stefan.veigl.salzburg
 
Montag, 5. Januar 2004
Semesterarbeit - 1. Fassung
0. Einleitung
Ich möchte dieses Thema von der rechtlichen, politischen und publizistischen Seite beleuchten bzw. die Sichtweisen von NutzerInnen, Medienunternehmen, Verwertungsgesellschaften, AutorInnen etc. vergleichend darstellen und insbesondere auf mögliche Alternativen eingehen. Mein Interesse dafür lässt sich an drei Dingen festmachen:

1. Im Februar 2003 hatte ich die Möglichkeit, in Brüssel ein einschlägiges Praktikum zu absolvieren, und zwar im Büro von Mercedes Echerer, MEP, die sich als Schauspielerin, Mitglied es Kulturausschusses und stellvertretendes Mitglied es (sehr mächtigen!) Binnenmarktausschusses auch zum Ziel gesetzt hat, die rechtliche Situation für UrheberInnen zu verbessern. Bei diesem Praktikum ergab sich auch die Chance, mit dem für diese Angelegenheiten zuständigen Kommissions-Beamten, Dr. Jörg Reinbothe, Kontakt zu haben.

2. Eine weitere, sehr interessante Quelle war die Vorlesung der österreichischen „UrheberInnenrechts-Pabstes“ Walter Dillenz an der Universität Salzburg. Dillenz ist für Österreich ja der Experte zum Thema – speziell was das Filmwesen betrifft - und kann neben seinem umfassenden Wissen auch aus wahrscheinlich bald 40 Jahren Praxis in diesem Feld so manches „Gschichterl“ erzählen, das die komplexe Materie oft viel besser veranschaulicht als die trockenen Kapitel aus den Lehrbüchern.

3. Aus meiner Tätigkeit als Vorsitzender der HochschülerInnenschaft Salzburg weiss ich, wie schwierig die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses in Österreich ist, insbesondere seit Einführung des neuen HochschullehrerInnen-Dienstrechts 2000, das auch von seiten der ÖH heftigst kritisiert wurde. Auch die prinzipiellen Ökonomisierungstendenzen im Universitätsbereich (Stichworte: Einführung von FHs und Privatunis, Studiengebühren, Einsparungen im Wissenschaftsbudget, UG 2002), vor allem durch die derzeitige schwarz-blaue Bundesregierung, die als alleinigen Zweck von wissenschaftlicher Arbeit ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit sieht, macht die Sache für Jung-AkademikerInnen, die an der Uni bleiben wollen und (anfangs) noch hehre Ideale vertreten, nicht gerade einfacher …

4. Aber tatsächlich angeregt, diesen Beitrag zu schreiben, hat mich der Vortrag von Dr. Liebenberg, da ich in einigen wesentlichen Punkten mit ihm nicht übereinstimme (siehe dazu Kapitel 5 und 6)
… also schon an dieser Einleitung zeigt sich mein persönliche „Schizophrenie“ beim Thema „Internet & UrheberInnenrecht“ …


1. Einführung ins UrheberInnenrechtung

Zunächst gilt es hier, die folgenden drei Fragen zu beantworten:
• Welche Idee liegt dem Begriff des „UrheberInnen-Recht“ zugrunde?
• Was wird durch das UrheberInnen-Recht eigentlich geschützt?
• Welche Rechtstraditionen gilt es hier zu unterscheiden?


1.1 Welche Idee liegt dem Begriff des „UrheberInnen-Recht“ zugrunde?

Das Urheberrecht tauchte erstmals im Mittelalter auf, näheres dazu zitiert aus dem sehr detaillierten Eintrag zu „Urheberrecht“ in der Wikipedia:

Mit der Erfindung des Buchdrucks (um 1440) kam das Privilegienwesen auf. Ursprünglich ging man von der Freiheit des Nachdrucks aus. Es wurden aber für einzelne Werke oder Gebiete Nachdruckverbote erlassen. Die Dauer war jeweils vom angestrebten Zweck abhängig (z. B. die Einführung des Buchdrucks in der Stadt Venedig 1469, Schutz für fünf Jahre). Die Privilegien stellten eine Ausnahme dar, weil der Bücherdruck sehr teuer war. [...] Mit Beginn der Renaissance rückte die Individualität wieder mehr in den Vordergrund und es wurden auch Autorenprivilegien gewährt, mit denen der Schöpfer für sein Werk belohnt wurde. In Deutschland wurde ein solches Privileg z. B. Albrecht Dürer (1511) eingeräumt. Dieser Schutz bezog sich jedoch auf den Schöpfer als Person (Persönlichkeitsrecht) und brachte den Urhebern noch keine Einnahmen. Angeknüpft wurde auch weiterhin am Werk als einer Sache. [...] Als die Verleger dazu übergingen, den Autoren Honorare zu zahlen, bildete sich die Überzeugung, ihnen würde damit ein ausschließliches gewerbliches Schutzrecht zustehen (Lehre vom Verlagseigentum), auch wenn sie kein Privileg für ein Werk besaßen. Der Nachdruck wurde daher verboten, wenn die Rechte vom Autor erworben worden waren. Erst im 18. Jahrhundert wurde erstmals über eigentumsähnliche Rechte an geistigen Leistungen theoretisiert. In einem englischen Gesetz von 1710 wurde als erstes ein ausschließliches Vervielfältigungsrecht des Autors anerkannt. Dieses Recht traten die Autoren dann an die Verleger ab. Nach Ablauf der vereinbarten Zeit fielen alle Rechte wieder an den Autor zurück. Das Werk musste im Register der Buchhändlergilde eingetragen werden und es musste mit einem Copyright-Vermerk versehen werden, damit es geschützt war.
[…] Überwiegend wurde die Idee vom geistigen Eigentum mit der Naturrechtslehre begründet. […] In Preußen kam es zu einem entsprechenden Schutz im Jahre 1837. Die Bundesversammlung (Deutscher Bund) beschloss ebenfalls 1837 eine 10jährige Schutzfrist seit Erscheinen des Werkes, die 1845 auf 30 Jahre nach dem Tode des Urhebers (post mortem auctoris) verlängert wurde. 1857 wurde ein allgemeiner Urheberrechtsschutz eingeführt.


In Österreich sieht die Rechtstradition zum UrheberInnen-Recht folgendermaßen aus :

Das erste österreichische Urheberrechtsgesetz Österreich war das Kaiserliche Patent "Zum Schutze des literarischen und artistischen Eigentums gegen unbefugte Veröffentlichung, Nachdruck und Nachbildung" aus dem Jahre 1846. Dieses wurde 1895 durch ein neues Urheberrechtsgesetz ersetzt, in welchem eine wesentliche Stärkung der Rechte des Urhebers vorgenommen wurde. 1920 trat Österreich der Berner Übereinkunft (zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 9. 9. 1886, RBÜ) bei. Nach Erlass des Urheberrechtsgesetzes 1936 und des Verwertungsgesellschaftengesetzes galt es für den Österreichischen Gesetzgeber, nach dem EU-Beitritt deren zahlreichen Richtlinien in Form von Novellen umzusetzen.


Zusammenfassend lässt sich sagen: Zunächst schützten diese Ausschließungsrechte vom Nachdruck (genannt Privilegien) nicht die AutorInnen, sondern die DruckerInnen und/oder die VerlegerInnen. Erst durch die naturrechtlichen Theorien wurde das „geistige Eigentum“ an sich als schützenswertes Rechtsgut entdeckt und auch geschützt.

1.2 Was wird durch das UrheberInnen-Recht eigentlich geschützt?

Nun zur zweiten Frage: Was ist Gegenstand des Urheberrechts? Hier ist schon ein Vorgriff auf die dritte Frage nötig: Entsprechend der kontinentaleuropäischen Rechtstradition ist durch das UrheberInnen-Recht ist das „Werk“, also, wie schon oben erwähnt, das „geistige Eigentum“, konkret heißt es hier im § 1 des Österreichischen Urheberrechtsgesetz :

§ 1. (1) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind eigentümliche geistige Schöpfungen auf den Gebieten der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Künste und der Filmkunst.
(2) Ein Werk genießt als Ganzes und in seinen Teilen urheberrechtlichen Schutz nach den Vorschriften dieses Gesetzes.


