung im Netz ist ein schwerwiegendes, interpersonales Problem, das bei vielen Menschen Selbstzweifel, Vertrauensverlust und Verletzung auslöst. Im Zusammenhang mit interkontinentalen Online-Bekanntschaften sollte man im Zweifelsfall eine Detektei einschalten, bevor man hoffnungsvoll um die halbe Welt fliegt um mit der Online-Liebe ein neues Leben zu beginnen. Solange man nicht sicher weiß, wer hinter der vorgegeben Identität steckt, sollte man nicht zu viel von seiner Persönlichkeit und seinem Leben preisgeben. Chancen und Risiken virtueller Identitätsentwürfe Der Diskussionsstand zu virtuellen Identitäten ist also durch Selbstmaskierungs-Kritik und Selbsterkundungs-Lob geprägt. Hierbei sind drei Faktoren ausschlaggebend:
Beginnen wir mit der Frage nach dem Menschenbild: Aus Sicht der Selbstmaskierungs-These wollen Netznuter/-innen andere Menschen hauptsächlich hintergehen, wenn es gut geht, suchen sie oberflächliche Unterhaltung. Geht man von der Selbsterkundungs-These aus, verfolgen Netznutzer durchaus ehrenwertere Ziele. Sie setzen diese Art der Kommunikation manchmal sogar therapeutisch ein und versuchen ihr eigenes Verhalten und das der anderen Nutzer teilweise sozialkritisch zu untersuchen. Netzdienste Das Selbstmaskierungs-Modell bedient sich spektakulärer Skandal- und Kriminalfälle aus der Presse. Das Selbsterkundungs-Modell hingegen stützt sich auf die Erfahrungen von jungen Leuten aus dem sozialwissenschaftlichen Universitäts-Milieu. Wenn anstelle von Einzelfällen repräsentative Ausschnitte der Netzpopulation betrachtet würden, bei denen ein breites Spektrum von Nutzungsmotiven zu erwarten ist, würde eine weniger dramatisierte Einschätzung der Risiken und Chancen virtueller Identitäten resultieren. Die Diskussion über virtuelle Identitäten wird aber auch bzw. vor allem durch eine Einengung der betrachteten Netzdienste extremisiert. Dass Menschen ihre Selbstdarstellungen völlig frei entfalten können, ist in ersten Linie eine Option der Chat-Foren als der flüchtigsten Variante persönlichen Austauschs im Netz. Im Netzalltag spielen die E-Mail und WWW-Kommunikation eine viel wichtigere Rolle. Persönliche Homepages sind in der Regel mit Text- und Bildmaterial ausgestattet und liefern meistens vollen Namen und Kontaktadresse. Außerdem benutzen viele Nutzer/-innen E-Mail Adressen, die ihren vollen Namen beinhalten und ihre Institutsangehörigkeit erkennen lassen. Damit wird beliebigen Identitätswechseln ein Riegel vorgeschoben. Nutzungskontexte Man muss im Zusammenhang mit Netznutzung auch betrachten wie und in welchen sozialen Kontexten Netzdienste genutzt werden. Pauschalaussagen über spielerische Identitätskonstruktionen „beim Chatten“ sind unsinnig, solange nicht spezifiziert wird, wer in welchem sozialen Arrangement und mit welcher Zielsetzung beim Chatten aufeinander trifft. Computervermittelte Kommunikation bürgert sich immer mehr in Ausbildungs- und Berufkontexten ein, in denen die Beteiligten mit der Frage beschäftigt sind, wie sie ihre E-Mail, Web- oder Chat-basierten Selbstpräsentationen glaubwürdig gestalten. Bei einem Kundenkontakt sollte etwa der Dienstleister als Person leicht und zuverlässig identifizierbar sein. Quellenverzeichnis: OQ 1: http://www.dib.at OQ 2: http://www.dada.at OQ 3: http://uni-bamberg.de OQ aufgerufen am 19. 01. 2004 ... comment |
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Das virtuelle ICH
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