Artikel: Gesellschaft und Web
eva.ecker.uni-linz, 17. April 2016, 22:20
Über die Jahre verändern sich mit dem Fortschritt der Technik unsere Gewohnheiten und Medienpräferenzen. Als in den 1960er Jahren immer mehr Haushalte ein Fernsehgerät erhielten, wurde das Fernsehprogramm höchst gespannt verfolgt, da das schwarz-weiß-Fernsehen eine Sensation war. Heutzutage verlagert sich viel Alltägliches auf das Internet. Wir sehen uns den Wetterbericht nicht mehr im Teletext an, sondern verwenden die Wetter-App unseres Smartphones. Mit solchen Veränderungen der Medienlandschaft beschäftigen sich WissenschaftlerInnen schon länger. Sie gehen der Frage nach, ob es neueren Medien gelingt, die bestehenden Medien zu verdrängen. Denn laut dem Journalist Wolfgang Riepl wurde befürchtet, dass ältere Medien ersetzt werden. Man war der Meinung, dass mit dem Aufkommen des Fernsehens das Kino abgelöst wird und dass das Internet Film und Kino verdrängen wird.
Das Riepl’sche Gesetz
Diese These wird als das Riepl’sche Gesetz bezeichnet. Das Gesetz wurde 1913 von Wolfgang Riepl entwickelt und ist seitdem in der Kommunikationswissenschaft nicht mehr wegzudenken.
Das Riepl‘sche Gesetz besagt, dass kein neues Medium ein älteres vollständig verdrängen wird, die länger existierenden Medien sollten sich jedoch den neuen Umständen und Entwicklungen anpassen und müssen sich dem neuen Medium unterordnen. In der Vergangenheit wurde die Grundaussage des Gesetzes schon oftmals bewiesen. Doch trifft die These auch heute noch zu? Kann das Riepl’sche Gesetz auch auf das Internet angewendet werden? Immerhin hat sich das World Wide Web von einem reinen Textmedium zu einem multimedialen Medium weiterentwickelt, das auch Informations- und Unterhaltungswert bietet und weist somit großes Verdrängungspotential auf.
In einem Spannungsfeld stehen die zunehmende Medienrezeption pro Tag und der Fakt, dass nicht allzu viel Zeit für die Nutzung bestimmter Medien aufgebracht werden soll. Die Frage, ob neue Medien die älteren verdrängen, kann nicht so einfach beantwortet werden.
Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, muss eine exakte Untersuchung der einzelnen Altersgruppen durchgeführt werden, da bezüglich des Alters gravierende Unterschiede festgestellt werden können. Eine besonders wichtige Rolle spielen die sogenannten „Digital Natives“. (Q1)
Die Digital Natives
Darunter versteht man Personen, die während der Entwicklung digitaler Innovationen aufgewachsen sind und somit schon in Kindheitstagen mit den neuen Technologien wie z.B. Internet, Mobiltelefone oder Computerspiele in Berührung kamen. In der Regel sind dies Personen, die nach 1980 geboren wurden. Die Routine im Umgang mit diesen Technologien ermöglicht es den Digital Natives leicht mit Veränderungen umzugehen. (Q2)
Die Mediennutzung
Prinzipiell nutzen 14 bis 29-Jährige das Internet viel häufiger als die Gesamtbevölkerung. Sie wenden für die Internetrezeption deutlich mehr Zeit auf als für die Nutzung klassischer Medien. Die beliebtesten Medien der Gesamtbevölkerung sind hingegen nach wie vor das Fernsehen und Radio. Das WWW hat in den letzten Jahren durch die Bereitstellung bislang unbekannter Inhalte wie Communities, Videos und Filme an Attraktivität zugenommen, weshalb die Gründe für die Internetnutzung angestiegen sind. Das Web wird heutzutage nicht mehr ausschließlich als Informationsmedium genutzt, sondern immer mehr zur Unterhaltung und Entspannung. Aus diesem Grund haben sich auch die Motive für die Rezeption der traditionellen Medien verändert. Sie haben leicht an Interesse verloren, während das Internet auch weiterhin einen Rezeptionsanstieg verbuchen kann. Diese Funktionsveränderung ist bei den Digital Natives eher feststellbar als bei der restlichen Bevölkerung. (Q1)
Überprüfung des Riepl’schen Gesetzes
Nun soll überprüft werden, ob Wolfgang Riepl 1913 mit der These richtig lag, dass neue Medien schon länger etablierte Medien nicht ersetzen werden.