Auch auf den § 2 des Gesetzes sei an dieser Stelle verwiesen, da er speziell auf mögliche „Erzeugnisse“ wissenschaftlichen Arbeitens eingeht, nämlich Computerprogramme und mathematischen Tabellen und Grafiken etc. eingeht, die durch die UrhG ebenfalls geschützt sind:
§ 2. Werke der Literatur im Sinne dieses Gesetzes sind:
1. Sprachwerke aller Art einschließlich Computerprogrammen (§ 40a);
2. Bühnenwerke, deren Ausdrucksmittel Gebärden und andere Körperbewegungen sind (choreographische und pantomimische Werke);
3. Werke wissenschaftlicher oder belehrender Art, die in bildlichen Darstellungen in der Fläche oder im Raume bestehen, sofern sie nicht zu den Werken der bildenden Künste zählen.


Weiters ist hier natürlich anzuführen, wie die UrheberInnen-Eigenschaft zu definieren ist (vgl. § 10 UrhG):
Urheber eines Werkes ist, wer es geschaffen hat.

In Kontinentaleuropa ist das Urheberrecht ein unveräußerliches Persönlichkeitsrecht, das heißt, der/die UrheberIn kann die Rechte an seinem/ihrem Werk nicht verkaufen, er/sie kann lediglich sogenannte „Werknutzungsbewilligungen“ (an mehrere Personen) bzw. an eine Person ein ausschließliches „Werknutzungsrechte“ (Vgl. § 24 UrhG) erteilen. Für diese Bewilligungen bzw. Rechte seines/ihres Werkes kann er/sie Tantiemen verlangen, die er/sie in einem Vertrag (vgl. § 26 UrhG) mit dem/der NutzerIn festlegt. Zu diesem sogenannten „UrheberInnen-Vertragsrecht“, der ein zentraler Punkt ist, gibt es in Österreich keine gesetzlichen Bestimmungen, hier gelten allein die „Gesetze“ des Marktes, was heißt, dass sich die Höhe des Entgelts vor allem an der Bekanntheit des Urhebers und am zu erwartenden wirtschaftlichen Erfolg des Werkes bemisst.

Auf weitere wichtige Bestimmungen im Urheberrechtsgesetz möchte ich nur stichwortartig eingehen:
• Dauer des UrheberInnenrechts (§ 60 UrhG): Das UrheberInnenrecht endet 70 Jahre nach dem Tod des/der UrheberIn bzw. 70 Jahre nach der Schaffung des Werks, falls die UrheberInnenschaft unklar ist. Ab dann ist eine freie Werknutzung möglich.
• Anspruch auf angemessenes Entgelt (§ 86 UrhG): Wird ein Werk, von wem auch immer, der/die dazu nicht berechtigt ist, unbefugterweise genützt, darf der/die UrheberIn ein „angemesses Entgelt“ verlangen. Dazu heißt es bei Zanger: „Angemessen ist ein Entgelt, das überlicherweise für eine gleichartige, im voraus eingeholte Einwilligung des Urhebers gezahlt wird.“
• Individuelle vs. Kollektive Verwertung: Es ist ausserdem zu unterscheiden, ob die Verwertung individuell erfolgt - das heisst, durch den/die UrheberIn selbst- oder aber kollektiv, das heißt, dass das „Management“ der Werknutzungsrechte an ein sogenannte „Verwertungsgesellschaft“ abgetreten wird, die in gemeinnütziger Weise die Interessen des Urhebers wahrnimmt, und zum Beispiel im Fall von einem Popsong die Rechte für das Abspielen dieses Songs weltweit an interessierte Radiostationen verkauft.

1. 3. Welche Rechtstraditionen gilt es hier zu unterscheiden?

Im Gegensatz zur kontinentaleuropäischen UrheberInnenrechts-Philosophie hat sich im angelsächsischen Raum zeitgleich die „Copyright“ genannte Idee durchgesetzt. Ein für mich sehr aussagekräftige Defintion war auf auf der wikipedia zu finden:

Das Copyright bezeichnet im angloamerikanischen Rechtskreis das Recht, eine Sache bzw. Werk zu vervielfältigen. […]
Das Copyright ist die im englisch-amerikanischen Rechtssystem zu findende Entsprechung zum europäischen Urheberrecht. Anders als im europäischen Recht werden die Entscheidungsrechte über ein Werk dabei oft nicht dem Urheber (z. B. dem Künstler), sondern dem Verlag zugestanden. Der Urheber erhält eingeschränkte Veto-Rechte, die den Missbrauch des Copyrights seitens der Verlage verhindern sollen.
Das Copyright musste in den USA bis vor einigen Jahren - im Gegensatz zum Urheberrecht - explizit angemeldet werden und erlosch 75 Jahre nach der Eintragung in das zentrale Copyrightverzeichnis. Inzwischen gilt für neue Werke auch in den USA ein Schutz bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Eine Anmeldung des Copyrights bei der Library of Congress ist nicht unbedingt nötig, wird aber empfohlen.


Zentraler Unterschied zum kontinentaleuropäischen UrheberInnenrecht ist also die Veräußerbarkeit des UrheberInnenrechts, das auch seine Handelbarkeit wesentlich erleichtert. Berühmtestes „Opfer“ der Copyright-Philosophie ist wohl Paul McCartney, der, seitdem Yoko Ono mit einem geschickten Schachzug die Rechte an allen Beatles-Songs an Michael Jackson verkauft hat, auch als (Mit-)Autor bzw. (Mit-)Komponist an Jackson Tantiemen zahlen muss. Mehr dazu siehe unter http://www.guardian.co.uk/thebeatles/story/0,11212,606488,00.html
http://launch.yahoo.com/read/news.asp?contentID=207938


2. Aktuelle Entwicklungen auf EU-Ebene beim UrheberInnen-Recht

Die nächste zentrale Frage ist: Warum kommt dem Urheberrecht bzw. dem Schutz sogenannten geistigen Eigentums (engl.: Intellectual Property) eine solche Bedeutung zu, dass die EU für die relativ kurze Zeitspanne der letzten 15 Jahre dermaßen viele Rechtsakte dazu erlassen hat? Zum besseren Verständnis kurz die Sichtweise der EU-Kommision :
Geistige Eigentumsrechte sind ein Anreiz zur Kreation und Investition im künstlerischen Bereich (Musik, Film, Publikationen, Theater, Fernsehsendungen, Software etc.), der zur Wett bewerbsfähigkeit, Beschäftigung und Innovation beiträgt. Der Anteil dieser Aktivitäten am BIP der Gemeinschaft ist erheblich (ca. 6%) und hat eine steigende Tendenz. […] Die geistigen Eigentumsrechte wurden erheblich harmonisiert, um Handelsschranken zu beseitigen und den rechtlichen Rahmen neuen Nutzungsformen anzupassen.

Im folgenden nur ein stichwortartiger Überblick , welche Schritte die Europäische Union in diesem Bereich bisher gesetzt hat:

Richtlinie 87/54/EWG des Rates vom 16. Dezember 1986 über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen. Ziel der RL ist die Festlegung von gemeinsamen Grundsätzen, die von allen Mitgliedstaaten in bezug auf die geschützten Personen und den Gegenstand des Schutzes, die gewährten ausschließlichen Rechte, die Ausnahmen von diesen Rechten und die Schutzdauer anzuwenden sind. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Topographien durch den Erlaß von Rechtsvorschriften unter der Voraussetzung zu schützen, daß diese Topographien das Ergebnis der geistigen Arbeit ihres Schöpfers und in der Halbleiterindustrie nicht alltäglich sind.

Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 (geändert durch die Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993) über den Rechtsschutz von Computerprogrammen. Ziel der RL ist eine Harmonisierung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Schutz von Computerprogrammen mit dem Ziel, ein Rechtssystem zu schaffen, das diesen Programmen ein bestimmtes Maß an Schutz gegenüber unberechtigter Vervielfältigung gewährt.

• Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 (geändert durch die Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993) zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums. Ziel der RL ist eine Harmonisierung der Vermiet- und Verleihrechte sowie bestimmter verwandter Rechte, die derzeit in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind, um ein hohes Schutzniveau für literarisches und künstlerisches Eigentum zu gewährleisten.

• Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung. Ziel der RL ist die Beseitigung der Rechtsunsicherheit in der grenzüberschreitenden Programmverbreitung über Satelliten und der Weiterverbreitung über Kabel.

• Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte. Ziel der RL ist eine gemeinschaftsweite Festsetzung einer Schutzdauer des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte. Nach der Richtlinie beträgt die Schutzdauer des Urheberrechts an Werken der Literatur und Kunst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers eines Werkes bzw. dem Zeitpunkt, zu dem das Werk erlaubterweise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, wenn es sich um anonyme und pseudonyme Werke handelt.

• Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken. Ziel der RL ist eine Gewährleistung eines harmonisierten urheberrechtlichen Schutzes für Datenbanken und eines Schutzes durch ein neues spezifisches Recht "sui generis".

• Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Ziel der RL ist eine Anpassung der Rechtsvorschriften für das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte an die technologische Entwicklung und insbesondere an die Informationsgesellschaft und Umsetzung der wichtigsten internationalen Verpflichtungen auf Gemeinschaftsebene , die sich aus den beiden im Rahmen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) im Dezember 1996 angenommenen Verträgen über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte ableiten.

• Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks. Das Folgerecht ist ein unveräußerliches Recht auf Beteiligung am Erlös aus dem Verkauf nach jeder Weiterveräußerung des Originals eines Kunstwerks durch Vertreter des Kunstmarkts, Auktionshäuser, Kunstgalerien oder Kunsthändler allgemein. Ziel der RL ist die Gewährleistung eines angemessenen, einheitlichen Schutzniveaus für Urheber und eine Beseitigung der zurzeit auf dem Markt der zeitgenössischen Kunst bestehenden Wettbewerbsverzerrung.

Konkret heißt das: Die Kommission hat versucht, Rechtsangleichungen durchzuführen, die in erster Linie den Bereichen galt, in denen die Verwertung der Urheberrechte durch die Unterschiede im Rechtsschutz der Mitgliedstaaten und die daraus resultierende Rechtsunsicherheit beeinträchtigt war. Übergeordnetes Ziel war, den grenzüberschreitenden Handel mit geistigem Eigentum zu beflügeln.

Auf der Kommissionshomepage heisst es wörtlich dazu:

Mit dieser Harmonisierung, die ein in allen Mitgliedstaaten relativ hohes Urheberschutzniveau sicherstellt, wurden günstige Voraussetzungen für Innovation und Kreativität geschaffen, die gleichzeitig die Verwertung der damit verbundenen Rechte erleichtern. […] Gleichzeitig sollen die im Dezember 1996 im Rahmen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) angenommenen neuen Verträge (Urheberrechtsvertrag und Vertrag über Darbietungen und Tonträger) im Wege dieser Richtlinie auf Gemeinschaftsebene umgesetzt werden. Die Kommission hat darüber hinaus im März 2000 die WIPO-Verträge im Namen der Gemeinschaft genehmigt.

Trotz dieser schönen Worte wage ich aber zu behaupten, dass es der Kommission, und hier neben der primär zuständigen Generaldirektion Binnenmarkt, (hier: Abteilung E3 „Geistiges Eigentum“) vor allem der Generaldirektion 4 (Wettbewerb) nur um eines geht: Um Wirtschaftswachstum und einen möglichst freien, ungeschützten Markt … und nicht etwa um die Rechte der AutorInnen, Software-ProgrammiererInnen oder MusikerInnen. Denn an anderer Stelle wird darauf hingewiesen, dass der Schaden, der weltweit durch Produkt- und Software-Piraterie angerichtet wird, jährlich ca. 200.000 Arbeitsplätze kostet und dass aktuellen Schätzungen zufolge Nachahmung und Piraterie bereits 5 % bis 7 % des Welthandels ausmachen.

Und nun die wirklich brandaktuelle Entwicklung beim UrheberInnen-Recht: Es ist gerade eine Verordnung im Binnenmarkt-Ausschuss des Europäischen Parlaments in Arbeit (voraussichtliches Beschlussdatum: Ende Jänner 2004), die grundsätzlich einige Fragen in Bezug auf die Harmonisierung des UrheberInnen-Rechts der EU-15 erstmals klären wird, primär geht es um die kollektive Verwertung von UrheberInnen-Rechten und die dazu nötigen Verwertungsgesellschaften. Dazu aber weiter unten.


3. Die neue EU-Richtlinie zu "Software-Patenten"

Einen kleinen Etappensieg konnte das Europäische Parlament am 24. September 2003 feiern: Es setzte sich gegen die Interessen von Microsoft und anderer Software-Großkonzerne zumindestens teilweise durch: Am 24. September hätte eine neue EU-Richtlinie vom EP abgesegnet werden sollen, die erstmals vorsehen könnte, dass Software auch patentiert werden kann – was sicher weniger schlimm anhört, als es ist. Möglich Folge dieser Richtlinie könnte aber sein, dass, wenn auch die simpelsten Datenzeilen durch ein weltweites Patent, das einem der wenigen, meist US-amerikanischen oder japanischen Software-Giganten gehört, geschützt sind, kleinere Software-Firmen völlig auf der Strecke bleiben, weil sie keine Chance mehr haben. Und auch für die prinzipielle Weiterentwicklung von know-how im Softwarebereich ist es nicht besonders förderlich, wenn sich, überspitzt formuliert, jede/r einfache ProgrammiererIn noch bevor er/sie überhaupt eine Ziele Programmiercodes schreibt, sich überlegen muss, ob er/sie das überhaupt darf, ohne dafür Lizenzgebühren an Bill Gates abführen zu müssen …

Denn es gibt einen kleinen, aber feinen Unterschied zwischen Patent- und UrheberInnenrecht: Patente schützen die Idee einer Innovation. Eine Abänderung der Idee, sei es auch zum Vorteil des Produktes, ist damit unmöglich. Ein ausschließlich urheberrechtlicher Schutz hingegen erlaubt Änderungen und ermöglicht somit Innovation und Weiterentwicklung.

Das Problem war und ist aber, dass das Europäische Patentamt (EPO), das an der Genehmigung von Patenten mitverdient(!), bereits seit zwei Jahrzehnte illegalerweise Patente für Computerprogramme gewährt. Diese Praxis steht in offenem Widerspruch zur Münchner Konvention, mit der 1973 das EPO gegründet wurde und die klar besagt, dass Computerprogramme und andere Organisations- und Kalkulationsregeln nach europäischem Recht nicht patentierbare Erfindungen sind.

Bei der ersten Lesung des Entwurfs einer "Richtlinie über den Schutz computerimplementierter Anwendungen" verlangte das EP eine Reihe von Einschränkungen. Demnach sollen reine Software, Datenverarbeitung und computergestützte Geschäftsmethoden vom Patenschutz ausgenommen werden. Insbesondere sollen weder einzelne Programmteile (Algorithmen) noch "triviale" Teile, wie etwa ein bestimmter Balken in der Darstellung patentierbar sein. EDV-gestützte Erfindungen sollen demnach nur patentierbar sein, wenn sie einen "technischen Beitrag" leisten - etwa bei computergestützten Bremsanlagen oder Haushaltsmaschinen. Der Text geht nun an den EU-Ministerrat. Das Europaparlament hat in dieser Frage ein Mitentscheidungsrecht. Ohne seine Zustimmung kann die fragliche Richlinie somit nicht verabschiedet werden.

Gegen die Kommissions-Vorschläge und die Richtlinie als solche hatten vor allem Vertreter der "Open-Source-Bewegung", die Grünen, sowie Globalisierungsgegner wie das Netzwerk Attac bereits seit Monaten mit Demonstrationen und Aufrufen im Internet mobil. Die Grünen befürchten, dass die schon angemeldeten 20.000 bis 30.000 Patente, die zumeist in der Hand japanischer und US-Unternehmen seien, durch das neue EU-Gesetz eine einklagbare Rechtsbasis erhalten könnten. Damit sei Tür und Tor für eine "juristische Schlacht" um Softwarepatente geöffnet.

EXKURS:
4. Weltweite Entwicklung beim UrheberInnen-Recht: Das TRIPS-Abkommen

Ein kleiner Exkurs ist dieses Kapitel: Wohin gehen die weltweiten Tendenzen im UrheberInnenrecht?

Auch in den USA geht die Entwicklung des UrheberInnenrechts in eine ähnliche kommerzialisierte Richtung; hier ist der Gesetzgeber in seinen Entscheidungen noch stärker an den Interessen der Unternehmen (und dem daraus resultierenden Lobbying!) orientiert, da durch die Copyright-Bestimmungen nicht selten die Rechte für das produzierte geistige Eigentum eines einzelnen Programmierers von Microsoft oder einer wissenschaftlichen MitarbeiterIn eines Pharmakonzerns ohnehin auf den Verlag bzw. den Konzern übergehen.

