Kernthema Was ist und zu welchen Ende studiert man Webwissenschaften
Hans.Mittendorfer.Uni-Linz, 2. März 2018, 20:39
Warum und wie das Web entstand
Tim Berners-Lee spricht in seinem Vortrag: "The next Web of open, linked data" (Q 12) über die Motive das Web zu entwickeln, die Notwendigkeit Standards und "Links" für vernetzte Dokumente zu schaffen und barrierefreien, in letzter Konsequenz globalen Zugriff auf Daten (Dokumente) zu ermöglichen.
Hypertext und Hypermedia
Die Ursprüngliche Idee vernetzter Dokumente stammt jedoch von Ted Nelson. 1980 verfasst Theodor Holm Nelson ein Werk, das der "Literary Machines" (Q16) nannte und mit dem Hinweis versah: "Do not confuse it with any other Computer Book". Ein deutlicher Hinweis, dass er mit dem Werk keinen Beitrag zur Disziplin der Informatik liefern wollte, sondern ein Konzept für das nicht-sequentielle Schreiben und Lesen. Literary Machines behandelt u.a. die Themen "Hypertext", "Interconnected Writing", "Non-sequential Reading and Writing", "In-Links and Out-Links" und stellt erstmals einen semantischen Zusammenhang zwischen "Front End und Back-End Service" her.
Im Wintersemester 2011 eröffnete Ted Nelson das Studiums der Webwissenschaften der Johannes Kepler Universität.
Das Verhältnis zwischen Web und Internet
Das World Wide Web (kurz Web oder WWW) ist technologisch gesehen ein Dienst unter vielen Diensten des Internet, es wird jedoch vielfach dem Internet gleich gestellt. Diese Gleichstellung hat bis zu einem gewissen Grad seine Berechtigung, denn das WWW bietet den Nutzern über seine Oberfläche viele der generischen Interent-Dienste, z.B. E-Mail, Filetransfer, Audio- und Videostreaming, sogen. Web-Applikationen (z.B. Soziale Medien) und Informationsquellen des Alltags an. Die 5. Generation der Auszeichnungssprache HTML - der Sprache des Web -trägt, mit ergänzenden Technologien umfassend dazu bei.
Die Verschiebung der Nutzung des Web vom ürsprünglichen hypertextuellen Web (bzw. dem Web 1.0) zu Videostreams und Peer-to-Peer Anwendungen, veranlasste das Internet-Magazin "Wired" im August 2010 einen Beitrag von Chris Anderson und Michael Wolff mit dem Titel "The Web Is Dead. Long Live the Internet" als Titelstory zu veröffentlichen (Q10), der die Fachwelt in Aufruhr versetzte (siehe Q11).
Abb.: Proportion of Total US Internet Traffic, (Q10)
Millionen von Facebooknutzern meinen, dass Sie zwar Facebook nutzen, aber das Web und Internet nicht.
Laut einer Studie von Helani Galpaya sind namhafte Facebook-NutzerInnen in Indonesien, den Phillipinen und Thailand der Meinung, dass sie Facebook nutzen, das Internet aber nicht. Ähnliche Ergebnisse brachten Untersuchungen in Afrika und den USA. "It seemed that in their minds, the internet did not exist, only Facebook" (siehe Q 21).
Dieses Phänomen steht in engem Zusammenhang mit dem Betrachtungsobjekt der Webwissenschaften. Jedoch der Leistungs- und Bedeutungswandel zentraler Bausteine wie das Internet oder Web selbst verändert auch das Betrachtungsobjekt. Die Technologie des Webs steht nicht mehr im alleinigen Zentrum wissenschaftlicher Diskussionen, wie dies in den 1990er Jahren der Fall war. Vielmehr sind es die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, gestalterischen oder politischen Phänomene und damit im Zusammenhang stehende juristische Fragestellungen. Ein Indiz dafür, dass die Webwissenschaften längst keine "HTML-Wissenschaften" mehr sind.
Der Trend: Mobilkommunikation
Im Februar 2014 schreibt Nathan Matuska: "In 2010 Wired Magazine published The Web Is Dead | Long Live The Internet, regarding the demise of the PC and the shrinking need for the Web as a digital presence. The original argument from the authors states that in the new age of tablet devices, people would consume digital content via apps, which would kill the web as the main source of digital information. Now, over three years later, we can see that the web is not dead and is in fact alive and growing." (Q14)
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista.
