Artikel Gesundheit to go
rainer.krottenthaler.uni-linz, 16. Mai 2018, 10:17
M-Business in Sport / Fitness / Medizin
Begriff
E-Health (Electronic Health) ist ein Sammelbegriff für den Einsatz digitaler Technologien im Gesundheitswesen. (Q:23) Kommen hierfür Smartphones oder andere tragbare Geräte zum Einsatz, so spricht man von M-Health (Mobile Health). (Q: 24) Zu M-Health zählen Gesundheits- und Fitness-Apps, Wearables, individualisierte Hinweis- und Erinnerungssysteme, Gesundheitsinformationen per SMS, Telemedizin, Monitoring, uvm.
Video: Why mobile technology may well define the future of healthcare for everyone.
Bedeutung
Laut der Europäischen Kommission werden M-Health-Dienste in Zukunft eine große Rolle in den europäischen Gesundheitssystemen spielen. Dies u.a. aus folgenden Gründen:
1. Kosten: Die aus dem demografischen Wandel („Überalterung“) sowie der Zunahme chronischer Erkrankungen resultierenden steigenden Kosten im Gesundheitsbereich erfordern die Realisierung von Sparpotentialen durch Übertragung medizinischer Dienste auf den für seine Gesundheit verantwortlichen Patienten (ePatient).
2. Affinität: Gerade der Medizin- und Sportbereich gilt als besonders Zahlen- und Mess-affin und nimmt deshalb innerhalb des E-Business eine Pionierfunktion ein („Tracking“) Auch sind vor allem Sportler überdurchschnittlich für Technik zu begeistern. (Q: 1)
3. Niederschwelliger Zugang: Der persönliche uns sensible Medizin-Bereich kann dank mobiler Geräten ohne Beteiligung Dritter, die u.U. eine psychologische Barriere darstellen, überwacht werden.
Gemäß einer Studie des Marktforschungsinstituts für Digitalwirtschaft „Bitkom Reserach“ aus dem Jahr 2017 verwendet jeder zweite Besitzer eines Smartphones mittlerweile Sport und Gesundheits-Apps. Genauso viele können sich, dies künftig vorstellen. Am meisten genutzt werden Apps zur Aufzeichnung von Körper- und Fitnessdaten (Herzfrequenz, Blutdruck, Anzahl der Schritte), gefolgt von Apps, die lediglich informieren, z.B. über Gesundheits-, Fitness-, Gewichts- oder Ernährungsthemen. (Q: 2)
Bild: Nutzung von Gesundheitsapps (Quelle Bitkom)
Zwischen 2014 und 2017 stieg die Nutzung von Gesundheits- und Fitness-Apps um mehr als 330%. Bemerkenswert ist dabei die Treue der App-Benutzer: Wenn sie erst einmal angefangen haben, eine Gesundheits- und Fitness-App zu verwenden, so bleiben 96% der Nutzer ihrer App treu. (Q: 3) Neben Apps sind Wearables eine zweite wichtige Säule des M-Health. Darunter versteht man Technologien, die am oder im Körper getragen werden und die aufgezeichneten Daten an ein Handy übertragen. Apps und Wearables kommen sowohl bei der Prävention als auch bei der Dignose und der Therapie zum Einsatz.
1. Prävention
Egal ob Sport, Rauchen aufhören, Alkoholmesser, Pollenwarndienst, Abnehmen oder Wasser trinken, der Trend zum 24-Stunden Self-Tracking macht das Smartphone zum Lebensberater für alle Lebenslagen. Es gibt kaum mehr einen Bereich, der nicht überwacht werden kann. So helfen Apps dabei, schwanger zu werden, in dem sie an Hand der Daten (Alter, Gewicht, Körpertemperatur, Zeitpunkt der Periode,…) die fruchtbaren Tage errechnen. (Q: 28) Oder das Smartphone wird zum Schlaflabor: Es registriert durch Beschleunigungssensoren die Bewegungen im Schlaf und erstellt eine grafische Auswertung, wie lange und wie gut man geschlafen hat. Es errechnet den optimalen Weckzeitpunkt und wertet die Schlafzimmergeräusche aus. (Q: 26)
Wearables können in Laufschuhe, Unterwäsche, Sportbekleidung, Brillen, etc. eingearbeitet werden und messen Herzfrequenz, Wasserhaushalt, Atmung, Körpertemperatur, Körperfett, Geschwindigkeit, Beschleunigung, gelaufene Distanz, uvm. (Q: 5) Über die gesamte Saison hat der Sportler oder Coach so die Daten jeder einzelnen Trainingseinheit. (Q: 4) Wearables werden vor allem im Einzelsport eingesetzt. Im Mannschaftssport nimmt die NFL (amerikanische Football-Liga) eine Vorreiter-Rolle ein. (Q: 4)
Bild: Der Kompressionsärmel zeigt an, wann die Schwelle zur Überlastungs- und Verletzungsgefahr erreicht ist. (Quelle: Komodo Technologies)
Smartbrillen können für verschiedenste Aufgaben eingesetzt werden. Neben Musik hören oder Telefonieren zeigen sie auch Nachrichten vom Smartphone an oder weisen über Audio-Steuerung den Weg. (Q: 5) Parallel dazu sammeln sie Fitness-Daten, messen Trainingsfortschritte und stimmen den Trainingsplan darauf ab. Der Sportler erhält laufend Tipps, wie er sein Training gestalten soll. (Q: 1) Smarte Brillen können auch abseits des Sports helfen, die Konzentrationsfähigkeit zu steigern. Basierend auf der Hirnstrommessung analysiert die Brille diverse Daten und erlaubt, über Apps Maßnahmen zur Konzentrationssteigerung zu erstellen. (Q: 4)
Bild: Der Zahnschutz erkennt Gehirnerschütterungen und zeigt an, welcher Spieler vom Feld muss.