Auch weltweit ist die Tendenz eine ähnliche: Das im Rahmend der WTO verhandelte TRIPS (=Trade related Aspects of Intellectual Property Rights)-Abkommen, also das Abkommen über handelsrelevante Aspekte von geistigen Eigentumsrechten hat zum Ziel, alle Regierungen der 144 WTO-Staaten zu verpflichten, nationale Gesetze zum Schutz geistigen Eigentums zu erlassen und diese auch wirksam zu vollziehen. Inhaltlich umfasst das TRIPS praktisch alle Formen geistigen Eigentums zB Patente, Markenschutz, UrheberInnen-Recht und verwandte Schutzrechte, geografische Angaben, den Schutz gewerblicher Muster und Modelle und den Schutz nicht offenbarter Informationen

Die Argumente der BefürworterInnen aus den Industrieländer lassen sich stichwortartig am besten so wiedergeben:
• Ziel: Bekämpfung der Produkt-Piraterie; Verluste von Firmen durch systematisches Kopieren von Software-Programmen und Musik-CDs ; „Fälschungsindustrie“ in China soll bekämpft werden
• Fehlender Schutz geistigen Eigentums ist Handelshemmnis! TRIPS schützt vor ev. Schadenersatzforderungen und schafft Rechtssicherheit; erleichtert Nord-Süd-Technologietransfer?
• Globaler Schutz geistigen Eigentums ist Basis für weiteren Fortschritt; hohe Forschungs- und Entwicklungskosten müssen verdient werden, ansonsten wird nicht mehr geforscht

Haupt-Streitpunkte in der Anwendung sind aber die folgenden Fragen:
• Frage der Patentierung lebender Organismen
• „Bio-Piraterie“
• Versorgung von Menschen in LDC (Least Developed Countries) mit lebensnotwenigen Medikamenten zB gegen AIDS

Die Argumente der KritikerInnen, die nicht selten aus den Entwicklungsländer kommen, und für eine Aufhebung oder Änderung von TRIPS plädieren, sprechen eine andere Sprache. Sie sagen sinngemäß:
1. So, wie TRIPS derzeit gestaltet ist, nützt es nur denjenigen, die schon Wissen haben, anstatt den Wissenstransfer zu begünstigen und zu beschleunigen
2. Wozu AIDS-Medikamenten-Forschung, wenn die Hauptbetroffenen in den LDC ohnehin nie die Chance haben, diese Medikamente zu erhalten?
3. Die Patenteinführung in der BRD erfolgte erst 1968, in der Schweiz erst 1978; mindestens 10 Jahre Übergangsfristen sind daher auch für die LCD nötig!

… es scheint also so zu sein, dass mit der Durchsetzung des TRIPS-Abkommens in der derzeitigen Form ohnehin nur jene vom Schutz des geistigen Eigentums profitieren, die es bereits erworben haben und sich auch die Rechte darauf bereits durch ein weltweites Patent gesichert haben.


5. Warum WissenschafterInnen in Österreich tatsächlich publizieren und wie sie zu ihren Tantiemen kommen

Zuerst möchte ich kurz auf die aktuelle Situation von WissenschafterInnen in Österreich eingehen, wie sie sich mir aufgrund von vielen Gesprächen mit (Nachwuchs-)AssistentInnen, externen Lehrbeauftragten, aber auch ProfessorInnen darstellt, zu denen ich aufgrund meiner Gremialtätigkeit als Vertreter der ÖH vielfach Kontakt hatte:

Die polemisch formulierte Überschrift deutet es schon an: Die UrheberInnenrechts-Frage ist wohl die geringste Sorge, die die WissenschafterInnen plagt, wenn die Rede auf ihre Publikationstätigkeit kommt. WissenschafterInnen, die Publizieren wollen, tun dies meist als Ergebnis von Forschungsaufträgen (Auftraggeber: FWF, FFF, Jubiläumsfonds der OENB, ev. private Firmen, …) , Stipendien oder fixen Anstellungen, eher selten aber aus dem prinzipiellen Motiv, davon leben zu wollen bzw. zu müssen, da das in Österreich derzeit nahezu unmöglich erscheint. Weitere wichtige Gründe, die die Leute dazu treiben, ihre Publikationslisten möglichst lange aussehen zu lassen, sind:
- die Hoffnung, dass die Publikation möglichst oft zitiert wird, um damit die eigene Karriere zu befördern und das eigene Prestige innerhalb der Scientific Community zu fördern;
- die Chance, durch Forschungsaufträge aus der Privatwirtschaft vergleichsweise sehr viel mehr Geld zu verdienen als mit den geringen Gehältern aufgrund des neuen Uni-Dienstrechtes
- der Wunsch, durch viele Publikationen den Ruf des Instituts zu heben
- das Ziel, durch ein gutes Abschneiden bei den immer häufiger werdenden Evaluierungen – bei denen die Publikationstätigkeit ein zentrales Kriterium ist – die eigenen Arbeitsbedingungen zu verbessern, da ein gutes Evaluierungsergebnis nicht selten auch eine bessere finanzielle Dotierung eines Instituts nach sich zieht
- …

Das scheinen mir in der Praxis die wahren Gründe für das Publizieren oder Nicht-Publizieren von WissenschafterInnen in Österreich zu sein.

Der Großteil der Leute, die von ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit leben können, sind an einer Universität fix angestellt, ein geringer Teil kann sich auch als sogenannte „Externe Lehrbeauftragte“ mit mehreren Lehraufträgen über Wasser halten. Eine kleine Minderheit an WissenschafterInnen ist entweder bei privaten oder (halb-)öffentlichen Forschungseinrichtungen angestellt, eine noch viel kleinere Minderheit schafft es, als sogenannte „freie“ WissenschafterInnen durchzukommen. Bei dieser letzten Gruppe ist allerdings davon auszugehen, dass sie ihr Einkommen aus allen möglichen wissenschaftlichen Tätigkeiten beziehen (Projektorganisation, Lehraufträge, Wochenend-Seminare, Universitätslehrgänge, öffentliche Auftritte, HerausgeberInnen-Tätigkeit etc.), nur nicht aus den Tantiemen für von ihnen veröffentlichte Bücher oder Zeitschriften. Und auch wenn sie publizieren: Die wesentlich wichtigere Einnahmequelle ist die eine eventuell mit dem Verlag ausgehandelte Provision pro verkauftem Exemplar als eine urheberInnenrechliche Vergütung für die Nutzung. Daher stellt sich für die meisten WissenschafterInnen die Frage nach ein Publikation im Internet gar nicht, schon gar nicht eine Publikation zum Nulltarif.

Prinzipiell ist an dieser Stelle folgendes anzumerken: Die Publikation wissenschaftlicher Texte, sei es nun ein Beitrag zu einem Sammelwerk, ein Artikel in einer Fachzeitschrift oder ein via Internet veröffentlichter Artikel, wird von der UrheberInnenrechts-Seite ein wohl ein klassischer Fall für eine „kollektive“ Verwertung sein, das heißt, der/die AutorIn überlässt das „Eintreiben“ der Tantiemen einer Verwertungsgesellschaft, wie schon im 1. Kapitel dieser Arbeit angeführt.

Was genau ist nun eine Verwertungsgesellschaft? Dazu die folgende Definition, gefunden auf der Homepage der größten und bedeutendsten österreichischen Verwertungsgesellschaft, der AKM (Autoren, Komponisten, Musiker)

Unter Verwertungsgesellschaften versteht man freiwillige Zusammenschlüsse von Urhebern bzw. Leistungsschutzberechtigten zur kollektiven und damit effektiven Durchsetzung der diesen gemäß dem UrhG zustehenden Ansprüche auf angemessenes Entgelt für die Nutzung ihrer Werke bzw. Leistungen. Bei Zusammenschlüssen von Urhebern, wie z.B. der AKM, spricht man auch von Urheberrechtsgesellschaften.

Wie ich als WissenschafterIn in Deutschland in der Praxis zu meinen Tantiemen komme, erklärt die sehr umfangreiche Homepage der VG Wort inklusive einer sehr anschaulichen Grafik.