PRO
Das Radio
Obwohl Film und Fernsehen erst nach dem Radio entwickelt wurden, existiert dieses nach wie vor auch heute noch. Dennoch musste sich das Radio an die neuen Gegebenheiten anpassen und steht mit den anderen Medien nicht zwingend in Konflikt, da es sich zu einem Begleitmedium entfaltete, das vorwiegend parallel genutzt wird. Meist läuft das Radio im Hintergrund während man anderen Tätigkeiten nachgeht. Die Beiträge wurden im Laufe der letzten Jahre reduziert und der Musikanteil wurde erhöht. Das Radio wird also in Bereichen eingesetzt, in denen andere Medien nicht genutzt werden können. Ein Beispiel ist das Autofahren: So wäre es zum Beispiel nur schwer möglich und auch nicht empfehlenswert, während einer Autofahrt fernzusehen oder im Internet zu surfen. Also wurde das Radio zwar von anderen, neueren Medien beeinflusst, aber keineswegs verdrängt bzw. gar ersetzt. (Q3)
Die Zeitschrift
Unseren Internet-Browser öffnen wir in der Regel aus einem bestimmten Grund: wir möchten zum Beispiel Informationen über ein neues Produkt recherchieren und gelangen über Suchmaschinen sofort auf die Website der ProduzentInnen. Doch eine Zeitschrift hat die Aufgabe, Interessen zu wecken, von denen die LeserInnen eventuell noch gar nicht ahnen, dass sie über ein bestimmtes Thema informiert werden möchten. Dadurch werden den RezipientInnen neue Impulse und Anregungen geliefert. WissenschaftlerInnen gehen davon aus, dass Zeitschriften weiterhin existieren und gefragt sein werden, da es die LeserInnen oft bevorzugen, die Themenauswahl nicht selber treffen zu müssen und die Informationen einfach serviert zu bekommen. Ein weiterer Vorteil der Zeitschrift ist, dass sie überall hin mitgenommen und gelesen werden kann: während der Zugfahrt am Weg zur Arbeit, im Wartezimmer des Arztes oder auch am Strand. (Q3)
Fotoalben, -bücher und Grußkarten
Obwohl die Digitalisierung weiterhin zunimmt, verlieren persönliche, materielle Geschenke wie Fotoalben, -bücher und Grußkarten nicht an Wert. Es ist auch heutzutage noch üblich, eine selbst geschriebene Karte für eine Hochzeit oder einen Geburtstag zu gestalten, E-Cards oder USB-Sticks mit Bildmaterial werden sehr selten zu solch besonderen Anlässen verschenkt. Die Qualität und Textur des Papiers sind in diesem Bereich nach wie vor unersetzlich. Das bestätigt auch eine Umfrage aus dem Jahr 2011: Laut Bitkom planten 78 % der Deutschen ihre Weihnachtsgrüße über Telefon auszurichten und 51 % wollten Briefe oder Postkarten versenden. Nur jeder Vierte (25 %) hatte die Absicht, E-Mails zu schreiben. (Q3)
CONTRA
Die Schallplatte
In der Musikbranche konnte das Riepl’sche Gesetz nicht immer bestätigt werden und einige Medien wurden somit von neueren technischen Innovationen verdrängt. Schallplatten werden beispielsweise hauptsächlich von leidenschaftlichen Sammlern gehört und auch die Nutzung von Kassetten hat drastisch abgenommen, da diese von CDs ersetzt wurden. Auch CDs werden heute nicht mehr so oft gekauft wie noch vor einigen Jahren. WissenschaftlicherInnen gehen davon aus, dass selbst CDs bald vom Markt verschwinden. Immerhin ist es viel praktischer, einen Song online herunterzuladen – auch wenn das keinen Kultstatus hat, wie es zum Beispiel bei Schallplatten der Fall ist. (Q3)
Die Zeitung
Das Zeitungswesen befindet sich momentan in einer Krise. Seit Jahren geht der Zeitungsverkauf drastisch zurück. Während 2001 täglich 28 Millionen Exemplare in Deutschland verkauft wurden, waren es zehn Jahre später nur noch 22 Millionen pro Tag. (Q3)
Der Grund dafür ist vermutlich, dass sich die Nachrichtenrezeption – wie bereits beschrieben vor allem bei den Digital Natives – immer mehr auf das Internet und das Fernsehen verlagert, immerhin steht ein Großteil des Inhalts auch kostenlos online zur Verfügung. Auch auf Social Media Plattformen wie Facebook und Twitter werden Nachrichten im Stunden-, wenn nicht sogar Minutentakt gepostet. Dadurch wird es den UserInnen ermöglicht, immer über tagesaktuelle Ereignisse informiert zu sein. Darüber hinaus existieren auch Apps der Tageszeitungen, die den Smartphone NutzerInnen kostenlos zum Download zur Verfügung stehen. Dabei muss aber erwähnt werden, dass die Artikel, die auf den Websites und Social Media Seiten der Tageszeitungen gepostet werden, nur sehr oberflächlich sind. Möchte man sich über ein Ereignis genauer informieren, muss man auf die Printausgabe einer Zeitung zurückgreifen.
