Media? Social!

Partizipatives Lernen in und mit Social Media

Aktualisiert: 2012.01.31, 14:19 |  login | 
Sonntag, 21. Juni 2009

Im Rahmen von Aufgabe 7 möchte ich mich mit dem Spannungsverhältnis zwischen Information, Freiheit, Privatsphäre und Zensur im Netz auseinander setzen.

Hauptpunkte dabei werden sein: Twitter, die aktuellen Ereignisse im Iran sowie das Gesetz zur "Bekämpfung von Kinderpornographie" in Deutschland, das gerade in Rekordzeit durchs Parlament gebracht wurde.

Wie passt das alles zusammen?

Sich zu informieren ist ein Grundbedürfnis der Menschen, unerwünschte Informationen zu unterdrücken ist ein Grundbedürfnis von Diktaturen. Berichte über die Proteste nach den Präsidentschaftswahlen sind für die Mächtigen in Teheran unerwünschte Informationen. Kinderpornographische Inhalte sind für uns unerwünschte Inhalte. Deutschland ist keine Diktatur, dennoch sorgt ein Gesetz für Aufregung.

 

Die Lage im Iran ist verworren, die Blockade der Medien durch die Regierung fast komplett, das Mobilfunknetz nahezu abgeschaltet. Bilder und Nachrichten erreichen uns quasi nur mehr über das Internet. Und zwar über Wege, die dafür nicht geschaffen wurden. Social Networks, Emails, Youtube, Instant Messages und wieder einmal Twitter mit seinen schon berühmten 140 Zeichen. Diese Kommunikationswege sind für ein Regime am schwierigsten zu kontrollieren. Doch gerade darin liegt das Problem, wie auch Claus Kleber vom ZDF heute-Journal (21. Juni 2009; 21:45h) bestätigt. Gerade in ihrer Unkontrollierbarkeit liegt ihr Vorteil gegenüber den klassischen Medien, sie sind flexibler und anonymer aber auch kaum zu belegen. Die Videos, die den Westen erreichen sind zum Teil so grausam, dass sie nicht gesendet werden können. Es kann aber auch niemand zweifelsfrei sagen, ob diese Videos tatsächlich von den aktuellen Demonstrationen im Iran oder aus Archiven stammen oder auch manipuliert oder nachgestellt sind. Jedoch sind Nachrichten, die über Twitter verbreitet werden auch davon abhängig, dass die anderen Medien sie weiterverbreiten, dies kann und darf aber nicht geschehen, ohne die Authentizität zu überprüfen.

Ein weiterer Vorteil von Twitter im Kampf gegen die Zensur liegt in den verschiedenen Zugangswegen über PC, Internet und SMS; allein die Website zu sperren würde also nicht reichen.

Im Gespräch mit Johannes Boie von der Süddeutschen Zeitung weist der Computerprogrammierer David Golumbia darauf hin, dass er die Wirkung von Twitter für absolut überschätzt hält und inzwischen eher an eine große Werbekampagne für den Dienst denkt.

Das kleine Twitter Vögelchen trifft auf die Islamische Republik Iran.

(http://joehosting.com)

 

Dies alles zeigt aber auch eines: Immer neuen Kommunikationsmittel folgen immer neue Kontrollmethoden, ein seit Jahrhunderten gleiches Katz- und Mausspiel. Die Informationsvermittlung über Twitter und Social Networks zeigt aber auch zwei weitere Aspekte:Ohne die technologischen Mittel und die Vernetzung von internet, Computer und Handy wäre das System Twitter vor wenigen Jahren nicht möglich gewesen. Auf der anderen Seite ist aber auch ein gesellschaftlicher Aspekt relevant: Die Lust und Beteiligung der Menschen an (Social) Networks ist seit einiger Zeit im Aufwind, und zwar in allen Altersstufen vom SchuelerVZ für die Jüngsten bis zu der Tatsache, dass die Nutzerzahlen unter den usern 55+ stetig steigen. Dies ist die Voraussetzung für das Funktionieren solcher Netzwerke und ihre Funktion für die Weitergabe und Verbreitung von Nachrichten.

Präsidentshaftskandidat Mousavi bei Facebook

(www.wired.com)

 

Sowohl Lobo als auch Sixtus sind also beide nicht ganz fair gegenüber Twitter, aber mit dem notwendigen Hintergrundwissen sieht man durchaus die Stärken und Schwächen, mit einem Augenzwinker.



 

Und in welchem Zusammenhang steht das mit der Bundesrepublik Deutschland und dem Kampf gegen Kinderpornographie?

