Netzneutralität
Freitag, 27. Mai 2011
Privatsphäre ist tot! Lang lebe Privatsphäre - Ein Ausblick.
Der Einfluss neuer Medien, sozialer Netzwerke auf den Datenschutz und die Privatsphäre.
Wie lassen sich Datenschutz und Privatsphäre in Zeiten von facebook & Co. erhalten?

Soziale Medien, das Web 2.0, facebook, YouTube.

Kaum ein Tag vergeht, an dem man nicht mindestens einmal mit einem dieser Begriffe in Berührung kommt. Das Paradebeispiel facebook stellt das aktuell größte und vorallem beliebteste soziale Netzwerk der Welt dar - im Jahr 2011 sind dort über 600 Millionen BenutzerInnen registriert. Eine aktuelle Grafik (April 2011) zeigt die konkreten Ausmaße von facebook in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Infografik facebook 30.4.11

Die Grafik ist hier in Originalgröße verfügbar.

Daher ist facebook sehr gut geeignet, um die Problematik des Datenschutzes und des Begriffs der Privatsphäre im Zusammenhang mit den "neuen Medien" zu beleuchten. Einen satirischen und kritischen Blick auf facebook liefert der Videobeitrag der NDR-Sendung Extra3 vom 23.07.2010.

Das Video macht deutlich, dass das Problem des Datenschutzes sehr aktuell ist. Die Tendenz vieler BenutzerInnen geht dahin, (teils auch nur in Ausschnitten) direkt aus dem Leben zu posten. Es werden Beiträge über den Tagesablauf, das Liebesleben und die Arbeit oder Schule veröffentlicht. Diese Daten bieten natürlich ein enormes Potential, für oder eben auch gegen die AutorInnen verwendet zu werden. Klar wird in dem Video auch, dass die Datenschutzbestimmungen von facebook dahingehend ausgelegt sind, möglichst wenige Inhalte für möglichst wenige BenutzerInnen zur Verfügung zu stellen; das klare und auch so formulierte Anliegen ist es, im Idealfall alle Daten für alle BenutzerInnen verfügbar zu machen - können doch nur solch auffindbare Daten von Dritten rezipiert werden. In dieser Auslegung liegt jedoch auch das Hauptproblem: durch undurchsichtige und oftmals irreführende Datenschutzregeln ist es sehr schwierig, das eigene Profil und die darin enthaltenen Daten vor den Zugriffen Dritter zu schützen.

In der digitalen Zeit ist der Schutz der persönlichen Daten in sozialen Netzwerken ein Mammutprojekt für jeden einzelnen Benutzer und jede Benutzerin. Mangelnder Datenschutz bedeutet die gewollte oder ungewollte Veröffentlichung privater Daten im Internet. Daher ist die Frage "Bedeuten soziale Netzwerke das Ende der Privatsphäre?" durchaus berechtigt. Diese Frage behandelt Daniel J. Solove in seinem Beitrag im Sammelwerk "#public_life. Digitale Intimität, die Privatsphäre und das Netz". Er beschäftigt sich dabei anfangs mit den neuen Möglichkeiten unserer Alltagsrealität; Handys mit Kameras, Webcams, Recorder und diverse andere Technologien zur Aufzeichnung ermöglichen es jederzeit alles zu dokumentieren. So gewonnene Inhalte werden dann im Internet auf entsprechenden Plattformen wie beispielsweise YouTube oder facebook geshared - einer (Teil)Öffentlichkeit zugänglich gemacht, ganz ohne den Weg über die bis dato notwendig gewesenen Massenmedien. Während die Vergangenheit und die Erinnerungen der Eltern noch in Fotoalben und auf VHS-Videos gesammelt ist, werden die Fotos und Videos der Kinder auf YouTube und facebook für alle Zeit und im nicht privaten Raum gesichert. Doch trotz dieser Veränderung spielen Fotos und Videos sowie Informationen im Allgemeinen eine wichtige Rolle für das Image, also das Bild, das andere von uns haben. Der Verlust der Kontrolle über die Informationen und Bilder kann in Zukunft den eigenen Ruf und das öffentliche Ansehen in massiver Weise beeinflussen und ggf. schädigen.