Das handgeschriebene Buch
Das erste Beispiel, das gegen das Riepl’sche Gesetz spricht, findet man wenn man in das 15. Jahrhundert zurückblickt. Mit Johannes Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks wurden handgeschriebene Bücher ersetzt, da die Texte durch die Druckerpresse leichter zu produzieren waren. Das lässt sich auch auf das Internet anwenden: Online lassen sich Texte, Audiodateien und Videos viel einfacher reproduzieren und verbreiten. (Q4)
Fazit
Im vorigen Abschnitt wurden Beispiele aufgezeigt, die das Riepl’sche Gesetz belegen, jedoch wurden auch Argumente gefunden, die zeigen, dass die These nicht auf alle Medien zutrifft bzw. dass sich das Gesetz in der Vergangenheit nicht immer als korrekt herausgestellt hat. Zum Beispiel hat sich das Riepl’sche Gesetz in der Musikbranche nicht bestätigt, schließlich wurde die Schallplatte von der Kassette, die Kassette von der CD und zukünftig wird eventuell sogar die CD von MP3 ersetzt. Auch der Walkman wurde vom Discman, und der Discman vom MP3 Player bzw. Smartphone verdrängt.
Meiner Meinung nach wird die Printausgabe der Zeitung in den nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten nicht vollständig aussterben, jedoch wird der Fokus auf den Onlinejournalismus gelegt werden. Auch das Fernsehen wird vom Internet nicht ersetzt werden.
Dennoch dürfen die vielen Vorteile des Internets nicht außer Acht gelassen werden: Online stehen uns dank Suchmaschinen innerhalb weniger Sekunden unzählige Informationen zur Verfügung, wir können Nachrichten konsumieren, unsere Lieblingssongs hören und sogar Playlisten erstellen oder auch verpasste Serien innerhalb einer Woche kostenlos streamen. Das Internet bietet uns jede Menge Vorteile, immerhin verbindet es verschiedene Mediengattungen: Radio, Fernsehen und Video. Es werden immer neue Innovationen erfunden, aber die älteren Medien werden – bis auf einige wenige Ausnahmen – bestehen.
Dazu ein Schlusswort von Hans Jürgen Wulff: „Die Zeitung wurde durch das Radio nicht verdrängt, die Malerei nicht durch die Fotografie, das Theater nicht durch den Film, das Radio und die Zeitung nicht durch das Fernsehen. Es gibt zwar durchaus Beispiele für Medienab- und -auflösungen (wenn etwa die CD die klassische Schallplatte mehr oder weniger ersetzt hat oder wenn Video zunehmend durch DVD als Datenträger abgelöst wird); in den meisten Fällen handelt es sich aber um eine Ersetzung einer Träger-Technologie durch eine andere, bessere, nicht um einen Eingriff in die kommunikativen Formate.“ (Q5)
Quellen:
Q1: https://www.result.de/verdraengen-neue-medien-die-alten/ (abgerufen am 17.04.2016)
Q2: http://www.business-on.de/definition-native-digital-immigrant-jahrgaenge-_id37346.html (abgerufen am 17.04.2016)
Q3: https://www.mittwald.de/blog/allgemein/das-rieplsche-gesetz-der-medien (abgerufen am 17.04.2016)
Q4: http://blog.handelsblatt.com/indiskretion/2009/09/10/die-rieplsche-fata-morgana/ (abgerufen am 17.04.2016)
Q5: http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=4772 (abgerufen am 17.04.2016)
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