Für die kollektive Wahrnehmung von UrheberInnen-Rechten bei Publikationen wissenschaftlicher Texte in Österreich ist nach Auskunft der VG-Wort-Homepage (die VG Wort ist die dafür zuständige Verwertungsgesellschaft in Deutschland) die Literar-Mechana, Wahrnehmungsgesellschaft für Urheberrechte GesmbH, in Wien zuständig. Doch, – diese Gesellschaft hat keine (!) Homepage! Und auch aus dem Namen der ebenfalls unter der selben Adresse untergebrachten LVG (Staatlich genehmigte LiterarischeVerwertungsgesellschaft reg.Gen.m.b.H.) lässt sich nicht unbedingt erkennen, ob nicht (auch) diese für solche Fragen zuständig ist.

Wie ich als WissenschafterIn in Österreich zu meinen Tantiemen komme, konnte ich also via Internet nicht eruieren, was meiner Meinung nach nicht gerade für die zuständige Verwertungsgesellschaft spricht … und ein besonders ermutigendes Zeichen ist, wissenschaftliche Texte ins Internet zu stellen …

Deswegen habe ich per E-Mail eine konkrete Anfrage an die Literar-Mechana versandt – die Antwort ist noch ausständig – und wollte auf folgende sechs Fragen eine Antwort:

1. Wofür genau ist die Literar-Mechana zuständig? Gibt es hier nicht eine (zumindest teilweise) Aufgabenüberschneidung mit der LVG (Staatlich genehmigte LiterarischeVerwertungsgesellschaft reg.Gen.m.b.H.)?

2. Wie komme ich als WissenschafterIn zu meinen Tantiemen für einen längeren Beitrag (zB 40 Seiten A5), den ich als Mitautor eines recht populären Sammelbandes (zB Handbuch der öster. Politikwissenschaft; Hg.: Dachs et.al.) verfaßt habe? Annahme: Dieses Werk steht in ca. 20 Universitäts- und anderen öffentlichen (Fach-)Bibliotheken und wird dort häufig gelesen; außerdem wurden ca. 5.000 Stück im Buchhandel verkauft. Zusatzfrage: Mit welcher Höhe an Tantiemen ist hier zu rechnen?

3. Wie komme ich als WissenschafterIn zu meinen Tantiemen für einen Beitrag (zB 6 Seiten A4) in einer Fachzeitschrift (zB Österr. Zeitschrift f. Politikwissenschaft (ÖZPW)), das eine Auflage von ca. 500 Stück pro Ausgabe hat und in ca. 20 Universitäts- und anderen öffentlichen (Fach-)Bibliotheken aufliegt und dort häufig gelesen wird? Zusatzfrage: Mit welcher Höhe an Tantiemen ist hier zu rechnen?

4. Publizieren im Internet: Wie steht die Literar-Mechana zur "Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen", (vgl. www.mpg.de/pdf/openaccess/BerlinDeclaration_dt.pdf), die unter anderem auch von einem Repräsentanten des österreichischen FWF, Dr. Georg Wick, nachträglich unterzeichnet wurde?

5. Wie stehen sie generell zur „Open Access“-Idee und zum Prinzip des „Copyleft“?

6. Wie sehen Sie die Zukunft des Publizierens wissenschaftlicher Texte via Internet? Welche erfolgreichen Distributionsmodelle existieren hier bereits bzw. welche könnten Sie sich vorstellen? Könnte das ein mögliches Betätigungsfeld ihrer Verwertungsgesellschaft sein?


Ausserdem werde ich noch versuchen, mit VertreterInnen des akademischen Mittelbaus Kontakt aufzunehmen und sie persönlich befragen, wie sie ihre urheberInnenrechtlichen Ansprüchen bei ihren bisherigen Publikationen durchsetzen konnten, bzw. ob sie sich vorstellen könnten, im Internet zu publizieren bzw. eventuell auch unter den Bedingungen der „Berliner Erklärung“ (siehe folgendes Kapitel.

Meine These ist nun, dass diese Verwertungsgesellschaften auch für WissenschafterInnen interessant sein könnten, die ihre Artikel im Internet publizieren, bisher aber keine Tantiemen dafür verlangt haben, oder aber das „Rechte-Management“ an jemandem anderen abgetreten haben und froh waren, überhaupt etwas dafür zu bekommen, sei es auch noch so wenig. Bekannt ist aber, dass die Frage des wissenschaftlichen Publizierens, sei es nun im Internet oder auch nur in Zeitschriften oder Büchern, bei den UrheberInnenrechts-Debatten völlig unterbelichtet ist, sei es nun in Österreich, Deutschland, oder auf EU-Ebene.

Wo liegen aber wirklich die Probleme in der Praxis, wenn ich als wissenschaftliche/r AutorIn versuchen will, meine Tantiemen zu bekommen? Eines der Hauptprobleme im (kontinentalen) UrheberInnenrecht ist einerseits das Problem, als wissenschaftliche (Nachwuchs-)AutorIn, und damit als schwächere PartnerIn gegenüber einem Verlag, ein faires Entgelt auszuhandeln, von dem man/frau auch leben kann. Andererseits ist auch die Frage offen, wer sich als WissenschafterIn die Zeit nehmen kann, auch zu kontrollieren, ob das Werk auch entsprechend des Vertrags genutzt wird, oder ob nicht viel mehr der Verlag das Werk ändert, mehrfach verwertet oder auch den/die AutorIn immer und überall anführt. Eben diese Rolle könnten die Verwertungsgesellschaften einnehmen.

Weiters gehe ich davon aus, dass Verstöße gegen das UrheberInnenrecht nigends so häufig auftreten wie im Internet. Diese nicht sonderlich gewagte These scheint auch durch anerkannte ExpertInnen bestätigt, so etwa schreibt der Cyberlaw-Experte Wolfgang Zankl, seines Zeichens immerhin Vorstand des „Zentrums für E-Commerce unter Internetrecht“, auf einer auf seiner Homepage frei zugänglichen Powerpoint-Präsentation zum Thema "Urheberrecht und Internet":

• Vorteile für gezielte Werkverbreitung
– kostengünstige Distribution
– Geschwindigkeit
– große Reichweite

• „Inhalte“ sind regelmäßig Werke iSd UrhR

• Risiken
– hohe Missbrauchsgefahr


UrheberInnenrechts-Mißbrauch im Internet ist also tatsächlich an der Tagesordnung. Denn schon derzeit ist die Rechtsdurchsetzung beim UrheberInnenrecht äußerst mangelhaft. Laut österreichischem UrhG gibt es einige zivilrechtliche Möglichkeiten; im folgenden sind nur jene aufgezählt, die meines Erachtens auch für das Publizieren von wissenschaftlichen Texten im Internet relevant sind und kurz angemerkt, wie diese Rechtsmittel in der Praxis angewendet werden können:
a) Unterlassungsanspruch § 81 (1): Eine Unterlassungsklage setzt voraus, dass Wiederholungsgefahr besteht. Anm.: In Bezug auf das Internet ist das aber problematisch, da schon das einmalige, widerrechtliche Downloaden genügt, und ein eigentlich nicht Berechtigter ist trotzdem in der Lage, ein Werk zu nutzen.
b) Einstweilige Verfügungen § 81 (2): Im Falle des Urheberrechts ist es nicht notwendig die Gefährdung und die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens zu beweisen, wie dies sonst der Fall ist. Anm.: Im Falle eines bereits erfolgten Downloads hilft eine „einstweilige Verfügung“ aber auch nicht weiter, lediglich im Fall, dass mein Material im Internet weiterverbreitet werden würde.
c) Beseitigungsanspruch (§ 82 UrhG): Wird jemand in seinen Ausschließungsrechten verletzt, kann dieser verlangen, dass der dem Gesetz widerstreitende Zustand beseitigt werde. Anm.: Würde zB heißen, dass jemand eine von jemandem anderen erstellte Grafik wieder von seiner Homepage herunternehmen muss.

e) Anspruch auf angemessenes Entgelt (§ 86 UrhG): Es besteht Anspruch auf angemessenes Entgelt auf in dieser Norm aufgezählten Verletzungen des Urheberrechts.

f) Anspruch auf Schadenersatz und Herausgabe des Gewinns (87 UrhG): Zitat von Absatz 1: Wer durch eine Zuwiderhandlung gegen das UrhG einen anderen schuldhaft schädigt, hat dem Verletzten ohne Rücksicht auf den Grad des Verschuldens den entgangenen Gewinn zu ersetzen. Hat der Schädiger durch sein schuldhaftes Verhalten Gewinn erlangt, hat er diesen herauszugeben. Anm.: Klingt schön, nur: Wohl nichts ist so schwierig nachzuweisen wie ein Schaden durch entgangenen Gewinn.

