Der folgende Eintrag beschäftigt sich mit dem Thema Right to Communicate und bezieht sich zur Gänze auf den Artikel "Wenn Autoren und ihre Werke Kollaborateure werden - was ändert sich dann? Oder: Wenn Kommunikation ein Recht, gar ein Menschenrecht wird - was ändert sich dann?" von Rainer Kuhlen. Dieser Artikel kann hier herunter geladen werden.
Kollaboration und Kommunikation - nicht in kultur- kritischer, sondern in politischer Absicht
Kollaborative Netzwerke vermitteln offene Wissensstrukturen und sind dem öffentlichen Bereich (engl.: commons) zuzurechnen.
"Once enscondes within a network of electronic links, a document no longer exists by itself. It always exists in relation to other documents in a way that a book or printed document never does and never can." (Landow, George P., 1997)
Mit diesem Zitat möchte George P. Landow herausstreichen, dass Dokumente in kollaborativen Netzwerken nicht mehr als Dokumente an sich existieren, sondern nur mehr in Verbindung mit anderen Dokumenten. Das folgende Zitat unterstreicht diese Aussage.
"First, any document placed on any networked system that supports electronically linked materials potentially exists in collaboration with any and all other documents on that system; second, any document electronically linked to any other document collaborates with it." (Landow, George P., 1997)
Mit "Vernetzung" sind nicht nur Bezüge auf vergangene Texte gemeint sondern eben auch die reale Vernetzung mit anderen (aktuellen) Texten und Dokumenten. Doch wer besitzt nun die Rechte an solch einem vernetzten Text? Nun ja, das ist schwer zu sagen. Simanowsky (2004) prägt in diesem Zusammenhang den Begriff der "kollektiven Kreativität". Des Weiteren tauchen Begriffe wie collaborative writing sowie collaborative authorship auf. Dem zu Folge müssten die Rechte an solchen Texten gerecht auf die beteiligten Autoren verteilt werden. Dabei sollte noch erwähnt werden, dass ein grundlegender Wandel stattfand und zwar bezüglich des Umgangs mit Wissen, Information und Kommunikation. Kuhlen prägte in diesem Zusammenhang den Begriff der Telemediatisierung. Alle gesellschaftlichen Strukturen sind davon betroffen, denn Umgebungen, so genannte environments, haben großen Einfluss auf unser politisches, kulturelles, wirtschaftliches und soziales Leben. Durch die neue technisch-medialen Umgebungen entstehen neue Verhaltens- u. Umgangsformen, vor allem im kollaborativen Bereich. Hierbei müssen auch alte etablierte Strukturen, um deren Überleben zu sichern, in neue Umgebungen integriert werden.
Laut Kuhlen sind die neuen kollaborativen Verhaltens- u. Umgangsformen folgende:
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der Begriff der Autorenschaft, über den intellektuelle Werke bislang überwiegend individuell zugerechnet und geschützt werden
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die Verteilung/Publikation der Ergebnisse, Produkte der Wissenschaft, aber auch des weiterenKulturbereichs aus Kunst und Unterhaltung und damit für den weltweiten Zugriff auf die Ressourcen von Information und Kommunikation
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die Formen des Wissensmanagement in organisationellen Umgebungen
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das Lehren und Lernen, wenn zunehmend kollaboratives Arbeiten ermöglichende neue Lehr- und Lernformen zum Einsatz kommen
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die Rolle der Medien, die bislang weitgehend das Monopol für die Erstellung politischer Öffentlichkeit und des agenda setting haben
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die Entwicklung neuer partizipativer deliberativer Formen des politischen Systems
Kollaboratives Arbeiten und dessen Konsequenzen
Das Hauptaugenmerk der Kollaborateure lieg darauf, gemeinsam Wissen zu erzeugen und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Da ein kollaboratives Werk niemals abgeschlossen ist, sollte es auch niemandem gehören, sondern sollte als gemeinsames öffentliches Gut jedermann frei zur Verfügung stehen. Dabei können einzelne Textpassagen durchaus referenziert werden. Das derzeitige Rechtssystem befindet sich noch in alteingesessenen Strukturen, die dringend umstrukturiert werden sollten.
