Aufgaben Partizipativer Journalismus | Begriffsvielfalt und Erscheinungsformen

eva-maria.schober.uni-linz, 2. Juni 2014, 14:23

 

Was ist partizipativer Journalismus?



Nach
Shayne Bowman und Chris Willis lautet eine Definition hierfür übersetzt: „Partizipativer Journalismus ist die Tätigkeit eines Bürgers oder einer Gruppe von Bürgern, die eine aktive Rolle im Prozess der Recherche, des Berichtens, des Analysierens sowie des Verbreitens von Nachrichten und Informationen einnehmen. Ziel dieser Partizipation ist die Bereitstellung von unabhängigen, verlässlichen, genauen, ausführlichen und relevanten Informationen, die eine Demokratie benötigt.“ (Q1)

Sven Engesser definiert den Begriff wie folgt: „Partizipativer Journalismus beteiligt die Nutzer zumindest am Prozess der Inhaltsproduktion, wird außerhalb der Berufstätigkeit ausgeübt und ermöglicht die aktive Teilhabe an der Medienöffentlichkeit.“ (Q2, S. 66)

 

Vielfalt der Begriffe



Engesser führt in diesem Zusammenhang 9 Begriffe an, die jeweils drei semantischen Feldern (Prozess, Profession und Partizipation) zugeordnet werden, wobei sich diese auch überschneiden. (Q2, S. 59 - 66)

 

Kommunikations- und Produktionsprozess
Folgende drei Begriffe beinhalten zumindest die Beteiligung der Nutzer am Prozess der Inhaltsproduktion.

  • Kollaborativer Journalismus
    Wie der Begriff Kollaborativ bereits vermuten lässt, steht hierbei die Zusammenarbeit bei der Erzeugung von Inhalten im Fokus.
  • Open-Source-Journalismus
    Im Open-Source-Journalismus haben Nutzer die Möglichkeit, uneingeschränkt über Inhalte zu verfügen, sie können das Material also frei bearbeiten und verbreiten.
  • Peer-to-Peer-Journalismus
    Diese Bezeichnung soll den direkten Austausch von Inhalten zwischen den Nutzern, ohne das Eingreifen eines Herausgebers oder einer Redaktion, beschreiben.

 

Berufs- und Professionsaspekt
Im Zentrum dieses semantischen Feldes steht die Nicht- bzw. Semiprofessionalität der beteiligten Nutzer. Mit anderen Worten werden die Aktivitäten außerhalb der Berufstätigkeit durchgeführt und dienen daher nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

  • Parajournalismus, Amateurjournalismus und Laienjournalismus
    Parajournalismus umfasst jenen Journalismus der von Laien durchgeführt wird und somit kaum journalistische Standards beachtet. Gleichermaßen gilt dies auch für den Amateur-und Laienjournalismus.

 

Partizipation
Die aktive Teilnahme an der Medienöffentlichkeit wird hierbei ermöglicht.

  • Graswurzeljournalismus
    Der Begriff geht auf die Graswurzelbewegung zurück und war in den 70er Jahren im deutschsprachigen Raum als Konzept der Gegenöffentlichkeit bekannt. (Q1)
  • Bürgerjournalismus
    Der Begriff des Bürgerjournalismus reicht lange Zeit zurück und erlebte durch die Verbreitung des Internets einen neuen Aufschwung.
  • Partizipativer Journalismus
    Der partizipative Journalismus hebt sich von den beiden anderen erwähnten dahingegen ab, dass hierbei eine öffentliche statt politische Teilhabe verstanden werden kann. Zwei Definitionen hierzu werden zu Beginn des Blogbeitrages erwähnt.

 

Digitaler oder Social-Media-Journalismus

In einer weiteren Literatur konnte ich auch noch den Begriff des digitalen oder Social-Media-Journalismus finden, der im Zuge des partizipativen und Bürger-journalismus erwähnt wird. „Allen Formen gemein ist, dass sie von einem veränderten Verhältnis zwischen Journalisten und Leser ausgehen und sich in der Ausgestaltung stark auf soziale Medien beziehen.“ Dennoch unterscheiden sich die erwähnten drei Arten des Journalismus hinsichtlich des Fokusses: Während bei partizipativem Journalismus die Betonung auf der Beteiligung der Leser liegt, handelt es sich beim Bürgerjournalismus über bürgernahe Themen unter Einbezug dieser im Erstellungsprozess und bei Social-Media-Journalismus stehen neue Technologien als treibende Kraft im Vordergrund, so Meckel et al. (Q4, S. 26)