Im Bereich des Strafrechts sind im UrhG ebenfalls vier Rechtsmittel vorgesehen, die allerdings wegen des geringen Streitwerts bei UrheberInnenrechts-Verstößen im Internet selten angewandt werden, bzw. der Sache wegen gar nicht vorkommen können:
a) Privatanklage (§ 91 UrhG)
b) Urteilsveröffentlichung (entsprechend § 85 UrhG)
c) Vernichtung und Unbrauchbarmachung von Eingriffsgegenständen und Eingriffsmitteln (§ 92 UrhG)
d) Beschlagnahme (§ 93 UrhG)

Der in der Praxis auftretende Fall wird ganz schlicht jener sein, dass jemand seinen wissenschaftlichen Text ins Netz stellt und keinen Vermerk macht, dass dieser Text unter „freie Werknutzung“ fällt; also hat ab sofort jede/r gegen das UrheberInnenrecht verstoßen, der/die diesen Text über die „Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch“ hinaus nutzt. Konkrete Beispiele dafür könnten sein, dass jemand zitiert den Text in einer eigenen Publikation, macht aber keine vollständige Quellenangabe, sodaß der Eindruck entsteht, er/sie habe das selbst geschrieben.

Es sind aber auch vorsätzliche Varianten denkbar: Jemand kopiert einen Text aus einem nicht öffentlichen Bereich einer Homepage (zB einer Pharma-Firma) und vervielfältigt ihn bzw. stellt ihn auf eine öffentliche Homepage – wobei dieser Fall wohl eher unter Wirtschaftsspionage fällt.

Trotzdem: Auch wenn die Zahl der vorsätzlichen UrheberInnenrechts-Vergehen wohl eher die Ausnahme ist, verstehe ich jede/n WissenschafterIn, die seine/ihre Texte NICHT im Internet veröffentlicht. Denn ein weiterer Grund ist, dass auch die Scientific Communities wissenschaftlichen Erkenntnissen eher ihre Aufmerksamkeit schenken bzw. ihnen höhere Bedeutung beimessen, wenn sie in einer angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht werden, bzw. im Falle von Entdeckungen bei einer öffentlichen Pressekonferenz den Medien bekanntgegeben werden, statt auf der Homepage einer Universität oder der privaten Homepage eines/einer ForscherIn.


6. Hintergründe zur "Open Access" bzw. „Open Source“-Philosophie

Die im Oktober 2003 veröffentlichte „Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ hat, ähnlich wie die
„Budapest Open Access Initiative“
zum Ziel, ForscherInnen dazu zu ermutigen, ihre Publikationen im Internet zu veröffentlichen und gleichzeitig Universitäten, Forschungsinstitutionen bzw. die Politik allgemein dazu einzuhalten, geeignete Bedingungen dafür zu schaffen. Langfristiges Ziel dieses Manifestes ist es, die Verbreitung von wissenschaftlichem Wissen und unserem kulturellen Erbe weltweit zu ermöglichen, und zwar nach dem „Prinzip des offenen Zugangs“. Beiträge nach dem „Prinzip des offenen Zugangs“ müssen laut der „Berliner Erklärung" zwei Kriterien erfüllen:

1. Die Autoren und Rechteinhaber solcher Veröffentlichungen erteilen allen Benutzern das freie, unwiderrufliche und weltweite Zugangsrecht und die Erlaubnis, die Veröffentlichung für jeden verantwortlichen Zweck zu kopieren, zu benutzen, zu verteilen, zu übertragen und abzubilden unter der Bedingung der korrekten Nennung der Urheberschaft (wie bisher werden die Mechanismen der korrekten Berücksichtigung der Urheberschaft und der verantwortlichen Nutzung durch die Regeln der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Geltung gebracht) sowie das Recht, eine beschränkte Anzahl gedruckter Kopien für den persönlichen Gebrauch zu machen.
2. Eine vollständige Fassung der Veröffentlichung samt aller zugehörigen Begleitmaterialien wird zusammen mit einer Kopie der oben erwähnten Erlaubnis in einem geeigneten elektronischen Format auf mindestens einem online zugänglichen Archivserver mit geeigneten technischen Standards (wie die von Open Archive) hinterlegt und damit veröffentlicht. Der Archivserver muss betrieben werden von einer wissenschaftlichen Institution oder Gesellschaft, einer öffentlichen Institution oder einer anderen etablierten Organisation, die das „Prinzip des offenen Zugangs”, uneingeschränkte Verbreitung, Interoperabilität und Langzeitarchivierung zu verwirklichen sucht.


Interessanterweise wurde die „Berliner Erklärung“ auch von einem Repräsentanten des österreichischen FWF, Dr. Georg Wick unterzeichnet. Ansonsten finden sich unter den ca. 30 UnterzeichnerInnen, die ich bisher über das Internet ausfindig machen konnte, vor allem RektorInnen von Universitäten und DirektorInnen von Forschungseinrichtungen und –gesellschaften, aber mit Ausnahme des spanischen Bildungsministers keine PolitikerInnen, die meiner Meinung nach die eigentlichen AdressatInnen eines solchen Manifestes sein müssten.

Prinzipiell erscheint mir diese „Berliner Erklärung“ sehr unterstützenswert. Trotzdem möchte ich eine Gegenthese aufstellen: Müsste nicht gerade Forschungs- und tertiäre Bildungseinrichtungen daran interessiert sein, dass neben dem Faktum, dass ein „Mehr“ an Wissenschaft produziert wird, dieses „Mehr“ auch durch einen „gerechten Preis“ (copyright: Karl Marx) honoriert wird … sprich: Die „Berliner Erklärung“ und der durch sie auf die WissenschafterInnen ausgelöste Druck könnten auch zu einem „Wettbewerb nach unten“ führen, die in der Forderung gipfeln würde, dass Wissenschaft zu teuer sei und einfach weniger kosten müsse … ob das der richtige Weg ist …? Wie so oft scheint auch hier der Weg in der Mitte zu liegen … die „Auflösung“ dieses scheinbaren Widerspruchs folgt im nächsten Kapitel ;-)

Vorher allerdings noch kurz ein Querverweis auf zwei ähnlich geartete „Philosophien“, nämlich „Copyleft“ bzw. „Open Source“:

Für die Beantwortung der Frage „Was ist Copyleft?“ habe ich wieder bei der Wikipedia „nachgeschlagen“

Copyleft ist ein etwas scherzhafter Sammelbegriff für das den Lizenzen der Free Software Foundation zugrundeliegende Konzept, der auf den Begriff des Copyright aus dem Urheberrecht anspielt. Kerngedanke des Copyleft ist es, dass der Lizenznehmer, also der Empfänger eines Programms, das Programm beliebig weiterverteilen und verändern kann, und dass diese Rechte nicht mehr eingeschränkt werden können.

Zwei wichtige Sätze wurden meines Erachtens hier allerdings vergessen:
1. Kopien von allen Dateien, die unter Copyleft veröffentlicht werden, müssen allerdings genauso gekennzeichnet werden, wie das Original, das heißt, der/die UrheberIn muss angegeben werden. (Vgl. http://www.dsl.org/copyleft/dsl.txt - , das ganze in einem Satz, allerdings auf Englisch):

The idea of "copyleft" is to willfully revoke the exclusivity of those rights under certain terms and conditions, so that anyone can copy and distribute the work or properly attributed derivative works, while all copies remain under the same terms and conditions as the original.

2. Copyleft als Prinzip muss nicht nur für Computerprogramme gelten, sondern ist für alle im Internet veröffentlichten Dateien denkbar, auch wenn sie Fotos, Texte oder anderes enthalten.