Der Begriff Free Software spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine wichtige Rolle, denn ohne die Zusammenarbeit von Kollaborateuren, könnte diese Software niemals frei angeboten werden. Hierzu ein Zitat:
"The freedom to run the program, for any purpose (freedom 0). The freedom to study how the program works, and adapt it to your needs (freedom 1). Access to the source code is a precondition for this. The freedom to redistdribute copies so you can help your neighbor(freedom 2). The freedom to improve the program, and release your improvements to the public, so that the whole community benefits (freedom 3). Access to the source code is a precontition for this." (Grassmuck, 2000)
Diese Zitat spiegelt die Freiheiten und Pflichten wieder, die man hat, wenn man Free Software verwendet. Nutzungsrechte auf Free Software können lizenziert werden (General Public License oderCreative-Commons-License). Bei Verwendung der Creative-Commons-Lizenz muss auf die Autoren im Text referenziert sein.
Bei Open-Access-Publikationen gilt, dass die Autoren bzw. deren Institutionen für die Publikationen bezahlen sollen, nicht aber die Nutzer für deren Nutzung.
Eines der besten Beispiele für ein kollaboratives Netzwerk stellt Wikipedia - Die freie Enzyklopädie dar. Freier Zugang für jedermann und Verfügbarkeit in vielen Sprachen, ermöglichen das Ansprechen einer breiten Masse. Zudem hat jeder Benutzer das Recht, Ergänzungen und Änderungen an den Dokumenten durchzuführen. Es besteht außerdem die Möglichkeit, auf andere zusammenhängende Dokumente, seien es nun Beiträge in Wikipedia oder andere, über so genannte link patterns zu verlinken.
Herausforderungen der Kollaboration
Die Kollaboration stellt hohe Anforderungen an die künstliche Intelligenz. Es muss ein gesundes Mittelmaß zwischen individuellen und kollaborativen Leistungen gefunden werden, damit die Leistungen des Einzelnen in der kollaborativen Leistung nicht untergehen.
Durch die Globalisierung spielt Kollaboration auch in der Wissenschaft eine große Rolle. Dazu ein Zitat:
"Allein zwischen 1980 und 1990 hat sich der Anteil internationaler Koautorenschaft an allen Publikationen, die mehr als einen Autor aufweisen, von 11% auf 20% fast verdoppelt. Gut dokumentiert ist in der Forschung auch die höhere Sichtbarkeit und Zitationswahrscheinlichkeit, die ein in internationaler Koautorenschaft entstandener Artikel bietet." (Stichweh)
Hierbei steht wieder die zentrale Nutzung des Wissens im Vordergrund die sich im Wandel der Zeit etabliert hat. Der hohe Vernetzungsgrad in den Dokumenten, und die unzähligen Autoren, machen eine sinnvolle Gesetzgebung bezüglich Urheberrecht unmöglich.
Bezüglich Wissensmanagement vollzieht sich der Wandel vom statischen zum dynamischen Paradigma. War einst sämtliches Wissen in Datenbanken usw. gespeichert und von dort aus jederzeit abrufbar, ist es heute, in einer dynamischen Umgebung, jederzeit ergänzbar und erweiterbar, durch jedermann. Kollaboration ist wesentlich Kommunikation. Ohne Kommunikation kann kein kollaboratives Werk entstehen. Für die Kommunikation unter den Autoren werden oft themenbezogenen Foren eingerichtet. Hier kann es allerdings auch geschehen, dass Personen unterschiedlichen Bildungsgrades aufeinander treffen, was nicht zwangsläufig ein Problem darstellen muss.
Kollaboratives Lernen kennt man z. B. von Gruppenarbeiten auf der Uni. Das kollaborative Werk spiegelt die Einzelleistungen wieder. In dieser Gruppe werden die Aufgaben normalerweise aufgeteilt. Jeder macht das, was er am besten kann, damit das bestmögliche Ergebnis erzielt werden kann.