In Rekordzeit wurde das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen  auf den Weg gebracht: Am 22. April 2009 billigte das Kabinett den Gesetzesentwurf, am 18. Juni 2009 verabschiedete der Bundestag den Gesetzesentwurf in namentlicher Abstimmung. Dabei gab es 18 Enthaltungen, 128 Gegenstimmen und 389 Parlamentarier, die dem Gesetz ihre Stimme gaben. 

So dürfen nun in Deutschland erstmal ganz gezielt Internetseiten gesperrt werden, damit begibt man sich auf rechtlich sehr dünnes Eis und bedient sich ganz ähnlicher Mittel wie zum Beispiel das Regime in Teheran. Entsprechend groß ist auch der Widerstand und der Protest gegen die Gesetzesnovelle. Über 134000 Personen unterzeichneten eine Petition, durch die eine öffentliche Anhörung im Parlament erreicht werden soll. Der Text der Petition stellt sich eindeutig hinter den Kampf gegen Kinderpornographie aber gegen die Maßnahmen des Gesetzes. Regierung und Parlament reagierten darauf jedoch nicht.

Proteste in Berlin

(Axel Schmidt/ddp www.zeit.de)

 

Das Gesetz und seine Wirksamkeit wird von vielen Seiten kritisiert, aus verschiedenen Gründen. Unter anderem meldet auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages verfassungsrechtliche Bedenken an, da Zweifel über die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen bestehen und verschiedene Experten sprechen auch dem Bund die Gesetzgebungskompetenz in diesem Fall ab.

Am problematischsten erscheint mir jedoch, dass die Entscheidung ob eine Website mit einem Stoppschild versehen wird oder nicht, durch das Bundeskriminalamt entschieden werden soll, also einem Teil der Exekutive. Der Richtervorbehalt bleibt so außen vor und eine Aushebelung des Prinzips der Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative, wie sie Art. 20 des Grundgesetzes (Verfassung) vorsieht, ist offensichtlich.

Hier droht das ganze aus dem Ruder zu laufen, so wünscht sich Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Musikindustrie, eine Ausweitung der Sperrlisten auch auf die Bereiche geistiges Eigentum und Musiktaus und die CDU prüft laut Thomas Strobl MdB "ernsthaft" die Ausweitung des Gesetzes auf Killerspiele.

Kai Biermann von der Zeit legt seinen Lesern auch klar, dass es sich, wie das Gesetz übrigens selbst auch zugibt, nicht um ein Gesetz gegen Kinderpornographie oder die Bekämpfung derselben handelt, sondern um ein 'Mittel zur Erschwerung des Abrufs'. Weiters wird nur der Abruf über Websites erschwert, die weitaus wichtigeren Vertriebswege wie Tauschbörsen, Mobiltelefone, persönlicher Kontakt oder ähnliches bleiben unberührt.

Befasst man sich mit der Thematik genauer stellt sich unweigerlich die Frage: Was will dieses Gesetz erreichen und ist es auch nur Ansatz weise verhältnismäßig? Oder wird hier mit Hilfe des emotionalen Themas Kinderpornographie die Hintertür geöffnet zur Aufweichung der Grundrechte? Der Kampf gegen Produzenten, Konsumenten, Produzenten und alle anderen "Akteure" im Bereich der Kinderpornographie MUSS mit Nachdruck und aller Härte geführt werden! Aber handelt es sich bei diesem Gesetz lediglich um ein 'gesellschaftliches Signal' wie Kai Biermann vermutet, so läuft es ins Leere und echte Taten müssen Folgen, nicht die Schaffung von Zensur und Kontrollmöglichkeiten, die für Universitäten, Medien, Betroffene und alle anderen uneinsehbar sein sollen.

 

Zurück Nach Teheran: Und wie machen die das mit der Überwachung eigentlich? Ganz einfach mit Hilfe modernster Technik "made in Germany" und  aus Finnland, wie die Süddeutsche Zeitung am 23. Juni 2009 in ihrer Print-Ausgabe berichtet. Demnach gibt das deutsch-finnische Joint-Venture "Nokia Siemens Network" zu, "mehr als 90 ihrer 'Monitoring Center' und 'Intelligence Platform' -Systeme in 60 Länder verkauft" zu haben, unter anderem in den Iran. In der Islamischen Republik hat der Staat das Monopol auf alle Kommunikationswege und dank der technischen Ausstattung ist es möglich, unbemerkt für alle anderen Beteiligten, die transportierten Daten abzufangen, zu überprüfen und weiter zusenden, ohne ein verdächtiges "Knacksen in der Leitung". Know How, das auch westliche Geheimdienste wie der BND nach Ansicht der Autoren zu schätzen wissen.

