Wir konsumieren heute anders. Wir sind gegenüber Onlinebestellungen weniger skeptisch, hinterlassen unsere Kreditkarten- und Kontodaten, um per Vorauskasse beliebe Gegenstände zu erhalten. Wir legen uns mit PayPal eine elektronische Geldbörse an und sind bereit, damit Kleinsttransaktionen und Impulskäufe zu tätigen. Und somit tun wir genau das, was unsere Eltern (und vielleicht auch noch wir) für unmöglich und vermutlich auch zu gefährlich hielten.

Wir vertrauen unseren Online-Marktplätzen. Und das ist eine Errungenschaft. Dafür verantwortlich zeigen sich findige Marketingstrategen und Ökonomen, die die Bedenken und Hemmnisse der potentiellen Kunden erkannt haben, die Informatiker, die die entsprechende Plattform zur Verfügung stellten und natürlich auch die Juristen, welche für die im Gesetz nur spärlich verankerten Onlinemarktplätze Wege gefunden haben - höchst interdisziplinär. 

Eine Theorie

Ich werde mich in weiterer Folge kurz mit einer der Theorien beschäftigen, um innerhalb eines gewissen Definitionsrahmens agieren zu können: Der US-amerikanische Computer-Sience-Professor Michael Rappa definierte im Jahr 2004 sein utility business model (1). Und um dieses konkret eingliedern zu können, definierte er insgesamt neun verschiedene Business-Modelle. Ich erkläre diese kurz und bringe dann selbst bestehende Beispiele ein.

Brokerage model

Broker bringen Verkäufer und Käufer zusammen und erhalten ihre Abgeltung in Form von Gebühren für Transaktionen. 

Ebay ist ein berühmtes Beispiel. Das Onlineauktionshaus definiert sich als klassischer Vermittlungsort zwischen Verkäufer und Käufer. Ein ähnliches Modell bieten zahlreiche andere direkte Verkaufsplattformen wie z.B. willhaben.at oder Etsy. Auf Letzterer können Personen ihre eigens hergestellten Accessoires, Mode oder andere kreativ geschaffene Werke verkaufen.  

Advertising model

Das Unternehmen eines Advertisers finanziert sich ausschließlich durch Werbung. Es stellt gewissen Content (meist frei) zur Verfügung, allerdings muss sich der User dafür mit Werbung zufrieden geben. Ein lukratives Geschäft kann aus solchen Modellen allerdings nur dann werden, wenn ein entsprechend hoher Traffic über den besagten Dienst geht. 

Youtube und viele andere Videostreaming-Plattformen sind Paradebeispiele. Vor oder während des Videos wird nicht wegklickbare Werbung gezeigt. Der User muss sich etwas gedulden, dafür erhält er seinen gewünschten Content. Auch gewöhnliche Freeware, z.B. die Antivirensoftware Avira Antivir, übermittelt dem User in gewissen Abständen ihren Werbecontent.

Information-intermediary model

Um den Markt und die Endverbraucher verstehen zu können, benötigt es Daten. Und diese Daten müssen erhoben werden. Die sogenannten Infomediaries erfüllen diesen Zweck. Beispielsweise kann durch die Einführung eines customer loyalty program ein großer Datensatz über das Kaufverhalten einzelner User gewonnen werden.

Merchant model

Merchants sind klassische Verkäufer. Sie veräußern diverse Güter und Services über ihre Onlineplattform. Dies entspricht am ehesten der klassischen Form eines Einkaufsladens.

Wir kennen das von Amazon, das sich in seinen Grundzügen wie ein gewöhnlicher Einkaufsladen bzw. Versandhandel verhält, vergleichbar mit einem Katalog im Stile der Versandhandelshäuser Quelle oder Otto

Manufacturer Direct model

Der Manufacturer verkauft das, was er herstellt. Es werden keine externen Distributoren beauftragt. Frei nach dem Gemüsemarkt-Prinzip wird der Web dazu verwendet, direkt mit den potentiellen Kunden in Kontakt zu treten.

Dies kann in Form einer Softwarefirma auftreten - etwa dann, wenn z.B. Kaspersky Antivirus direkt über die Webseite vertrieben wird, die Beispiele sind unerschöpflich - aber auch greifbare Waren können über diesen Kanal vertrieben werden. Beispiele sind Ikea oder die Künstlergruppe Eboy.

Affiliate model

Dieses Modell ist eines der wenigen der Liste, welche vordergründig aufgrund des Webs existieren. Durch das Surfen auf Websites wird gezielte Werbung freigeschaltet, welche den User direkt zu einem Produkt verlinkt. Insofern der User diesen Link klickt oder das Produkt letzten Endes sogar kauft, wird der Betreiber der ursprünglichen Website mit einem kleinen Betrag bzw. Prozentsatz belohnt.

Google hat diesmit mit Google AdSense in Verbindung mit Content-Targeted Advertising perfektioniert. Durch das Aufzeichnen der Suchalgorithmen des Users werden diesem auf den Google-AdSense-Anzeigen entsprechend passende Werbelinks angezeigt. Auch die Social Networking-Site Facebook verwendet einen geheimnisvollen Algorithmus, der diverse Aktivitäten des Users ausliest und diesem seine personalifizierte Werbung anzeigt. 

(Video: http://www.youtube.com/embed/iAceed8sW1o)

Community model

Eine Community benötigt loyale Nutzer. Diese Nutzer können entweder an der Entwicklung der Produkte mitarbeiten oder die Entwicklung durch freiwillige Spenden aufrechterhalten.

