Second Life

Miriam.Weiherer.Uni-Sbg, 9. Januar 2008, 20:07

"Second Life wird so groß wie das Internet. Ich rechne mit mehr als 1,5 Milliarden Usern."



Diese Aussage traf Second Life-Schöpfer Philip Rosedale im Exclusiv-Interview mit VANITY FAIR.
Aber was ist eigentlich dieses Second Life?
Second Life, kurz SL genannt, ist eine Online-3D-Infrastruktur in der die User als Avatare ineragieren. Sie gestalten sich eine eigene virtuelle Welt, in der sie ein „wirkliches“ zweites Leben leben können. SL ist seit 2003 online verfügbar und hat inzwischen mehr als elf Millionen registrierte Benutzerkonten, über die rund um die Uhr bis zu 60.000 Nutzer gleichzeitig in das System eingeloggt sind.

Die starke gesellschaftliche Tendenz der Verlagerung von der realen in die virtuelle Welt sieht Rosedale als Fortschritt an: "Second Life ist der nächste Schritt in der Entwicklung der Menschheit. Das Leben wird virtuell."

Second Life ist jedoch nicht mehr nur ein Thema in der virtuellen Welt, sondern es ist auch in der echten Welt zum Wirtschaftsfaktor geworden. Die Avatare tätigen nun auch in ihrem zweiten Leben Investitionen.
P. Rosedale: "Derzeit beträgt das monatliche Handelsvolumen mehr als 20 Millionen Euro."

Und um dieses Potential auch zu nutzen, eröffnen immer mehr reale Firmen Dependancen in Second Life. Denn auch wenn die Grafik in SL noch nicht den gängigen Computerspielen das Wasser reichen kann, hat die Gründerzeit schon begonnen. Somit drängen immer mehr Geschäftemacher in die virtuelle Welt ein um ihre Leistungen, die Linden-Dollar (die Währung in SL) einbringen. Immerhin können diese dann in echtes Geld umgetauscht werden.

Vanity Fair ist hier als erstes reales Magazin zu nennen, das den Sprung in die virtuelle Welt wagt. Als Leseprobe ist das Magazin an zwei virtuellen Kiosken und an einer Reihe hoch frequentierter Plätze erhältlich, online können die User Auszüge aus dem echten Heft lesen.

Einen Schritt weiter geht da der japanische Autohersteller Toyota. Die PR-Kampagne für den neuen Scion vergaben sie nicht an eine der etablierten Agenturen, nein, sondern an ein Startup-Unternehmen in Second Life!

Die Firma Millions of US wurde damit beauftragt in SL die virtuelle Insel Scion City, mit Platz für Autohändler und einer Teststrecke, zu errichten. Dafür hat die Firma 13 Angestellte rund um die Bereiche Grafik/Text/Marketing zu einem Team zusammengestellt. Für das ganze Projekt benötigten diese 10 Wochen.

Die Preise für solche Projekte sind beachtlich. Für die erste Präsenz in SL muss man schon 75.000-100.000 Dollar zahlen. Um danach jedoch nicht in Vergessenheit zu geraten müssen immer wieder Events veranstaltet werden. 6 dieser Events kosten weitere 50.000 Dollar. Dazu kommen noch die Wartungsarbeiten für monatliche 10.000 Dollar.

Erst vor kurzem brachte SL die erste Millionärin hervor - Ailin Gräf. Als Anshe Chung kaufte sie 2004 erstmals Ländereien, baute Häuser darauf und verkaufte diese gewinnbringend wieder. Die erwirtschafteten Linden-Dollar machten sie zur realen Millionärin.



Jedoch bleibt die berechtigte Frage ob sich die Anlagen der Firmen in SL auch lohnen.
Hiermit sind wir auch bei den Kritikpunkten an Second Life angekommen.
Neben der Grafik, die sehr zu wünschen übrig lässt, können auch aus technischen Gründen nur 50 Avatare zum gleichen Zeitpunkt an einem Ort sein. Und 50 Menschen weltweit, das sind für Firmen, die in SL werben, nur Peanuts, wenn überhaupt. Auch wenn eine Sportfirma, die mit den Drei Streifen, damit prahlt schon 20.000 Schuhe in SL für die dort üblichen Linden Dollar verkauft zu haben, muss man bedenken, dass solch ein Schuh umgerechnet nur 18 Cent wert sind!
Um wirkliche Profite aus einer PR in SL ziehen zu können, musste man schon zu Beginn aktiv dabei sein. So brachte zB Axel Springer (Bild) eine eigene Boulevard-Zeitung namens "Avastar" heraus. Solchen Pionieren waren immerhin ein paar Schlagzeilen in Zeitungen gewiss. Irgendwann nahm jedoch auch das Interesse an dem „neuen“ Second Life ab, und somit auch an allen, die darin mitmischen.