Privatsphäre ist tot! Lang lebe Privatsphäre.

Scott McNealy (CEO von Sun Microsystems) findet:

"You have zero privacy anyway (...) get over it." Doch gibt es wirklich keine Privatsphäre mehr? McNealy stützt seine Aussage auf die Annahme, in einer Welt, in der Informationen frei fließen können, sei das bisherige und alte Verständnis von Privatsphäre nicht mehr durchsetzbar und zeitgemäß. Auch der facebook-Gründer Marc Zuckerberg hat sich mit seiner Aussage, Privatsphäre sei ein nicht mehr zeitgemäßes Konzept, wenig Freunde gemacht. Doch stimmt das in dieser Weise? Ist die Ära von geschützter Privatsphäre vorbei? Meiner Meinung nach stimmt dies so nicht. Zum Thema Datenschutz und Privatsphäre in sozialen Medien und der heutigen Zeit gibt es unterschiedlichste Standpunkte (vgl. Solove 2011: 41ff.). Einige (meiner Meinung nach mögliche) Gangarten und Anliegen der Benutzerinnen möchte ich nun vorstellen:

totale Verschwiegenheit
Dieser Ansatz besagt, dass in der vernetzten Gesellschaft nur dann Privatsphäre und Datenschutz aufrechterhalten und gewährleistet werden können, wenn wir uns sozialen Medien und deren Diensten völlig entziehen - sprich uns diesen Angeboten verweigern. Diesem Ansatz liegt die Idee zu Grunde, dass alle Informationen im Netz, sobald sie von BenutzerInnen außer den AutorInnen selbst einsehbar sind, geteilt werden (können). Somit ist der einzig mögliche Weg zur definitiven Datensicherheit und Privatsphäre das Übergehen sämtlicher sozialer Plattformen und vergleichbarer Angebote. Diese Theorie lässt sich jedoch in der Realität einer Online-Gesellschaft nicht umsetzen und trifft auf Unverständnis, sind sich doch die meisten OnlinerInnen bewusst, dass ihr Handeln im Netz Konsequenzen nach sich zieht und Spuren hinterläss (vgl. Solove 2011: 42ff.)

bewusste Kontrolle - die Frage der Zugänglichkeit
Ein weiterer Ansatz basiert auf der bewussten Kontrolle der eigenen Daten und somit der gezielten und gewollten Freigabe von Daten an den AutorInnen bekannte Menschen. Die "Generation Google" möchte auf die Verbreitung der eigenen Daten Einfluss nehmen und Kontrolle über diese haben. Dieses Anliegen wurde 2006, als facebook den "News Feed" einführte, erkennbar - knapp 700 000 Beschwerden trafen bei facebook über dieses neue Feature ein, dass alle FreundInnen über die eigenen Aktivitäten informierte. Dieses Feedback überraschte facebook und war teilweise nicht nachvollziehbar, waren doch mitunter die Profile der Protestierenden völlig frei einsehbar. Die Beschwerden gingen nicht ein, weil die Informationen frei auslesbaren waren - das waren sie zuvor auch gewesen; die Beschwerden gingen ein, da nun sämtliche, auch noch so minimale Änderungen des eigenen Profils, eine Information sämtlicher Freunde zur Folge hatte. Die Benutzer vertragen die Ansicht, dass Änderungen zu vor nur wenigen BesucherInnen aufgefallen wären. Der Schutz der Privatsphäre in diesem Zusammenhang beschäftigt sich also nicht mit der Geheimhaltung von Informationen, sondern mit der Frage der Zugänglichkeit dieser Informationen.