Wearables können aber auch in den Körper verlagert werden. So misst die Tablette E-Celsius die Körperkerntemperatur und sendet die Daten an ein Smartphone. So wird die sportliche Leistung optimiert (Q: 4) und dient als Frühwarnsystem für Krankheiten oder Überlastung. (Q: 6)
2. Diagnostik
Bild: Telemedizinische Beratung 24/7 über Online-Sprechstunde
Hautkrebs: Das Pigmentmal wird gescannt und nach der ABCD-Regel (Asymmetrie, Begrenzung, Color, Durchmesser) analysiert. Ergebnis ist eine Risikoabschätzung. Selbstverständlich handelt es sich dabei nur um eine erste Orientierung, welche keinesfalls den Arztbesuch ersetzt. Dennoch sind die Smartphone-Ergebnisse zum Teil erstaunlich gut, wie Untersuchungen zeigen. Mit anderen Apps lässt sich eine fotografische Karte der Pigmentmale am Körper erstellen und speichern, um mögliche Veränderungen fotodokumentiert nachzuverfolgen. (Q: 7)
Bild: Per Bluetooth liefert das Urin-Stäbchen das Ergebnis des Schwangerschaftstests direkt aufs Handy.
Krebs: Die Nano-Pille von Google enthält kleine magnetische Partikel. Vom Magen aus verteilen sich die Mikroteilchen im ganzen Körper. Dabei sind die Nanos so konzipiert, dass sie sich an spezifische Krankheitsmoleküle anheften. An solchen Molekülen sammeln sie sich und hören auf sich zu bewegen. Dieses Verhalten wird von einem Sensor am Arm registriert und an ein mobiles Gerät weiter geleitet. Die Pille kann so vor Krebs, Herzinfarkten oder Nierenversagen warnen. (Q: 9)
Bild: Das Diagnosegerät für Geschlechstkrankheiten liefert das Ergebnis automatisch aufs Handy. (Q: 8)
3. Therapie
Medikation: SIMpill unterstützt Patienten und / oder Pflegepersonal dabei, sicherzustellen, dass Medikamente wie vorgeschrieben eingenommen werden. Das System überwacht den Medikamentenplan und die Medikamenteneinnahme des Patienten und erinnert Patienten und Betreuer nach Bedarf, indem eine SMS an das Mobiltelefon des Patienten und / oder des Pflegepersonals gesendet wird, wenn der Patient seine Medikamente nicht wie vorgeschrieben einnimmt. Alle Überwachungen und Erinnerungen erfolgen in Echtzeit. (Q: 35) Noch einen Schritt weiter geht „Ability MyCite“, die sprechende Tablette für psychisch Kranke (Schizophrenie, bipolare Störung, Depression). Der eingebaute Sensor sendet ein Signal aus, wenn die Tablette mit der Magenflüssigkeit in Kontakt gelangt. Aufgefangen wird das Signal von einem Empfänger, der mit einem Pflaster auf dem Brustkorb des Patienten angebracht ist. Der Empfänger sendet wiederum eine Botschaft an eine App. Diese ermöglicht es dem Arzt, Pflegern, Angehörigen oder Freunden, auf ihren Mobilgeräten zu kontrollieren, ob der Patient das Medikament den Anweisungen entsprechend einnimmt. (Q: 36)
Bild: Die Kontaktlinse erkennt ob der Blutzuckerspiegel des Diabetes-Patienten. (Q: 9)
Tinnitus: Mit einer App kann die Lieblingsmusik des Patienten zur sogenannten neuroakustischen Therapie aufbereitet werden. Bei wird die Frequenz des Tinnitus aus der Musik herausgefiltert. Hört der Patient die Musik, so wird der auditorische Kortex im Gehirn stimuliert. Dadurch wird die dem Symptom zugrunde liegende Überaktivität des Gehirns gelindert und die Lautstärke des Tinnitus somit verringert. Die App gibt es auf Rezept. Wird der Tinnitus ärztlich bestätigt, so trägt die Krankenkasse die Kosten. (Q: 12)
Herausforderungen
Dem aus M-Health resultierenden Mehrwert (schnellere und genauerer Information, erhöhtes Gesundheitsbewusstsein, mehr Eigenverantwortung des E-Patienten,…) stehen nicht zu unterschätzende Risiken gegenüber. So können M-Health-Geräte leicht in die Irre führen und sollten deshalb keinen Ersatz für den Arztbesuch darstellen. (Q: 25) Bislang gibt es keine gesetzliche Regelung, was passiert, wenn die Apps nicht halten, was sie versprechen, z.B. wenn die berechnete Insulindosis für einen Diabetiker zu hoch kalkuliert oder ein bösartiges Melanom als ungefährlich eingestuft wird? Grundsätzlich fallen in Österreich Gesundheits-Apps unter das Medizinproduktegesetz (MPG). Laut § 2 MPG zählt zu den Medizinprodukten auch Software zum Zwecke der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten. Sofern eine Klassifizierung als Medizinprodukt