Die globale Dimension des kommunikativen Paradigmas
Gibt es eigentlich ein right to communicate (r2c)? Ja, denn man kann Menschen nicht verbieten zu kommunizieren, weil das ja zwangsläufig in unserer Natur liegt. Kommunikationsfreiheit ist ein individuelles Recht. Das r2c ist als universal und fundamental anzusehen. Laut Kuhlen ist Kommunikationsfreiheit "das Recht eines Jeden, in einen freien Austausch von Wissen und Inforamtion eintreten und sich kollaborativ, teilend, unbeschränkt durch Autoritäten oder technische Restriktionen an der Produktion von neuem Wissen und neuer Information beteiligen zu können."
Die folgenden Argumente stammen von Gegnern des r2c:
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politisch: Gefahr von Zensur bzw. Medienkontrolle, Kodifizierung als Menschenrecht vermutlich nicht möglich
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medienbezogen: hohes Eigeninteresse der Medien- u. Presseverlage, Unsicherheiten über die kollektive aneignung der Kommunikationsrechte durch staatliche Institutionen, Missbrauchsmöglichkeiten der Zensur
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menschenrechtlich: r2c nicht explizit formuliert, Erweiterung bedeutet Kritik an den bestehenden Menschenrechten
Hierzu noch ein Auszug aus dem Art. 19 der UDHR:
"Everyone has the right to freedom of opinion and expresseion; this rihgt includes freedom to hold opinions without interference and to seek, receive and impart informaiton and ideas through any media and regardless of frontiers."
Was aber bedeutet nun r2c?
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Die Forderung nach r2c im medialen Umfeld bedeutet keineswegs eine Kampfansage an das bestehende mediale und politische und ökonomische System, lediglich die Kritik an deutlich erkennbaren Fehlentwicklungen im Mediensystem, wie Monopolisierung und starke Kommerzialisierung, Kritik an der Verselbständigung von politischer Herrschaft.
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r2c bedeutet weiter das Recht, alternative, nicht substitutive Formen der Bildung demokratischer deliberativer Öffentlichkeit auszuprobieren und an ihr aktiv im Austausch mit anderen teilzunehmen.
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r2c bedeutet, neuen, elektronischen Umgebungen angemessenen Geschäfts- und Organisationsmodellen für den Umgang mit Wissen und Information Freiraum zu geben, die auf den Prinzipien des Teilens, der Offenheit, der Inklusivität und der Nachhaltigkeit beruhen.
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Auch steht das r2c im direkten Zusammenhang mit der Open-access-Initiative, durch die offene Kommunikations- und Publikationsformen in der Souveränität der Wissenschaft entwickelt werden.
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Zuletzt ist r2c im Zusammenhang der Creative-commons-Lizenzierung zu sehen, durch die Autoren das Recht wieder (zurück)gegeben wird, über die Nutzung ihrer Wissensprodukte selber bestimmen zu können und wodurch Formen der reputativen Anerkennung (über die Pflicht der Referenzierung der Wissensobjekte auf den (die Autor/en) gegenüber der ökonomischen Anerkennung neues Gewicht gewinnen.
Mein Fazit
Das r2c sollte meiner Meinung nach von keiner Instanz kontrolliert werden. Es sollte jeder Mensch von seinem Kommunikationsrecht Gebrauch machen. Es ist eben nur schwierig, einen gemeinsamen Konsens für Publikationen im Intenet zu finden.
Ich finde die Idee der kollaborativen Netzwerke gut. So kann jeder, der möchte, sein Wissen einbringen. Der Nachteil ist nur, dass man keine Zusicherung für die Richtigkeit der Angaben hat, wie in Wikipedia zum Beispiel. Aber heute wird ja sogar Wikipedia schon als Zitierquelle akzeptiert, daher können die Informationen nicht so fadenscheinig sein.
weiterführende Links:
Paper zur WSIS Tagung: http://www.heise.de/newsticker/meldung/66264 (07-05-16).