bewusste Kontrolle - eine Frage der Transparenz
2007 begann facebook, im Namen der Benutzer Werbung an deren Freunde zu senden. Dahinter standen zwei Anwendungen von facebook: Social Ads und Beacon. Der Ablauf war denkbar simpel: Benutzer A lobt den neuesten Kinofilm auf dessen Profilseite. Daraufhin wird in dessen Namen und mit dessen Bild der eben genannte Film an dessen Freunde versandt. Dies erfolgte nicht nur bei Filmen, sondern auch bei anderen Produkten. Da der Dienstanbieter (facebook) die Dienste ohne das Wissen der BenutzerInnen gestartet hatte, sammelten sich auch hier binnen weniger Tage zehntausende Beschwerden und zwangen facebook zum einlenken.
Dieses Beispiel zeigt klar, dass Datenschutz und Privatsphäre nicht immer mit Geheimhaltung zu tun hat, sondern auch mit der Transparenz der benutzten und angebotenen Dienste. Das wissentliche Posten auf der eigenen Pinnwand über ein Produkt ist das eine. Die Nutzung dieser mitgeteilten Vorliebe und Abneigung gegen ein Produkt durch Werbefirmen zu Werbezwecken, die den eigenen Freundeskreis benachrichtigen und teils belästigen ist etwas anderes.
Die BenutzerInnen haben also das Anliegen, vor Benutzung eines Dienstes über dessen Möglichkeiten der Datenentnahme und Weitergabe informiert zu werden.

Diese drei Ansätze zeigen klar, dass die Anliegen der BenutzerInnen durchaus in eine Richtung gehen, sich in ihrer Radikalität jedoch unterscheiden - vom vollständigen Verzicht über bewusste Kontrolle bis hin zum Wunsch nach Transparenz.

Fazit

Privatsphäre ist nicht tot - bei Weitem nicht. Lediglich das Verständnis, die Toleranz und die Anforderungen der BenutzerInnen haben sich - ähnlich wie die Medien, deren Rolle in unserem Alltag und der Grad deren Benutzung - geändert.
Einen Ausblick zu geben erscheint mir unmöglich. Die Prognose, der Schutz der persönlichen Daten auf sozialen Plattformen wie facebook würde in den kommenden Jahrzehnten weiter zurückgehen mag richtig, kann aber genauso gut falsch sein. Diese Angebote leben von den BenutzerInnen und deren Aktivitäten. Sollten die BenutzerInnen Änderungen der Datenschutzbestimmungen nicht akzeptieren oder ein anderes, besseres oder besser geschütztes Angebot auf dem Markt der sozialen Plattformen erscheinen, kann dies zur Abwanderung vom derzeitigen Marktführer facebook führen.
Ob dies jedoch je passieren wird, vermag ich nicht zu prognostizieren. Bis dahin kann man nur versuchen, seine Daten möglichst effektiv, umfassend und sinnvoll zu schützen und somit dem Missbrauch einen Riegel vorschieben. Wie das effektiv geht zeigt der schweizer SocialMedia-Experte Thomas Hutter in seinem Tutorial.

Abschließend lässt sich sagen: es gehören (wie bei jedem Streit) immer zwei dazu. Benutzer, die sich ohne vorherige Information in die Weiten des Internets begeben, werden nicht nur mit den Datenschutzproblematiken auf facebook in Konflikt kommen, sondern auch sonstige Spuren und Nachweise im Netz hinterlassen. Mangelnde Medienkompetenz sollte nicht dazu führen, Angebote zu verteufeln wie dies zum Teil in den "klassischen" Massenmedien der Fall ist. Vielmehr sollte versucht werden, die BenutzerInnen und potentiellen BenutzerInnen möglichst frühzeitig und effektiv auf die möglichen Problematiken hinzuweisen und somit deren Verhalten zu beeinflussen - immer mit dem Ziel die Medienkompetenz zu erhöhen damit diese mit den ständig stärker in den Alltag integrierten Medien agieren können.

 

 

Literaturverzeichnis:

Solove, Daniel J. (2011): Bedeuten soziale Netzwerke das Ende der Privatsphäre? In: Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.): #public_life. Digitale Intimität, die Privatsphäre und das Netz. Berlin: Verlang Heinrich-Böll-Stiftung, S. 41-47.
http://www.youtube.com/embed/vDZQd-zkxCY
http://allfacebook.de/zahlen_fakten/facebook-nutzerzahlen-2011
http://www.wired.com/politics/law/news/1999/01/17538
http://www.thomashutter.com/index.php/2010/05/facebook-der-ultimative-facebook-privatsphaere-leitfaden-30052010/
http://www.thomashutter.com/index.php/2011/05/facebook-infografik-und-demographische-daten-deutschland-osterreich-und-schweiz-per-april-2011/

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