erfolgt, muss die App ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen und erhält als Bestätigung eine CE-Kennzeichnung. (Q: 30) Diese bestätigt, dass das Produkt den geltenden Anforderungen genügt, die in den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft über ihre Anbringung festgelegt sind. Sie ist daher kein Qualitätssiegel. (Q: 31) Da unabhängige Prüfstellen oder Leitlinien nicht existieren, sind die Verbraucher auf sich selbst gestellt und orientieren sich an Downloadzahlen und Rezensionen anderer. So werden die Stimmen lauter, die Qualitätsstandards und Zertifizierungen fordern. Das Problem: in einem globalen Markt versagen lokal begrenzte Regelungen und führen zu Wettbewerbsnachteilen für nationale Anbieter. (Q: 28)
Eine zweite Herausforderung von M-Health ist der Datenschutz. Die gesammelten Daten bleiben meist nicht im Gerät sondern wandern in die Cloud, wo sie von den Anbietern verarbeitet und ausgewertet werden, um den Nutzern schließlich eine Rückmeldung zu geben. Dies hat den Vorteil, dass die Geräte keinen eigenen Speicher brauchen und dadurch kleiner und leichter werden. Was mit den Daten jedoch in der Cloud passiert, ist praktisch undurchschaubar. Ob die Daten an Dritte weitergeleitet werden, kann man kaum überprüfen. (Q: 10) Da die von den Wearables gesendeten Daten zudem nicht verschlüsselt sind, sind sie besonders im Bluetooth-Modus leicht auszuspähen. Jedes Smartphone in der Nähe kann die Daten ebenfalls empfangen. Deshalb verbietet beispielsweise die NBA den Einsatz von Wearables, da befürchtet wird, dass kursierende medizinische Daten Spielertransfers beeinflussen könnten. Bei Vertragsverhandlungen könnten Manager und Trainer dieses Wissen missbrauchen, um Gehälter oder Ablösesummen zu drücken. (Q: 1) Doch auch die genannten Nachteile werden den Aufstieg von M-Health kaum bremsen. Technologische Verbesserungen werden die Datenerfassung in Zukunft noch genauer machen. (Q: 9)
Quellenverzeichnis
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(3): MEDIENHAUS Verlag GmbH: online unter: https://www.it-zoom.de/mobile-business/e/gesundheits-und-fitness-apps-boomen-17956/
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(10): Stammel, Christian (2017): Intelligente Kleidung: Wearables als ständige Begleiter, online unter: https://www.pcwelt.de/ratgeber/Wearables-als-staendige-Begleiter-10033155.html
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(12): Wizelife News-Team (2015): Tinnitus-Therapie per App, online unter: https://wize.life/themen/kategorie/gesundheit/artikel/42162/tinnitus-therapie-per-app
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(14): Pinterest (2018): Erkunde Intelligentes Glas, Tragbare Technik und noch mehr!, online unter: https://www.pinterest.at/pin/108438303504015195/
(15): CNX-Soft (2015): Forget Wearables, Ingestibles are Coming! Meet BodyCap e-Celsius Performance Pill, online unter: https://www.cnx-software.com/2015/12/07/forget-wearables-ingestibles-are-coming-meet-bodycap-e-celsius-performance-pill/
(16): Das, Subhasri (2015): Google Presents Solar Powered Smart Contact Lens, online unter: http://www.i-runway.com/blog/google-presents-solar-powered-smart-contact-lens/
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(31): Wikipedia, online unter: https://de.wikipedia.org/wiki/CE-Kennzeichnung
(32): Gee Tim, online unter: https://www.flickr.com/photos/timgee/293390569
(33): Esato, online unter: https://www.esato.com/news/simpill-418
(34): Raza Merchant, online unter: http://www.razamerchant.com/portfolio-items/simpill/
(35): Simpill, online unter unter: http://www.simpill.com/
(36): Die Presse: Ability MyCite: Die sprechende Tablette, online unter: https://diepresse.com/home/leben/gesundheit/5320744/Ability-MyCite_Die-sprechende-Tablette
Ausblick und Entwicklung von mHealth.
anica.nacova.uni-linz, 1. Juli 2018, 18:06
Entwicklung zu einem Markt von 23 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2017 - getrieben durch steigende Gesundheitskosten, mangelnden Zugang zu Gesundheitsvorsorge und steigende Anzahl an chronischen Erkrankungen.
Artikel: The global mHealth market opportunity and sustainable reimbursement models