Statement Semantic Web - das Internet wird klug

Fabian.Prochazka.Uni-Sbg, 16. Mai 2011, 09:34

Suchmaschinen regieren das Web. Nach dem Senden und Empfangen von e-Mails liegen Suchmaschinen auf dem zweiten Rang der meistgenutzen Onlineangebote (vgl. van Eimeren/Frees 2010: 340). Rund 83 Prozent der befragten deutschen Onlinenutzer ab 14 Jahren nutzen gemäß der ARD/ZDF-Onlinestudie Suchmaschinen mindestens einmal wöchentlich (vgl. ebd.). Allen voran Google mit seinen weltweit rund 80 Prozent Marktanteil (vgl. Spiegel Online 2009) wird damit zu einem "Gatekeeper" im Web, zur wesentlichen Entscheidungsinstanz, was im Web gefunden wird und was nicht. Wer im Web gefunden werden will, muss über eine Suchmaschine gefunden werden - am besten über Google. Die Aufnahme des Verbs "googlen" in den Duden belegt die Bedeutung der Suchmaschine im Alltag.

 

Suchmaschinenergebnisse oft nicht zufriedenstellend

Trotz dieser Marktmacht und trotz der beinahe schon obligatorischen Nutzung von Google sind die Suchergebnisse oft nicht zufriedenstellend. Wer heute Google eine einfache Frage stellt, erhält häufig keine Antwort, muss sich erst durch Unmengen an Ergebnissen klicken oder seine Suchanfrage mehrmals verändern um das gewünschte Ergebnis zu bekommen. Wer beispielsweise heute in Salzburg ein Geschäft sucht, um eine Sonnenbrille zu kaufen, gibt bei Google "Sonnenbrille kaufen Salzburg" ein. Mit dieser Suche erhält man eine Vielzahl an Ergebnissen, von denen einige aber völlig irrelevant sind - wie etwa der Foreneintrag eines Salzburgers, der sich für den Sport eine Sonnenbrille kaufen möchte und mit anderen Sportlern darüber diskutiert.

Das Problem an der heutigen Suchmaschinentechnologie ist, dass sie nur nach Schlagwörtern sucht, die Bedeutung der Wörter bzw. Sätze aber nicht kennt. Wer nach "Sonnenbrille kaufen Salzburg" sucht, findet Webseiten, in denen diese Wörter vorkommen - Google weiß aber nicht, dass ich in Salzburg bin und dort (am besten in meiner Nähe) eine Sonnenbrille kaufen will. Das Problem liegt also in der Semantik: Die Suchmaschine versteht die Bedeutung der Wörter (bzw. ihrer Kombination) nicht, sie kann nur nach den einzelnen Wörtern suchen und liefert daher Ergebnisse, die meinem Anliegen des Sonnenbrillenkaufs nicht entsprechen.

 

Die Lösung: Das Semantic Web

Dieses Problem ist bereits seit geraumer Zeit bekannt - so arbeitet etwa die Forschung an der künstlichen Intelligenz seit Jahrzehnten daran, Maschinen das Verstehen beizubringen (vgl. Tochtermann/Maurer 2006: 2). Im World Wide Web gibt es aber bereits eine Vorstellung davon, wie es funktionieren kann.

Die Idee ist simpel: Computer sollen die Bedeutung der Informationen im Web erkennen und entsprechend maschinell weiterverarbeiten können. Ein Computer soll also erkennen, ob es sich bei einem Suchergebnis z.B. um ein Bild oder einen Foreneintrag handelt, und welche Bedeutung das gefundene hat.

Das unten stehende Video erklärt die Idee hinter dem Semantic Web anschaulich:

 

Das Semantic Web ist also keine Neuentwicklung, sondern ein Zusatz zum World Wide Web, der auf die bestehenden Informationen im Netz "aufgesetzt" werden kann.

