Der transparente Konsument

christoph.strutzenberger.uni-linz, 28. Oktober 2015, 00:50

Im digitalen Zeitalter ist es nicht nur für Kunden einfacher, sich Informationen über den Markt einzuholen, sondern auch umgekehrt. Da im Internet bereits sehr viele Personalisierungsmöglichkeiten vorhanden sind, steht auch eine Vielzahl an Informationen über die Konsumenten zur Verfügung. Neben eigenen Angaben der Nutzer (z.B. demografische Daten, Interessen etc.) dienen auch Tracking-Algorithmen (zur Verfolgung des Klickverhaltens) oder Kaufhistorien zur Personalisierung der Inhalte. Neben diesen maßgeschneiderten Inhalten, ermöglicht diese Fülle an Informationen auch maßgeschneiderte Preise bzw. Preisdiskriminierung. So können Nutzer auf Basis ihres verwendeten Geräts oder Browsers, ihres Standorts oder ihrer Profilinformationen unterschiedliche Preise angeboten bekommen. Im Artikel “Measuring Price Discrimination and Steering on E-commerce Web Sites” wird diese Entwicklung von [Hannak et al 2014] näher beleuchtet und analysiert und soll im Folgenden kurz vorgestellt werden.

 

Hintergrund & Methodologie

Im oben erwähnten Artikel wurde das Auftreten von Personalisierung auf verschiedenen E-Commerce Seiten gemessen und anschließend analysiert, welche Faktoren dafür eine Rolle spielen. Der Artikel stellt die Konzepte Preisdiskriminierung und “price steering” (bewusstes Reihen von Ergebnissen, z.B. bei Zugriff mit anderem Gerät) vor und erklärt wie diese angewandt und gemessen werden können. Hierzu wurde eine eigene Methode entwickelt, welche mögliche Fehlerquellen effizient ausschließen soll. Dafür wurden neben den Tests auch Kontrollen durchgeführt, um Fälle wie A/B Tests oder regionale Inkonsistenzen abzudecken.

 

Im Rahmen der Studie wurden die Effekte von Preisdiskriminierung & price steering auf 16 E-Commerce Seiten aus den Bereichen Handel & Reisen untersucht. Es wurden einerseits 300 echte Nutzer mittels Amazon Mechanical Turk (AMT) als Testgruppe verwendet, andererseits wurden Zugriffe mit PhantomJS Scripts und dem WebKit Browser durchgeführt. Die Autoren weisen explizit darauf hin, dass sie nur von einer IP aus Boston testen, weisen hier aber auf eine Studie von Mikians et al hin. Für die Interpretation der Messdaten wurden der Jaccard Index, das Kendall-τ und der “normalized Discounted Cumulative Gain” verwendet.

 

Ergebnisse

Es konnte Personalisierung bzw. Diskriminierung dass vier von zehn Seiten aus dem Bereich Handel und fünf von sechs Seiten aus dem Bereich Tourismus nachgewiesen werden, das entspricht mehr als 50% (Im Hotelbereich sogar 83%). In weiterer Folge wurde getestet, ob die User nach folgenden Eigenschaften diskriminiert werden:

  • Technologie (Browser / Gerät)

  • Account / Cookies

  • Historie

Der Standort wurde von dieser Analyse wie oben erwähnt ausgeschlossen, da hierzu bereits Literatur existiert. Im Folgenden sollen nur kurz erwähnt werden, welche Techniken zur Diskriminierung beobachtet werden konnten:

  • Rabatt für registrierte Nutzer

  • A/B Split Tests (verschiedene Preise)

  • Höhere Preise für iOS User → Messfehler

  • unterschiedliche Ergebnisse für Low-Price / High-Price Klickhistorie

Dabei muss angemerkt werden, dass auf den Hotelseiten wesentlich stärker personalisiert und diskriminiert wird als auf den Handelsseiten, dies mag mit erhöhter Konkurrenz in Verbindung stehen. Die Autoren haben sich abschließend auch mit den Seitenbetreibern in Verbindung gesetzt um ihre Ergebnisse zu verifizieren. Die A/B Tests oder Member-Discounts wurden bestätigt, während Preisdiskriminierung dementiert wurde. Weiters stellte sich heraus, dass es sich bei den höheren Preisen für Mac-User um einen Messfehler handelte.

 

Kommentar & Fazit

Mich hat dieser Artikel besonders angesprochen da ich mich für das Thema Preisdiskriminierung im Internet interessiere und selbst im E-Commerce Bereich tätig bin. Es wird auf verschiedene Techniken eingegangen und vor allem die Messmethode war für mich von Bedeutung, da ich aus meinem Beruf weiß, dass es sich hier um ein schwieriges Unterfangen handelt. Die Autoren haben diesen Aspekt auch mehrfach erwähnt und gut begründet, wie sie ihre Daten erheben. Weiters zeigen die Ergebnisse auf, dass diese Thematik nicht zu unterschätzen ist - gerade in der hart umkämpften Tourismusbranche war der Anteil an Unternehmen welche Personalisierung einsetzten mit weit über 50% sehr hoch.