Ökonomische Vorteilhaftingkeit digitaler Kommunikation und Information
Allein die ökonomische Vorteilhaftigkeit digitaler Kommunikation und Information bedingt, dass das Web trotz seiner Bedrohungen und Gefährdungen nicht mehr wegzudenken ist. Die Gesellschaft in den Indsutrie- und Schwellenländern hat sich darauf einzustellen und bereitwillig eingestellt, wie auf die Entwicklung der verfügbaren Energie oder die vorhandenen Verkehrssysteme.
Zum Standort der Webwissenschaften
Zur Frage, ob die Webwissenschaft eine eigenständige Wissenschaft ist oder je werden kann, weist H. Volpers im Kapitel "Das Web als Gegenstandbereich im Kontext verschiedener Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften" auf die, wenngleich sehr unterschiedlichen, "erkenntnisleitenden Interessen" der beteiligten Disziplinen hin (Q4, Seite 45). Beispielgebend wird u.a. E-Commerce als Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaften mit dem Fokus am Web angeführt.
Auch die im gegenständlichen Studium als interdisziplinär eingestufte Betrachtungsweise der Webwissenschaften zergliedert eine, möglicher Weise neue Wissenschaft in bekannte Fächer mit dem Präfix "E-" (E-Business, E-Government, E-Learning, usw.) und extrahiert diese aus traditionellen Wissenschaften. Dieser Ansatz ist als Antwort auf die Frage nach der Eigenständigkeit der Webwissenschaft jedoch nicht zufriedenstelltend.
Volpers verweist deshalb in seinen Ausführungen auf das "Modell einer zukünftigen transdiszipliären Webwissenschaft" (Q4, Seite: 47). Sie sieht ihre Wurzeln in der allgegenwärtigen und umfassenden Durchdringung des Alltags aller gesellschaftlichen Milieus mit digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien, repräsentiert durch das Web - dem ubiquitären Web. In der zitierten Quelle ist beispielsweise von "technisch konstruierten, humanen bzw. sozialen Aktionsräumen" die Rede, die von keiner der sich angesprochen fühlenden Einzelwissenschaften (ausreichend) verstanden und erforscht werden können.
Das systematische, transdisziplinäre Aufsuchen, Ordnen, Beschreiben, Bewerten und Entwickeln vernetzer Phänomene aind Grundlage der Betrachtung der Webwissenschaften als Sammelbebriff singulärer Disziplinen oder aber einer kohärenten Disziplin, nämlch der Webwissenschaft.
Quellen (Qn)
- Online: Curriculum Webwissenschaften
- Online: "Web Architektur des W3C"
- Theodor Holm Nelson: "Literary Machines", Eigenverlag 1980
- K. Scherfer: "Ist das Web ein Medium", in K. Scherfer (Hg.): Webwissenschaft - Eine Einführung", Berlin 2010.
- H. Volpers: "Warum eine Webwissenschaft?", in K. Scherfer (Hg.): Webwissenschaft - Eine Einführung", Berlin 2010.
- Online: FinanzNachrichten.de "Jedem siebten Internetnutzer ist der Datenschutz egal"
- Online: "Internet-Trennung ist Menschenrechtsverletzung"
- Online: "Internet Protokoll Version 6"
- Douglas R. Hofstadter: "Gödl, Escher, Bach", Stuttgart 1985, Seite 400 ff.
- Online: "The Web Is Dead - Long Live the Internet", Wired 2010.
- Online: "Is the Web Dead?", The New York Times
- Online: Berners-Lee: "The next Web of open linked data", TED Konferenz im Februar 2009, Longbeach California.