Wie das ganze von der rechtlichen Seite her praktisch funktioniert, lässt sich wieder mit einem Satz erklären, gefunden auf der Homepage zum Thema Copyleft, nämlich jener der vom Amerikaner Richard M. Stallman gegründeten FSF (Free Software Foundation), die auch unter „GNU-Project“ bekannt ist. Hier heißt es zum Copyleft:

Um ein Programm unter das Copyleft zu stellen, stellen wir es zuerst unter das Copyright; dann fügen wir als Rechtsmittel Vertriebsbestimmungen hinzu, die allen erlauben, den Code des Programms oder jedes davon abgeleiteten Programms zu verwenden, zu ändern und weiter zu verteilen, aber nur wenn die Vertriebsbestimmungen unverändert bleiben. So werden der Code und die gewährten Freiheiten rechtlich untrennbar.

… eigentlich ganz einfach, oder? Copyright wird einfach durch sich selbst ausgetrickst – praktisch genial!

Die Philosophie der „Open Source“-Bewegung, die häufig ebenfalls mit jener der „Freien Software“ und des Copylefts gleichgesetzt wird, weicht allerdings geringfügig davon ab. Laut Wikipedia kritisiert FSF an der Open-Source-Bewegung, „dass diese die freie Software nicht unbedingt gegen eine zukünftige Vereinnahmung durch unfreie Lizensierung von Fortentwicklungen schützen will.“

Nur: Das ganze scheint wie ein Streit unter Kleinkindern im Sandkasten, denn in der prinzipiellen Sache, nämlich der Ablehnung von propriäterer Software, sind sich beide Gruppierungen einig. Aber der Feind schläft nicht: Microsoft arbeitet bereits an Digital-Rights-Management-Systemen und versucht, unter dem Stichwort TCPA (Trusted Computer Plattform Alliance) und einem neuen Betriebssystem eine Möglichkeit, sein Quasi-Monopol noch auszubauen – aber das würde für diese Arbeit zu weit führen. Mehr dazu siehe unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Rights_Management


7. Sind "Open Access“ bzw. „Open Source" und ein "angemessenes Entgelt“ für UrheberInnen unvereinbare Widersprüche?

Und trotzdem, auch wenn mir die „Open Access“ und die „Open Source“ bzw. Copyleft-Idee sympathisch sind, nun zur Kernfrage dieser Arbeit: Sind „Open Access“ bzw. „Open Source" und ein "angemessenes Entgelt“ für UrheberInnen unvereinbare Widersprüche?

Die Antwort scheint eine einfache zu sein: Ja, allerdings mit einem deutlichen ABER hintendran…

Zuerst zur Frage von „Open Source“ bzw. „Freier Software“: Wie ist denn das: Wovon sollen denn die ProgrammiererInnen von „Freier Software“ leben? Von der Strahlung ihres Bildschirms, oder wie?

Hier betonen sogar die VertreterInnen dieser „Freien Software“-Philosphie laut Wikipedia

Oftmals wird auch in deutschen Texten betont, dass sich "frei" in "freie Software" auf Freiheit, und nicht auf den Preis beziehe. Dies stammt aus der Übersetzung englischer Texte, da "free" sowohl "frei" als auch "kostenlos" bedeutet. Im Deutschen kommt dies jedoch nur selten vor, sodass der Zusatz Free as free speech not as free beer (frei wie freie Meinungsäußerung, nicht wie Freibier) nicht nötig ist.

Außerdem gilt (zitiert wiederum nach Wikipedia für Freie Software:

• Freie Software kann auch verkauft werden, muss also nicht unbedingt kostenlos sein.
• für CD-ROMs werden oft nur Kostenbeiträge verlangt
• umfangreiche Distributionen mit Handbüchern werden im Vergleich zu unfreier Software sehr günstig verkauft.


Auch FSF-Gründer Stallman sieht ein, dass ProgrammiererInnen natürlich von etwas leben müssen, allerdings sollen sie nicht so viel verdienen wie jetzt. Allerdings ist natürlich davon auszugehen, dass den Großteil des Gewinns an Bill Gates bzw. Vorstand und Geschäftsführung von Microsoft geht, ein kleiner Teil auch an die Aktionäre – und erst ganz zum Schluss kommen wohl die MitarbeiterInnen, also die beispielsweise die ProgrammiererInnen. Die Geschäftsidee und das Monopol machen die Gewinne von Microsoft aus … und nicht die Software, die noch dazu gar nicht so gut ist, wie man/frau glauben sollte.

Trotzdem: Auch wenn also „Free Software“ etwas kosten darf – wie kann sich so ein Firma über Wasser halten und gleichzeitig auch noch guten Support für die KundInnen liefern und gleichzeitig seine Programme weiterentwickeln und verbessern?

Im
GNU-Manifest
von Richard Stallman aus 1993 wird ein innovatives Modell einer „Software-Steuer“ zur Finanzierung der Weiterentwicklung vorgestellt, das mir verfolgenswert erscheint:

Alle Arten von Weiterentwicklung könnten durch eine Software-Steuer finanziert werden:
Stellen wir uns vor, jeder, der einen Computer kauft, muß x Prozent des Preises an Software-Steuer entrichten. Die Regierung gibt dieses Geld einer Agentur wie der NSF, um es für Software-Entwicklung einzusetzen.
Wenn allerdings der Computerkäufer selbst für Software-Entwicklung spendet, wird die Spende mit der Software-Steuer verrechnet. Er kann für das Projekt seiner Wahl spenden - häufig in der Hoffnung ausgewählt, das Ergebnis benutzen zu können. Er kann beliebig hohe Spenden anrechnen lassen bis hin zum Gesamtvolumen der zu zahlenden Steuer.
Der Steuersatz könnte durch die Steuerzahler selbst durch Wahl festgelegt werden, gewichtet gemäß der Menge der zu zahlenden Steuer.
Die Konsequenzen:
• Die Gemeinschaft der Computerbenutzer unterstützt die Software-Entwicklung.
• Die Gemeinschaft entscheidet, wieviel Unterstützung benötigt wird.
• Benutzer, denen es darauf ankommt, an welchen Projekten sie sich beteiligen, können dies selbst entscheiden.


OK – gekauft: „Free Software“ ist denkbar, auch mit einer „gerechten Vergütung“ bzw. einem angemessenen Lohn für die UrheberInnen, also die ProgrammiererInnen – auch wenn er vielleicht niedriger sein wird als jetzt.
Aber wie ist es mit den WissenschafterInnen, die laut dem Vortrag von Dr. Hoffman in unserer Vorlesung am besten, sinngemäß, ihre Verwertungsrechte an Verlage abtreten sollen? Wovon sollen denn dann die leben? Die sitzen ja definitiv am kürzeren Ast, weil die Marktmacht – das lernen wir vom Beispiel Microsoft – nicht beim/bei der Kreativen (sei es jetzt ProgrammiererIn oder GedichteschreiberIn), sondern bei dem/der liegt, die das Distributionsnetz unter seiner/ihrer Kontrolle hat (sei es nun Bill Gates oder ein namhafter Buch- oder Zeitschriftenverlag)! Und wer die Marktmacht hat, bestimmt den Preis!

Also: Wie könnte dieser Widerspruch aufgelöst werden? Mehr dazu im nächsten (und vorletzten) Kapitel.


8. Mögliche (neue) Alternativen und Ausblick

Wie könnten nun tatsächlich zukünftige Modelle aussehen, die angestellten oder freiberuflich tätigen WissenschafterInnen ermöglichen, ihre Werke (Texte, Datenbanken, Rechenmodelle, Computer-Programme, etc.) im Internet zu publizieren, sie für NutzerInnen möglichst frei bzw. gratis zugänglich zu machen – und trotzdem selbst davon leben zu können? Vom Prinzip her fallen mir zwei Lösungsansätze ein:

1. Die WissenschafterInnen nehmen die Sache mit dem Vertrieb selbst in die Hand.Man könnte also sagen, wir kehren zu einem Prinzip zurück, das bereits von der Entwicklungszusammenarbeit oder dem Prinzip der Direktvermarktung von landwirtschaftlichen Produkten bekannt ist: Der berühmte „Zwischenhandel“, bzw. in diesem Fall konkret die Hard- und SoftwaregigantInnen bzw. die Buch- und Zeitschriftenverlage, die die eigentlichen Profiteure sind, sollen ausgeschaltet werden und stattdessen das Einkommen den ProduzentInnen möglichst direkt und ohne Abschläge zukommen – weswegen in Summe viel weniger Geld ausgegeben werden muss, um die gleich guten Produkte zu erhalten.