 

Permanent Beta

Vor allem durch die Verwendung von Social Media ist festzuhalten, dass die Erstellung von Beiträgen als iterativen Prozess gesehen werden kann. Dies bedeutet, dass laufend Inputs und Kommentare der Leser hinzugefügt werden oder Journalisten Beiträge erweitern, sodass es keine fertigen Beiträge mehr gibt. Artikel befinden sich demnach stets in einer permanenten Betaversion. Immerhin können Nutzer stets Teile in eigenen Blogbeiträgen weiterverarbeiten, sie mit anderen Inhalten verlinken oder sie auch in sozialen Medien posten. (Q4, S. 27)

 

Erscheinungsformen


 

Der partizipative Journalismus ist nicht völlig neu entstanden, sondern lässt sich bis in das 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Frühere Formen dieses Gegenstandes sind Heimatzeitungen, Leserbriefe, Hörer- bzw. Zuschauertelefon, Alternativpresse, nichtkommerzielle Radios und offene Kanäle. Durch die Verbreitung des Internets jedoch, haben sich ganz neue journalisitsche Partizipationsmöglichkeiten ergeben. Nach Engesser (Q3, S. 60 - 104) nehmen diese Möglichkeiten der Partizipation folgende Formen an:

 

Individuelle Webangebote

  • Weblogs

Weblogs nehmen eine der wichtigsten Rollen im partizipativen Journalismus im Web ein. (Q1) Dabei unterscheidet man unterschiedliche Typen von Weblogs, u.a. Expertenblogs, J-Blogs oder auch Blogs in PR und Werbung.  Zu Beginn (2003) wurden Weblogs mit Journalismus gleichgesetzt, während im Laufe der Zeit u.a. behauptet wurde, dass Blogs ein neues Genre des Journalismus darstellen und diese somit als Alternative zu Hauptnachrichten und als Herausforderung für den professionellen Journalismus zu sehen sind. Weblogs gewinnen mit Zunahme der Nutzeraktivität durch kommentieren immer mehr an partizipativen Potenzial. (Q3)

  • Mikroblogging

Bei Microblogs handelt es sich um eine „Verkleinerung“ der normalen Weblogs. Beispielsweise wird Twitter als potenzielle Plattform für partizipativen Journalismus gesehen, u.a. aufgrund der Verlinkungen auf wichtige oder interessante Beiträge im Web. (Q3)

 

Kollektive Webangebote

Während Weblogs und Microblogging meist von Einzelpersonen betrieben werden, exisiteren auch Webangebote die vom Kollektiv geführt werden und somit Inhalte von mehreren Personen hergestellt und bearbeitet werden. (Q3) Sehr populäre Beispiele hierfür sind YouTube (Bereich Videos) und Scribd (Bereich Texte). (Q5) 

  • Wikis und Soziale Nachrichtenangebote

werden als Ausprägungen und somit als Subkategorien der kollektiven Webangebote gesehen. (Q3) Vor allem Wikis werden häufig als Unterstützung des partizipativen Journalismus gesehen. Einige Zeitungen wie bspw. die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) oder auch die Scientific American und Los Angeles Times haben bereits mit "Wiki-Journalismus" Erfahrungen gemacht und Leser aktiv eingebunden. So hat zB die FAS vorerst Artikel online gestellt und Lesermeinungen eingeholt, bevor diese danach in der Print-Ausgabe erschienen sind. Der Leser liefert also Informationen und kann den Inhalt beeinflussen. (Q5)

 

Professionell-redaktionelle Webangebote

Diese Art von Webangeboten lässt sich durch ein hohes Maß an Professionalität und einen hohen Organisationsgrad charakterisieren, da sie von beruflich tätigen Journalisten geführt werden, die redaktionell organisiert sind. Sobald den Nutzern die Möglichkeit eröffnet wird, Teil der Medienöffentlichkeit durch das Setzen von Kommentaren zu werden, kann dies als potenzielle Plattform für partizipativen Journalismus gesehen werden. (Q3)

 

Leserreporter Angebote

Eine Sonderform der Nutzerbeteiligung auf professionell-redaktionellen Webangeboten stellen die Aktivitäten der sogenannten Leserreporter dar.“ Hierbei beteiligen sich Nutzer aktiv, indem sie von der Redaktion aufgerufen werden, Bilder oder andere Beiträge einzusenden. (Q3)

