Web der Zukunft Kopieren erlaubt? Ja, sicher! Creative Commons als Wegbereiter für unbekannte Künstler

robert.markus.uni-sbg, 27. Juni 2011, 03:25

Freiwillig auf bestimmte Rechte am eigenen Werk verzichten? Für viele mag das zunächst unglaublich klingen, aber dahinter verbirgt sich eine einzigartige Möglichkeit für Fotografen, Musiker und Zeichner. Die Rede ist vom Lizenzmodell Creative Commons, das den strengen Richtlinien des Urheberrechts eine offene Alternative gegenüberstellt. Warum es sich lohnt, dieses von Lawrence Lessig maßgeblich entwickelte Konzept genauer zu betrachten, möchte ich in diesem Statement anhand von zwei Beispielen zeigen. Dabei werde ich natürlich nicht nur in eine Richtung argumentieren, sondern ein umfassendes Bild skizzieren.



Creative Commons und das „Read Write”-Web



Das klassische Urheberrecht steht vor einem gewichtigen Problem. Im digitalen Zeitalter sieht es oft nicht nur sprichwörtlich alt aus, es kollidiert auch häufig mit dem neuen Netzverständnis, das vom stetigen Austausch, gemeinsamen Erstellen von Inhalten und  kreativen Umgang mit künstlerischen Werken geprägt ist. In First Monday spricht Peter Allen von einer „create and remix culture“ (ebd. 2008). Damit entfaltet das Social Web eine für ihn positive Eigenschaft, die in dieser Weise noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen wäre. Als Beispiel fügt er das Grey Album des Produzenten Danger Mouse an, der ein Lied des White Albums der Beatles mit einem Stück des Black Albums von Rapper Jay-Z zusammengemischt und 2004 ins Internet gestellt hatte. Innerhalb von vier Monaten wurde es bis zu 1,25 Millionen Mal über BitTorrent gedownloadet.

 

Auch heute gibt es viele Beispiele, in denen sich Nutzer auf der Basis von künstlerischen Werken kreativ ausleben oder ihre eigene Interpretation schaffen. So hat Coldmirror einige Harry Potter-Filme komplett neu synchronisiert, was sich auf Youtube großer Beliebtheit erfreut. Ryan Woodward nahm dagegen den Bleistift zur Hand und zeichnete ein eigenes Musikvideo zu World Spins Madly On von der Gruppe The Weepies, womit er fast die gleichen Besucherzahlen wie das Original erreicht. Auf zahlreichen sozialen Netzwerken und Foren verwenden User Avatare, die sie aus verschiedenen Bildern gebastelt haben - alles sehr kreative Ausdrucksformen des Social Webs, aber hier stößt das Urheberrecht an seine Grenzen. So kann die unerlaubte Verwendung von Figuren in Avataren teuer werden.

 

Dieser Interessenskonflikt hat zu heftigen Debatten und Grabenkämpfen geführt, in denen unter anderem die Musikindustrie der „create and remix“-Kultur massive Verletzungen des Urheberrechts vorwirft. Für Detlef Diederichsen durchaus nachvollziehbar, denn: „Lebte ihr Wirtschaftszweig bislang davon, Trägermedien für Musik zu verkaufen, sind diese nun bei Licht betrachtet überflüssig geworden“ (ebd. 2001: 16). Für die finanziellen Einbußen, die durch die digitale Verbreitung entstehen, macht die Musikindustrie die Mentalität des Social Webs direkt verantwortlich und beharrt, anstatt andere Lösungswege zu suchen, auf den bisherigen Status Quo (vgl. Allen 2008). Das resultiert dann auch in der vehementen Haltung von Dieter Gorny (Bundesverband Musikindustrie), der Alternativen wie Creative Commons für unsinnig hält (vgl. ZDF, Elektrischer Reporter). Stattdessen folgten Abmahnwellen oder Werbefilme gegen das Raubkopieren. Laut Peter Allen schürte das in den USA eher die Kritik an den betreffenden Industrien (vgl. ebd. 2008). Er zitiert Lawrence Lessig: „The U.S. Copyright law is often misused to maintain/increase the profit margins of established interests by stifling innovation and chilling dissent” (vgl. Lessig, 2004a, 2004b, 2005).

 

Schon bei dieser oberflächlichen Betrachtung wird klar, dass man als kreativer Kopf schnell in ein rechtliches Minenfeld gerät. Um das zu entschärfen, entwickelte der Rechtsprofessor Lawrence Lessig 2001 das Lizenzmodell Creative Commons (vgl. FAQ Creative Commons) als Alternative zu dem seiner Meinung nach zu strikten Urheberrecht. Es basiert auf dem Gedanken, dass Künstler die Verwendung ihrer Werke unter bestimmten Bedingungen pauschal erlauben können, das heißt, ein Lied darf beispielsweise getauscht oder als Teil einer anderen kreativen Idee verwenden werden, wenn der Name des Komponisten aufscheint. Eine Creative Commons-Lizenz lässt sich einfach aus verschiedenen Modulen bauen - wie das funktioniert, steht entweder direkt auf der Seite der Non-Profit-Organisation oder im Blogbeitrag von Hans Mittendorfer. Das mittlerweile zehn Jahre alte Konzept umschifft viele der oben skizzierten Probleme, weil der Künstler selbst festlegt, wie sein Werk genutzt werden kann, ohne dass er das Copyright verliert („some rights reserved“). Creative Commons findet mittlerweile auf zahlreichen sozialen Plattformen Anwendung, wie Flickr, deviantArt oder Jamendo (vgl. Ebber, u.a. 2007).

 

Quellenverzeichnis:


  • Allen, Peter (2008): Rip, mix, burn... Sue... Ad Infinitum: The effects of deterrence vs. voluntary cooperation on non-commercial online copyright infringing behavior. Online im Internet: http://firstmonday.org/htbin/cgiwrap/bin/ojs/index.php/fm/article/view/2073/2025 (Stand: 25.06.2011)
  • Detlef, Diederichsen (2001): Zukunftsmusik. In: Flender, Reinhard/Lampson, Elmar (Hg.): Copyright. Musik im Internet. Berlin: Kulturverlag Kadmos Berlin, 15-35.
  • Ebber, Nicole/Linde, Frank (2007): Creative Commons Lizenzen. Urheberrecht im digitalen Zeitalter. In: Wissensmanagement, Ausgabe 3/07. Seite 48-50
  • Lessig, Lawrence (2004a): Copyrighting the President. Does big media have a vested interest in protecting Bush? You betcha. In: Wired, volume 12, number 8. Online im Internet: http://www.wired.com/wired/archive/12.08/view.html?pg=5 (Stand: 25.06.2011)
  • Lessig, Lawrence (2004b): Some like it hot. In: Wired, volume 12, number 3.
  • Lessig, Lawrence (2005): They’re not worthy. In: Wired, volume 13, number 1. Online im Internet: http://www.wired.com/wired/archive/13.01/view.html?pg=5 (Stand: 25.06.2011)

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