In einer Umfrage mit 200 Second Life Usern wurde auch das Verhältnis von Avataren mit Firmen, die in SL vertreten sind, befragt.
72% sind von der Aktivität der Unternehmen in SL enttäuscht. Mehr als 60% kenne die Markenangebote erst gar nicht. Knapp die Hälfte halten die Aktivitäten nur für einen kurzweiligen Trend ohne ein dauerhaftes Engagement der Unternehmen. Und lediglich sieben Prozent der Befragten sehen einen positiven Einfluss auf das Image der Marken und ihr zukünftiges Kaufverhalten.
Außerdem werden gravierende Mängel bei der Betreuung von Second Life Usern moniert. Die Teilnehmer wünschen mehr Interaktion zwischen sich und den vertretenden Marken.
Auch wirken einige Markenstandorte in Second Life zeitweise wie ausgestorben und hinterlassen bei den Usern den Eindruck mangelnden Interesses anderer Avatare an den Leistungen der Unternehmen.

Der Hauptkritikpunkt liegt allerdings an der fehlenden Haftung des Systembetreibers für virtuelle Gegenstände und Geldmittel. Ginge SL pleite oder bei einem Serverabsturz könnten alle selbst erstellten Gestaltungselemente, teuer erworbene Gegenstände oder die erwirtschafteten Linden Dollar, die noch nicht in US-$ zurückgetauscht wurden, unwiederbringlich verloren sein.
Immer öfters sehen sich Avatare auch Betrügern ausgesetzt. Diese rauben mittels geschickter Programmierung komplette L$-Konten aus.

Nicht zuletzt steht auch die Planlosigkeit des Betreibers auf der Agenda zahlreicher Kritiker. Potente Geldgeber für die Weiterentwicklung von Second Life fanden sich erst 2003. Nichtsdestotrotz müssen die User auch heute noch mit häufigen Geschwindigkeitsproblemen, Funktionsausfällen und Abstürzen leben und sind de facto dazu gezwungen, den offiziellen Blog aufmerksam zu verfolgen, in dem der Betreiber jeweils sehr umfangreiche Informationen zu aktuellen Fehlern und deren Behebung gibt.

Ein weiterer negativer Punkt an Second Life ist, dass die Betreiber keinerlei Altersnachweise von den Benutzern fordern. Damit ist der Jugendschutz nicht gewährleistet was anhand der zahlreichen Erotik- und Pornographieangebote sehr denkwürdig ist. So hat zB eine 13jährige ihren Avatar als Prostituierte zur Verfügung gestellt und die erworbenen Linden Dollar in echtes Geld umgewandelt. Problematisch ist, dass die Server in den USA stehen und dort computergenerierte Grafiken im Gegensatz zur deutschen Rechtsprechung nicht als Pornografie gelten. Sado-Maso-Fantasien und extreme Hardcore-Pornografie sowie Gewaltverherrlichung sind in den virtuellen Bordellen an der Tagesordnung.

Rosedale sagt zwar, dass in fünf Jahren die Hälfte aller Menschen eine zweite Identität im Internet haben werden, das kann sein, aber wohl nicht bei Second Life.
Die Entzauberung der Innovation Second Life hat längst begonnen. Was die Kreation von Philip Rosedale allerdings eindrucksvoll demonstriert hat, war der Wunsch der Menschen, sich über den Computer und das Internet zu definieren.


Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Second_Life
http://www.presseportal.de/print.htx?nr=954770
http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/digitale/internet/412375
http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/digitale/internet/381076
http://www.sueddeutsche.de/computer/artikel/366/108258/
http://www.testticker.de/news/home_computing/news20070320013.aspx

3 comments :: Kommentieren

Ein bisschen zu allgemein...

Kathrin.Karsay.Uni-Sbg, 8. Januar 2008, 18:55

...ist dein Beitrag, meiner Meinung, gefasst. Ich finde schade, dass du über Second Life schreibst ohne einen kritischen Blick darauf zu werfen.
Mittlerweile ist der Hype um Second Life doch längst abgeklungen und die Kritik hat sich verschärft.

Hier ein Link
von der Onlineausgabe des Focus zu den Zehn Irrtürmern der virtuellen Welt.

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Miriam.Weiherer.Uni-Sbg, 9. Januar 2008, 18:45


Damit hast du natürlich Recht. Habe heute dann auch gleich weiterrecherchiert...

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Eine Gefahr oder ein Segen?

Wolfgang.Kerbe.Uni-Linz, 1. Februar 2008, 19:16

Wenn ich mir vergleichbare Online Communities wie World of Warcraft anschaue und die Zombies die da stunden-, tage- und wochenlang vor den Schirmen dahinvegetieren frage ich mich was der Segen dieser virtuellen Welten sein soll. Ein echter Apfel schmeckt mir besser als ein virtueller, von einem Kuss ganz zu schweigen. Sic transit gloria mundi...
In meinem Blog über tribe.net gibts noch mehr virtuelle Bezüge zur nicht virtuellen Welt.

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