 

Professionell-partizipative Webangebote

Hierbei handelt es sich um ein Zusammenspiel zwischen professioneller Redaktion mit Nutzern, welche eigenständig Beiträge verfassen dürfen und somit dem Nutzer Autonomie eingeräumt wird. (Q3)

 

Sublokale Webangebote

sind Webangebote die Beiträge regional auf einen bestimmten Leserkreis abstimmen. (Q3)

 

Fazit

Generell erlangte der partizipative Journalismus durch die Verbreitung des Internets einen enormen Aufschwung. Nutzer beteiligen sich aktiv an der Meinungsöffentlichkeit und verfassen Artikel im Web. Prinzipiell fehlt es jedoch häufig an qualitativ hochwertigen und teilweise auch wahrheitsgetreuen Nachrichten, weshalb man ganz genau darauf achten muss, ob einem eine Quelle verlässlich scheint oder nicht.

 

Quellen:

(Q1) http://de.wikipedia.org/wiki/Graswurzel-Journalismus (Stand: 1.6.2014)

(Q2) Engesser, Sven (2008): Partizipativer Journalismus. Eine Begriffsanalyse. In: Zerfaß, Ansgar/ Martin Welker/Jan Schmidt (Hrsg.): Kommunikation, Partizipation, und Wirkungen im Social Web. Herbert v. Harlem Verlag, 2008, S. 47-71

(Q3) Engesser, Sven (2013): Die Qualität des partizipativen Journalismus im Web. Springer Verlag, 2013

(Q4) Meckel, Miriam; Fieseler, Christian; Grubenmann, Stephanie: Social Media – Herausforderungen für den Journalismus, HMD 287, 2012, S. 25 - 35

(Q5) Beck, Astrid: Web 2.0: Konzepte, Technologie, Anwendungen, HMD, 2007

 

 

2 comments :: Kommentieren

Ein ähnliches Bild...

stephan.hackl.uni-linz, 4. Juni 2014, 18:42

... ist auch auf meinem Blog am Statement zu dem Thema zu erkennen. Die Vielfalt der Begriffe, die für die selbe, bzw. eine ähnliche Auffassung des selben Sachverhalts und zwar partizipativem Journalismus, scheint schier unbegrenzt.
Dem Fazit kann ich mich nur anschließen, allerdings ist die Richtigkeit der Beiträge auch im Print nicht zu hundert Prozent gegeben. Betrachtet man die verschiedenen Erscheinungsformen des Mitmach-Journalsimus, bestehen hier von individuellen- bis zu kollaborativen Angeboten in wiederum gegliedert in, professionell, laienmäßig, oder auch unterteilt in offen und geschlossen unterteilt werden kann: Ich persönlich bin der Meinung, dass professionell-partizipative Angebote leicht mit der Qualität der Printmedien mithalten kann, wenn nicht sogar übertrifft.

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Objektivität ist nicht immer leicht zu finden

sarah.hinterreiter.uni-linz, 18. Juni 2014, 18:08

Ich denke es ist wirklich ein großes Problem qualitativ objektiven Journalismus vorzufinden. Nimmt man als Beispiel das Nachrichtenformat "Heute-Journal" auf zdf, so wurde das Format 2013 als erfolgreichstes Nachrichtenmagazin im deutschen Fernsehen bezeichnet. Persönlich gehen ich dann doch davon aus, dass dieses Magazin qualitativ hocherwertig rechachiert und diese Informationen objektiv an die Bürger vermittelt wird. Dem ist wohl nicht immer so. Ende 2012 sendete der ZDF zu einem Bericht falsche Bilder, sodass der Sinn des Berichts sich nicht mit der Wahrheit überschnitt. Das Thema war der Schlagabtausch zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück. Genaueres hier. Ein weiteres Beispiel einer Fehlberichterstattung aus diesem Jahr handelte von der aktuellen Krise in der Ukraine. Nach jeder dieser Fehlermeldungen entschuldigte sich der ZDF aber erst nachdem andere Medien die Berichterstattung als falsch gedeutet hatten. Um an vertrauenswürdige Informationen zu gelangen, sollte man viele Informationen von den unterschiedlichsten Medien lesen und oder anhören...

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