 

Der Bezug zum Thema ist für mich hier klar gegeben, es werden verschiedene Strategien beleuchtet, wie mehr Transparenz beim Konsumenten für Preissetzungsstrategien verwendet werden kann. Darüber hinaus wird gezeigt, dass diese Techniken von großen Seiten durchaus verwendet werden, wenn auch nicht in übermäßigem Ausmaß.


Im Artikel wurde auch erwähnt, dass Preisdiskriminierung im E-Commerce oft als unethisch oder illegal angesehen wird, jedoch im “echten” Leben in Form von Studentenrabatten oder Mitgliederrabatten akzeptiert wird. Ich denke hier stellt sich immer die Frage nach dem Grund der Diskriminierung. Eine preisliche Diskriminierung nach geografischen Standort oder weil man sich mit einem iOS-Gerät einloggt ist schwerer zu argumentieren als Mitgliederrabatte (wo eine wechselseitige Beziehung besteht) oder Rabatte für Jugendliche etc.

[Hannak et al 2014] Hannak A., Soeller G., Lazer D., Mislove A., Wilson C.: Measuring price discrimination and steering on e-commerce websites, Northeastern University, Boston, 2014

5 comments :: Kommentieren

Thomas.Hahn.Uni-Linz, 28. Oktober 2015, 08:00

Hallo Christoph,

interessanter Artikel. Dass eine Preisdiskrimierung auch auf Basis eines Betriebssystems durchgeführt wurde, war mir neu. 

Gebe dir Recht, dass die verschiedenen Formen der Preisdiskriminierung in der Gesellschaft auf unterschiedliche Akzeptanz stoßen. 

Interessant wird es aus Unternehmenssicht vor allem auch dann, wenn die Preisdiskrimierung für den User nicht mehr transparent ist, also der User gar nicht mehr weiß, dass er diskriminiert wurde.

Ich beschäftige mich in meinem Beitrag mit Location-based marketing und schaue mir dort an, welche Auswirkungen diese Art von Marketing für den Konsumenten haben kann.

 

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doris.beneder.uni-linz, 28. Oktober 2015, 09:32

Ich finde dein Thema auch sehr spannend. Der Artikel beschreibt sehr gut, an Hand von welchen Eigenschaften User diskriminiert werden können. Da ich selbst gerne im Internet Hotels buche, war das Beispiel mit dem angeführten Hotel zu unterschiedlichen Preisen sehr treffend. Für mich war es wichtig zu erfahren, dass Rabatte für registrierte Benutzer angeboten werden und auf Grund der Klickhistorie sich der Preis verändern kann. Zudem war es für mich neu, dass auch der verwendete Browser bzw. das Geräte und der Account ausschlaggeben sind, für die Preisdiskriminierung. Anbei noch ein Link zu meinem Blog, der auch für dich interessant sein könnte.

 

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irene.loeffler.uni-linz, 28. Oktober 2015, 10:25

Ich finde deinen Artikel dahingehend interessant, da deutlich wird wie transparent der Konsument für die Unternehmen wirklich ist. Preisdiskriminierung würde ohne die Daten der Nutzer nicht funktionieren. Ich denke, dass Studentenrabatte etc. oft nicht mit der Preisdiskriminierung im Internet verglichen werden können. Internetbasierte Diskriminierung ist für den Nutzer nur schwer erkennbar, da der Nutzer keine Vergleiche anstellen kann. Im stationären Handel hingegen liegen die Fakten und "Diskriminierung" offen und sind so für jedermann einsehbar. 

Ich hatte mich bereits letztes mal mit dem Thema Preis- und Suchdiskriminierung befasst - das könnte auch für dich interessant sein. Mehr dazu in meinem Blog

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rainer.kroisamer.uni-linz, 29. Oktober 2015, 09:34

Vor allem die Strategie der Mitglieder- oder Vielbucherrabatte auf Hotelseiten kenne ich aus eigener Erfahrung. Beispielsweise werden auf booking.com Mitgliedern je nach Buchungshäufigkeit, aber auch nach einer gewissen Anzahl an Hotelkritiken, Punkte vergeben und Rabatte auf Buchungen gewährt. Meist ist es aber so dass man nach vergleichen anderer Hotelportale auch anderswo zu günstigeren Preisen buchen kann. Somit zeigt sich dass ein einzelnes Hotelportal eben nicht transparent in seiner Preispolitik ist. 

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michael.goldbeck.uni-linz, 29. Oktober 2015, 09:45

Hallo Christoph,

ein sehr spannender Artikel - gerade wegen den empirischen Daten! In meinem Beitrag bin ich nur sehr kurz auf Preisdiskriminierung anhand von Datenauswertung eingegangen, finde deinen Beitrag daher als gute Erweiterung.

Zum Thema "Preisdiskriminierung im e-Commerce vs. Studenten-/Mitgliederrabatten": ich finde, dass die beiden Sachverhalte nicht ganz zusammenpassen. Studenten bzw. Mitglieder sind Personengruppen, daher fühlen wir uns dazu auch dazugehörig oder eben nicht. Bei Technologie sind wir eher Glaubensagnostisch (abgesehen von Fanboys), wir personifizieren uns einfach noch zu wenig mit der Nutzerschaft gleicher Produkte. Die Fanboy Thematik wird zwar immer mehr, auf gleichen Level sehe ich es aber persönlich noch nicht.

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