- Online: Ted Nelson: "The Computerworld is Not Yet Finised"
- Online: Matusak M: "The Web is Not Dead"
- Online: http://www.japantimes.co.jp/news/2014/08/03/world/science-health-world/hitchhiking-canadian-robot-tests-trustworthiness-of-humans/#.VDEue76lrjQ
- Theodor Holm Nelson: "Literary Machines", 1980
- Online: Xanadu Hypertext System
- Online: Nelson "The Xanadu Document Model"
- Online: Nelson "Transpublishing: A Simple Concept"
- Online: Nelson "Transcopytight for the Web
- Online: http://qz.com/333313/milliions-of-facebook-users-have-no-idea-theyre-using-the-internet/
- Online: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/217457/umfrage/anteil-mobiler-endgeraete-an-allen-seitenaufrufen-weltweit/.
Alle genannten Onlinequellen wurden zuletzt am 22. Feb. 2017 aufgerufen. Für Inhalte der Onlinezitate wird keinerlei Haftung übernommen.
Liasion
Christian.Hergolitsch.uni-linz, 3. März 2018, 14:28
Webwissenschafterinnen und Wissenschafter sollten als Bindglied, als Liasion zu verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen fungieren. Sie sind nicht nur reine Übersetzer, sondern müssen Kompetenz als Dolmetscher aufweisen. Was sagt der Informatiker, was versteht der Jurist und wie interpretiert der Sozialwissenschafter dieselbe Aussage?
Die Kompetenz Inhalte zu vermitteln, setzt einen gewisse Sachkenntnis voraus, erfordert aber vielmehr den interdisziplinären Zugang und verschiedene Fähigkeiten, um vermitteln zu können.
"Das Web" ist insofern nicht nur als world wide web im Internet zu sehen, sondern als als Netzwerk aus gesellschaftlichen, technischen, ökonomischen und ökologischen Beziehungen. Webwissenschafter sind dazu berufen, Fäden in diesen Netzwerken aufzuzeigen, zu aktivieren oder herzustellen.
Warum Webwi?
marian.limberger.uni-linz, 3. März 2018, 14:40
Der Zusammenhang zwischen den Disziplinen und auch die Zusammenarbeit halte ich für ein wesentliches Merkmal des Webwi Studiums. Es ist schade, dass es in Österreich nur dieses eine Studium gibt und auch nur noch kurze Zeit. Es ist in der heutigen Zeit besonders wichtig Schnittstellen zu Schaffen die im Unternehmen zwischen den einzelnen Bereichen vermitteln.
Collaboration
saranbayar.munkhtur.uni-linz, 3. März 2018, 17:00
Ich verstehe die Webwissenschaften als Weg zur effizienten Collaboration unter verschiedene Wissenschaften, Fächer, Kultur und Menschen.
Für manche Berufsfelder ist neue Aktualisierung, die basiert auf Digitalität, unbedigt erforderlich. Moderne Berufseintieger sollen die Paradigmenwechsel aufmerksan werden und miteinander richtig kommunizieren.
Webwissenschaften in der Arbeitswelt
dieter.hofstetter.uni-linz, 4. März 2018, 11:25
Um die Qualifikationen und die Qualitäten der WebwissenschaftlerInnen für die Arbeitswelt bestimmen zu können, bedarf es der Kenntnis was Webwischenschaft überhaupt lehrt. Für Menschen, die damit noch nicht in Berührung gekommen sind, kann ich eine einfache Erklärung bieten:
Webwissenschaften versucht unter dem Deckmantel des Web verschiedene wissenschaftliche Disziplinen zu vereinen. Disziplinen können zum Beispiel die Informatik, die Betriebswirtschaftslehre oder auch die Rechtswissenschaften sein. Die Webwissenschaft sieht dabei über den Tellerrand hinaus und versucht auf interdisziplinäre Fragestellungen, Bedürfnisse einzugehen.
Qualifikation in der Arbeitswelt? Durch das Erlernen der disziplinübergreifende Sichtweise sehe ich Webwissenschaftler in einer leitenden Position. WebwissenschaftlerInnen eignen sich als Projektleiter. Durch die Verknüpfung und das Verständnis über verschiedene Aspekte hat man das Gesamtbild im Kopf und kann auch als "Dolmetscher" zwischen den verschiedenen Disziplinen vermitteln. Denn ein Betriebswirt hat unterschiedliche Denkansätze als zum Beispiel ein Informatiker, oder ein Rechtswissenschaftler. Der Webwissenschaftler versteht im Idealfall alle Ansätze und kann sie anderen zugänglich machen und ein Gesamtbild formen.