Neue Techniken zur Überwachung und Informationssammlung sind heute allgegenwärtig und lassen die Alarmglocken bei all jenen schrillen, die sich Gedanken zur Erosion der Privatsphäre machen. Umfragen deuten eine starke Verunsicherung der Öffentlichkeit an. So erhob das „Wall Street Journal“ 1999, dass Datenschutzfragen US- Bürger im 21. Jahrhundert mehr als alles andere beunruhigen- noch vor Überbevölkerung, Rassenkonflikten und der globalen Erwärmung.
„Im Laufe der nächsten fünfzig Jahre“, schreibt Simson Garfinkel in „Database Nation“ „werden wir neue Bedrohungen der Privatsphäre kennen lernen, die ihre Wurzeln nicht im Totalitarismus, sondern im Kapitalismus haben, in der freien Marktwirtschaft, neuen Technologien und dem ungehinderten elektronischen Informationsaustausch.“
Allgemein überwiegt der Eindruck, dass Unternehmen der modernen Marktwirtschaft und den Bedrohungen, die ihre Technologien für die Privatsphäre darstellen, gleichgültig gegenüberstehen. Dies bestätigte sich eindrücklich 1999, als Scott McNealy, CEO von Sun Microsystems, gefragt wurde, ob das vorgestellte neue Netzwerkssystem auch Datenschutzfragen berücksichtige.
McNealy antwortete, Angaben zum Schutz der Privatsphäre seien bloße Irreführungen und fügte eine Bemerkung an, die erhebliches Echo hervorrief: „Sie haben sowieso keine Privatsphäre mehr“, erklärte er. „Gewöhnen sie sich daran!“
Interessant ist der Gegentrend: der Markt für Produkte und Dienste zum Schutz privater Daten floriert. Unternehmer erkennen, dass Datenschutz und neue Technologien keinen grundsätzlichen Wiederspruch darstellen und dass Erwartungen an den Schutz der Privatsphäre schon immer durch die Einführung neuer Techniken geweckt wurden. Sie nehmen wahr, dass der Schutz von Privacy im Computerzeitalter ein allgemeines und grundlegendes Bedürfnis darstellt.
Alte und neue Unternehmen steigen in dieses Geschäft ein. Die Anzahl neu registrierter Warenzeichen und Patente im Zusammenhang mit dem Schutz der Privatsphäre ist in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. Firmen wie Anonymizer, Hushmail, IDcide, PrivacyX und ZipLip bieten anonymes Surfen und Mailen. Disappearing hat ein System für E-Mails entwickelt, die sich nach Ablauf einer vorab eingestellten Zeit unwiderruflich löschen. Der Verkauf von Aktenvernichtern für den Privatgebrauch steigt, private Bodygards sind immer gefragter und American Express entwickelte das System „Privat Payments“, das für jeden Online-Kauf eine zufällige , einzigartige Kartennummer generiert.
Ein neuer Wirtschaftssektor scheint zu entstehen. Unternehmer und Kapitalgeber nennen ihn bereits „ Privacy- Space“.
Die Privacy- Debatte ist letztendlich eine Debatte über die Kontrolle persönlicher Daten. Was die meisten beunruhigt, ist die Vorstellung, dass persönliche Daten in Informationen umgewandelt werden, die ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung für andere Zwecke ausgetauscht, gekauft oder verkauft werden können. Viele persönliche Daten werden bereits erhoben und zur Weiterverwendung ausgetauscht. Wir geben wissentlich und unwissentlich Unmengen an Informationen über uns preis, indem wir Kreditkarten oder Kundenkarten von Supermärkten nutzen, E-Mails verschicken, im Internet surfen etc. Diese Tätigkeiten sind im Grunde freiwillig, aber trotzdem erfordern bereits viele alltägliche Handlungen die Preisgabe persönlicher Daten.
Schon 1997 erschien ein Buch, das viele der neuen Entwicklungen vorwegnahm: “The 5OO- Year- Delta: What happens after what comes next“. Die Autoren, Jim Taylor und Watts Wacker, zwei Geschäftsleute, prophezeiten: „Innerhalb von einem Jahrzehnt wird Privacy- Management zu den großen Wachstumsbranchen im US-Dienstleistungsbereich zählen“. Ihr Argument : Privatheit wird immer knapper. Und je knapper sie wird, desto wertvoller wird sie- das heißt, dass sich bald neue Geschäfte finden werden, die daran arbeiten, Privacy zu schützen.