Als Beispiel nennt Rappa die Open Source-Bewegung, deren Software keine Einkünfte bringt, der Support allerdings sehr wohl für Umsatz sorgen kann. 

Subscription model

Eine Website stellt Content zur Verfügung und die Nutzer müssen hierfür in gewissen regelmäßigen Abständen einen Obulus leisten. Oft gibt es auch die Möglichkeit, den Service mit empfindlichen Einschränkungen kostenfrei zu nutzen, das vielleicht abschreckende Wort Subscription wird dann durch das viel positivere Premium ersetzt. 

Beispiele für ein solches System sind klassische Internet Service Providers (kurz: ISP), aber auch moderne Anwendungen wie der Musikstreaming-Dienst Spotify oder etwa das MMORPG World of Warcraft. Ersteres ist in seiner freien Version auch ein Advertising model, also ein Hybrid. Gratisuser hören alle paar Songs eine Werbeeinspielung, doch für einen monatlich zu bezahlenden Betrag kann man werbefrei und in besserer Qualität seiner gewünschten Musik lauschen.

Utility models

Hier wird für tatsächliche Leistung bezahlt. Klassischerweise kennen wir das von der Stromrechnung oder von klassischen Fernseh-PPVs

Allerdings gibt es vor allem im universitären Bereich auch Websites, die den Zugang zu entsprechenden Publikationen entweder durch eine Subscription, oder aber durch einen (manchmal nicht ganz so) kleinen Betrag ermöglichen. Weiteres Beispiel ist der Xbox Marketplace. Hier kann der User für einen gewissen Zeitrahmen einen Film ausleihen, ehe das Recht darauf nach einigen Tagen wieder erlischt.

 

Möglichkeiten für den Nischenmarkt: Das Beispiel Kickstarter

Ein großer Teil der genannten Modelle hat gemeinsam, dass der Fortbestand vordergründig durch die breite Masse der Kunden gewährleistet ist. Gut, selbstverständlich bringen mehr Menschen mehr Geld ein, doch das muss nicht bedeuten, dass für den Kleinstanbieter, der eigentlich nur eine Nische bedient, kein Platz sein darf. Gerade erst durch die Möglichkeit, mithilfe eines Onlineshops sein Kostenrisiko (im Gegensatz zu einem Geschäftsladen) stark einzuschränken, wurden hierfür beste Voraussetzungen geschaffen. 

Mein Beispiel Kickstarter wirft die aufgeblasenen Marktstrukturen über den Haufen und vereinfacht den Markt auf den kleinstmöglichen Nenner - der direkte Kontakt von Hersteller zum Kunden. Kickstarter ist eine Crowd-Funding-Plattform und gibt der "kreativen Szene" eine Plattform, durch die Finanzierung vieler einzelner Personen diverse Kunstprojekte entstehen zu lassen. 

 

(Video: http://www.youtube.com/watch?v=luOaNSZIsXc)

Crowdfunding ist also ein kollektiver Versuch, die Entstehung eines Projektes zu finanzieren (2) . Ein Entwickler(team) eines beliebigen Produktes stellt das zu erstellende Produkt vor, nennt den finanziellen Rahmen und verspricht dem potentiellen Backer diverse Goodies, etwa das vollständige Produkt, ein Dankeschön in den Filmcredits, ein unterschriebenes Erstausgabewerk oder ein eigener Charakter im Videospiel.

Dadurch werden neue Möglichkeiten geschaffen. Ein sehr gutes Beispiel ist das des klassischen Point-And-Click adventure-Spiels Broken Sword. Die Spielreihe wurde in den 90er-Jahren erschaffen und erhielt großartige Rezensionen. Mit Einbruch verbesserten Konsolen wurde der klassische Zeichenstil allerdings aus dem Spiel verbannt: Ein Schritt, mit dem weder Fans noch die Entwickler wirklich zufrieden waren, allerdings aufgrund der Wünsche der Publisher unumgänglich war. Die Spieler reagierten auf die 3D-Teile gereizt und wünschten sich über die Jahre hinweg einen letzten von Hand gezeichneten Teil. Erst im Jahr 2012 sollte das Warten belohnt werden. Aufgrund der Kickstarter-Plattform fanden sich genug finanzkräftige Leute, die dem Team ermöglichten, das Spiel selbst zu veröffentlichen, wodurch nun ein Budget von mehr als 770.000 Dollar erreicht wurde.

 (Video: http://www.kickstarter.com/projects/165500047/broken-sword-the-serpents-curse-adventure/widget/video.html)

Und schon schießen weitere dieser Projekte aus dem Boden: Symbid geht nach einem ähnlichen Prinzip vor, hier wird der User aber nicht zum Backer, sondern zum Owner, mitsamt Anspruch auf Gewinnausschüttung und allem. Mit kreativen Finanzierungsprozessen nach dem Kickstarter-Beispiel sind für viele Experimente Tür und Tor geöffnet. Der Vorteil: Die Finanzierung ist bereits vor dem Verkauf gesichert, die Entwickler arbeiten in ihrem Tempo. Der Nachteil: Wird das vorgegebene Ziel nicht erreicht, gibt es gar kein Geld, das ist das Spiel.

 

 Quelle 1: http://zaphod.mindlab.umd.edu/docSeminar/pdfs/Rappa_2004.pdf

 Quelle 2: http://en.wikipedia.org/wiki/Crowd_funding