2. Könnte/müsste/sollte nicht auch hier der Staat einspringen? Der Staat kann eingreifen und dafür sorgen, dass beide Ziele realisiert werden: Dass WissenschafterInnen ihre Ideen zugunsten der Allgemeinheit möglichst sofort ins Internet stellen UND dass sie davon - oder auch aus staatlichen Gehältern - angemessen leben können. Denn für mich geht dieser (scheinbare) Widerspruch auf eine schon sehr alten Debatte, zurück, die durch die zunehmenden neoliberalen Tendenzen der letzten 25 Jahre weltweit wieder brandaktuell geworden ist, nämlich die Frage: Markt versus Staat. Ist es nicht eine primäre, überlebenswichtige Aufgaben eines Staates, die „Produktion“ von Wissenschaft zu unterstützen? Sollte er nicht – wenn er will, dass es weiterhin Wertschöpfung durch wissenschaftlichen Fortschritt gibt - prinzipiell auch dafür sorgen, dass der Beruf eines/einer WissenschafterIn auch halbwegs attraktiv bleibt bzw. wird? Praktisch formuliert, könnte das heißen: Angemessene Entlohnung von WissenschafterInnen wird als „Wirtschaftsförderung“ im staatlichen Budget verbucht.

Konkret könnte das also für den Ansatz 1, also die Selbstvermarktung, so aussehen:
a) WissenschafterInnen erhalten ein „angemessenes Entgelt“ pro Download-Vorgang (kommt wohl nur bei „namhafen“ AutorInnen in Frage), Administration über Verwertungsgesellschaften oder direkt (via Kreditkarten-Nummer der NutzerInnen). Dazu müssten die Verwertungsgesellschaften allerdings intensiv mit den Betreibern von Web-Plattformen/Online-Magazinen etc. kooperieren und auch die UrheberInnnrechts-Situation (möglicherweise) angepasst werden

oder:

b) Kein Entgelt beim Download, aber dafür gibt es Online-Portale, die den AutorInnen ähnlich wie der Verlag einer Zeitschrift ein Honorar bezahlen und sich selbst aus Werbung finanzieren. Der Haken an der Sache ist aber, dass zB im Tageszeitungsbereich, wo sich die Zeitungen zumindestens zu 50 % (wenn nicht sogar mehr) aus dem Anzeigengeschäft finanzieren, der „Umstieg“ auf Online-Zeitungen noch bei keiner Zeitung rentiert hat, und auch die Einführung von Gebühren für Online-Zeitungen noch ganz wenig verbreitet ist. Allerdings ist die urheberrechtliche Lage bei Zeitungsbeiträgen anders bei wissenschaftlichen Beiträgen.

Konkrete Lösungsmöglichkeiten für den Ansatz 2, also staatliche Intervention:
a) (möglichst) proportionale Honorierung ihrer Publikation vom jeweiligen Dienstgeber (meist Universitäten) – kommt aber für „frei schaffende“ WissenschafterInnen nicht in Frage
b) Wirtschaftlich erfolgreiche AutorInnen sollen aus ihren Urheberrechts-Einnahmen einen Solidarbeitrag an den wissenschaftlichen Nachwuchs stiften – dies ginge in der Praxis allerdings nur, wenn hier eine kollektive Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften die Regel wäre, was aber derzeit wohl eher nicht der Fall ist.
c) Analogie zum „Goethegroschen“: Tantiemen werden auch für die Nutzung (v. a. das Drucken) von wissenschaftlichen Werken bezahlt, bei denen das UrheberInnenrecht schon abgelaufen ist. Dieses Geld kommt in einen Solidaritätsfonds zugunsten des wissenschaftlichen Nachwuchses. Analog zur „Goethegroschen“ genannten Forderung im Literaturbereich würden auch hier mit ziemlicher Sicherheit die Mehrkosten für die LeserInnen sehr, sehr gering ausfallen, da sich Klassiker wie „The Wealth of Nations“ von Adam Smith und „On the Origin of Species“ von Charles Darwin wohl auch in den kommenden Jahrzehnten blendend verkaufen werden.
d) Analogie zur „Leerkassetten-Vergütung“: bzw. eine wie von Stallman vorgeschlagene „Software-Steuer“ auf Produkte, die nur NutzerInnen von „Wissenschaft im Internet“ benötigen, zB eine bestimmte Datenbank-Lese-Software – und dieses Geld soll nicht für die Software sein, sondern für die in der Datenbank enthaltenen wissenschaftlichen Artikel.


9. Conclusio

Zusammenfassend lässt sich für mich feststellen: Die „Open Access“-Philosophie bzw. die Publikation im Internet inklusive Verzicht auf Vergütung für das „geistige Eigentum“ ist für WissenschafterInnen nur dann akzeptabel bzw. sogar vorteilhaft, wenn:
• WissenschafterInnen genügend materiell abgesichert sind, sich einen Verzicht auf ihre Tantiemen überhaupt leisten zu können
• auch die Scientific Community dazu übergeht, Publikationen im Internet als gleichwertig wie jene in einer renommierten Fachzeitschrift anzusehen
• es auch zu Fachzeitschriften vergleichbare Qualitätsstandards gibt (zB Peer-Review etc.)
• es sonstige Anreize gibt, die WissenschafterInnen dazu bringen können, eher dem Medium Internet den Vorzug zu geben
• …

Für mich ist es auch prinzipiell wünschenswert, wenn möglichst viele wissenschaftliche Erkenntnisse sofort im Internet publiziert werden, ich verstehe aber, warum insbesondere junge WissenschafterInnen noch zurückhaltend bis skeptisch sind, das auch zu tun. Es müssten aktive Anreize von Seiten der Universitäten bzw. des Staates geben, dann wird sich hier etwas bewegen.

Auch die „Berliner Erklärung“ ist für mich vom Inhalt her begrüßenswert, sie ist allerdings derzeit nicht mehr als ein netter Versuch. Die tatsächlichen Anreize fehlen, es ist zu oft von Leute zu etwas „anhalten“, „ermutigen“, „Mittel und Wege finden“ etc. die Rede – es fehlen die konkreten Argumente, um tatsächlich auf diese neue Art des Publizierens umzusteigen.

Aber: Auch ich habe auch keine Geheimrezept, wie dieser „Wandel“ herbeigeführt werden könnte, sondern nur ein Vorschläge, aber vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn mehr Leute in diese Richtungen nachzudenken. Denn was dieser Diskussion fehlt, ist die Breite: Ich vermisse Stellungnahmen der VG Wort, der österreichischen Literar-Mechana oder von Bildungsministerin Gehrer zum Thema „Open Access“!

In diesem Sinne: Die Diskussion ist eröffnet …


ANHANG: Links und Quellenangaben

Verwendete Literatur:
Frein, Michael/Knirsch, Jürgen/Reichert, Tobias (2001): Die WTO-Ministerkonferenz in Doha. In: NORD-SÜD aktuell. Vierteljahreszeitschrift für Nord-Süd und Süd-Süd Entwicklungen. Jahrgang XV, Nr. 4/2001, S. 745 – 756

Zanger, Georg (2001?): Update für ihre Praxis plus Schwerpunkt Internet. Seminarunterlage, unveröffentlichtes Manuskript (© Zanger). Wien: Eigene Vervielfältigung des Autors.

LINKS:
a) zu „Open Access“, UrheberInnen-Recht & Verwertungsgesellschaften
• Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen: http://www.mpg.de/pdf/openaccess/BerlinDeclaration_dt.pdf
• Budapest Open Access Initiative: Frequently Asked Questions http://www.qualitative-research.net/fqs/boaifaq.htm#howpay
• HOFFMANN+LIEBENBERG, Gesellschaft für Informationsmanagement mbH http://www.hoffmannliebenberg.de
• Büro Mercedes Echerer, Brüssel http://www.mercedes-echerer.at/

b) zu Software-Patenten und „Open Source“
• Verein zur Förderung Freier Software (FFS) http://www.ffs.or.at/
• Association Electronique Libre http://wiki.ael.be/index.php/InfoStandVienna
• Eurolinux Petition (inkl. Beeindruckend langer UnterstützerInnen-Liste!): http://petition.eurolinux.org/

c) zum Thema Copyleft:
http://www.gnu.org/copyleft/copyleft.de.html
http://www.newscientist.com/hottopics/copyleft/copyleftart.jsp

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