Nord - Süd - Gefälle in der IT in Europa:
http://futurezone.orf.at/it/stories/117168/ (07-05-16).
Nord - Süd - Gefälle in der IT weltweit:
http://www.ada.gv.at/view.php3?f_id=2858&LNG=de&version=print&text (07-05-16).
Ralph, meine Antwort auf deinen Beitrag findest du
hier.
Die Kommunikationstechnologie ICTs (Informations- und Kommunikationstechnologien) bekommt immer mehr an Bedeutung. „Das Internet erlaube es, durch das (Mit-)Teilen von Information reicher zu werden […]“ (Emert 2005, online). Das bedeutet wiederum, dass „Wissen als zentrale Wirtschaftsressource des neuen Jahrhunderts gehandelt wird“ (Bundesministerium f. auswärtige Angelegenheiten 2003, online). Dabei wir betont, dass im Speziellen der Zugang zu ICTs eine wichtige Basis für die Zukunftschancen darstellt.
Fazit: Die wirtschaftliche und somit auch die politische Bedeutung der ICTs steigen. Das (right to communicate – r2c) steht somit im Spannungsfeld zwischen staatlicher Reglementierung und globaler Informationsflut. „Deshalb ist eine neue Souveränität der Kommunikation notwendig“ (vgl. Emert 2005, online).
Quellen:
Emert, M. (2005): WSIS: Das Recht zu kommunizieren statt des Rechts zu regieren.
Url: http://www.heise.de/newsticker/meldung/66264 (07-05-07) .
Bundesministerium für auswärtigen Angelegenheiten Österreich (2003): Wege aus dem „digitalen Nord-Süd-Gefälle“.
Url: http://www.ada.gv.at/view.php3?f_id=2858&LNG=de&version=print&text (07-05-19).
OK Ralph, jetzt versteh ich deine Argumentation. Meiner Meinung nach sollte Wissen als frei zugängliches Gut erhalten bleiben und nicht durch irgendwelche Zugriffsbeschränkungen begrenzt werden.
Interessante Artikel gibt es übrigens noch zu den Themen "Informations- und Kommunikationsrechte" und "Ausgleich und Balance über Exkurse - Zur Ethik-Debatte im Kontext des UNO-Weltgipfels Informationsgesellschaft".
Ergänzend zu deinem wirklich gelungenen Artikel, kannst du in meinem Weblog zum selben Thema mögliche Maßnahmen für einen freien Wissenszugang nachlesen.
Lg, Beate
Was Wikipedia betrifft geht meine Wahrnehmung allerdings eher in die Richtung dass es (was wissenschaftliche Arbeiten betrifft) nicht verwendet werden darf. Aber die Schwierigkeit herauszufinden, welche Quellen zitierfähig sind und welche nicht ist generell zu einem großen Problem geworden.
Grundsätzlich sollte es auch so sein dass das r2c nicht von einer Instanz kontrolliert werden darf, aber die Gefahr dass sich gefährliche Eliten bilden erfordert auch hier ein Abwägen. Sonst könnte Populisten mglw. damit schön in die Hände gespielt werden.
lg
Michael
siehe auch meinen Artikel unter
/0455921/stories/15813/
Da im vorhinein eigentlich klar ist, dass wenn man sich im Internet zum Beispiel an einem Artikel ím Wikipedia beteiligt, man den "Ruhm" für seine Arbeit teilen muss, habe ich die Diskussion um die Urheberrechte nicht ganz verstanden.
Eine andere Ausgangssituation ergibt sich nur dann für mich, wenn jemand anders mein Wissen im Internet stiehlt. Doch auch dies ist sehr schnell nachvollziehbar, da das Zitieren von Quellen heute zu einem absoluten Muss geworden ist.
Für mich hat sich nach dem Lesen des Textes u.a. die Frage gestellt inwieweit sogenannte "free software" existieren kann, bzw. wie dann kostenpflichtige Software noch überleben kann!