Doch wie funktioniert es konkret? Natürlich können wir Computern nicht das Verstehen beibringen, wie es ein Mensch kann. Im Semantic Web geht man daher einen Umweg: Mit Hilfe sogenannter Annotationssprachen (z.B. RDF oder OWL) werden Metadaten zu Daten hinzugefügt - also Daten über Daten. In diesen Metadaten sind Informationen enthalten, wie der Computer sie interpretieren soll, sie enthalten die Bedeutung der gefundenen Webseite oder eines anderen Dokuments oder einer anderen Datei. Damit weiß Google beispielsweise, was auf einem Bild abgebildet ist und kann die Bildsuche entsprechend nicht mehr nach dem Namen des Bildes, sondern nach den darauf enthaltenen Informationen ordnen. Die Grundidee dahinter ist also die der Verschlagwortung oder des Tagging, wie es bei anderen Suchanfragen bereits eingesetzt wird. So verwenden etwa Social Bookmarking-Dienste wie Delicious oder Mister Wong diese Technik. Bei diesen Diensten können Nutzer ihre favorisierten Bookmarks anlegen und sie mit Schlagworten anderen zugänglich machen - mit der Suchfunktion entsteht so eine Möglichkeit, Dinge zu suchen, die von anderen einem gewissen Thema zugeordnet werden. Das ist im Kern die Idee des Semantic Web.

 

Zukunft oder Gegenwart?

Das Semantic Web ist also keine Zukunftsmusik, sondern ist bereits da. Es gibt schon eine Fülle an Anwendungen, die sich das Semantic Web zunutze machen - seine Entwicklung schreitet gemeinsam mit der Entwicklung des World Wide Web voran, wie auch Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web und einer der Köpfe hinter der Idee des Semantic Web, in einem Interview erklärt:

 

Mögliche Anwendungen

Die Möglichkeiten des Semantic Web reichen allerdings weit über die Verbesserung der Suchmaschinen hinaus. Werden auf einer Webseite alle Informationen mit entsprechenden Metadaten versehen, um für Computer lesbar zu werden, so ermöglicht das auch dem Nutzer eine Vielzahl ein Vereinfachungen. Wäre z.B. eine Telefonnummer auf einer Webseite mittels semantischer Technologien als solche für den Browser erkennbar gemacht, könnte mit entsprechenden PlugIns der direkte Export in ein Adressbuch ermöglicht werden, oder ein Termin direkt in den Kalender exportiert werden. Diese Technik kann bereits ausprobiert werden, so ermöglicht etwa das Firefox-PlugIn Operator genau diese Dinge. Eine kurze Einführung in Operator findet sich hier. Für die eingehendere Beschäftigung mit dem Semantic Web sei das Semantic Web-Wiki empfohlen.

Das Semantic Web ist also keine Zukunftsmusik - es passiert bereits hier und jetzt, und viele semantische Technologien wie das Verschlagworten existieren bereits seit langem. Durch stetige Weiterentwicklung ergeben sich allerdings immer mehr Möglichkeiten, was das Semantic Web zu einer der Schlüsseltechnologien im Web macht.

Update 16.5.: Der Medienkonzern Hearst hat angekündigt, im Sommer Semantic Web-Technologie in seinem Newsroom einzuführen.

 

Literatur

Spiegel Online (2009): Suchmaschinenmarkt: Google zieht weiter davon. Online unter: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,619398,00.html

Tochtermann, Klaus/ Maurer, Hermann (2006): Semantic Web - Geschichte und Ausblick einer Vision. In: Pellegrini, Tassilo/ Blumauer, Andreas (Hg.): Semantic Web. Wege zur vernetzten Wissensgesellschaft. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 1-6.

Van Eimeren, Birgit/ Frees, Beate (2010): Fast 50 Millionen Deutsche online – Multimedia für alle? Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2010. In: Media Perspektiven 7-8/2010. Online unter: http://www.media-perspektiven.de/uploads/tx_mppublications/07-08-2010_Eimeren.pdf

Aller Verlinkungen wurden am 3.5.2011 überprüft.

1 comment :: Kommentieren

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philip.sinner.Uni-Sbg, 16. Mai 2011, 10:23

Unabhängig davon, dass der Beitrag flüssig zu lesen ist und eine Vielzahl an Informationen bietet, ist es besonders hervorzuheben, dass es hier gelungen ist, einen Aspekt des Web der Zukunfts aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive zu beleuchten!

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