Hauptquartier von Nokia Siemens Network in Finnland

(http://www.nokiasiemensnetworks.com/de/?languagecode=de)

 

Nach diesem Motto: Infotopia für alle!

Eine Powerpoint-Präsentation zu diesem Thema sowie ein sehr kurze Zusammenfassung ist in dem Beitrag Präsentation zu finden.

Praesentation Infotopia fuer alle

Präsentation - Infotopia für alle! 29. Juni 2009

 

Verweise und Kommentierungen bestehen bisher bei folgenden Beiträgen (jeweils ein Link zum Beitrag und einer zum Kommentar):

1. Privatsphäre in den ICT: Ich glaube dass, ...

2. Now Public und Co - Das Ende der Printmedien? : Zeitungssterben

3. Anmeldung bei Twitter:Zeigt das nicht gerade...

4. Twitter muss Wartungsarbeiten auf Bitten der USA verschieben: Titel und Text

5. Information vs. Mitteilungsdrang: Großartig!

6. Datensicherheit bei Social-Network-Seiten: Nokia Siemens Network

 

 

Quellen:

3sat neues (2009): Das gesperrte Internet? Das Netz als Forum für Demokratie. (23.06.09).

Balser, M./Leyendecker, H./Martin-Jung, H. (2009): Überwachung made in Germany. Teheran verfügt über ein ausgefeiltes System zur Kontrolle des gesamten Datenverkehrs - am Aufbau war auch Siemens beteiligt. In: Süddeutsche Zeitung, 65. Jg., Nr. 141, S. 8 (23.06.09).

Biermann, Kai (2009): Netzsperren bringen keinen vor Gericht. (23.06.09).

Bleich, Holger/Kossel, Alexander (2009): Verschleierungstaktik. Die Argumente für Kinderporno-Sperren laufen ins Leere. (23.06.09).

Deutscher Bundestag (2009): Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten. (23.06.09).

Heute-Online (2009): Gesetz gegen Kinderpornographie verabschiedet. (23.06.09).

Kleber, Claus (2009): ZDF heute Journal vom 21.06.09. (23.06.09).

Knüwer, Thomas (2009): Dammbruch im Internet. (23.06.09).

Kölner Stadt-Anzeiger (2009): Auch Killerspiele sperren. (23.06.09).

Wikipedia (2009): Sperrung von Webseiten in Deutschland. Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen (2009). (23.06.09).

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ausgezeichneter Beitrag

Also ich hab mir deinen Beitrag gestern und heute nochmal durchgelesen, und ich war so frei, mir sogar einen Teil deines Beitrags, ganz zu Beginn über das Grundbedürfnis der Menschen über Information für meinen Beitrag zu übernehmen, weil das irgendwie super gepasst hat :)

 

Bezüglich der Aufgabenstellung solltest du vielleicht dein Thema mit dem des Kollegen Sebastian Bauer über Information vs. Mitteilungsdrang verbinden, da das in diesem Fall ganz gut passen würde.

 

lg

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Guter Beitrag

der v.a. schön den Iran mit Deutschland verbindet, da das Thema eben auch bei uns zur Zeit sehr aktuell ist.

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Now Public und Co

Ich finde auch, dass dein  Beitrag sehr gelungen ist. Ich möchte mich in diesem Kommentar jetzt vor allem auf den ersten Teil deiner Ausführngen beziehen, in dem es um Infovermittlung über das Web geht; den Teil in dem du auch kurz auf die Situation im Iran eingehst. Wie die Überschrift dieses Kommentars schon verrät, habe ich mich in meinem Beitrag mit dem Dienst Now Public, einer "social-news site" beschäftigt. Now Public verbreitet auch Informationen über das Web, es ist ein Onlinenachrichtendienst. Solche Dienste hättest du noch gut in deinen Beitrag einbauen können, neben Twitter und Co, vor allem weil sie unmittelbar mit der Nachrichtenvermittlung zu tun haben, weil ja auch dafür gedacht sind. Inwieweit das aber im Iran kontrolliert wird, weiß ich nicht, aber wahrscheinlich genauer, als Dienste wie Twitter.

lg, Milena

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...und vor Österreich machen wir auch nicht halt!

Zum einen möchte ich im Zuge von Twitter kurz auf meinen Beitrag verweisen. Hier findest du u.a. ein Video zum Thema "Mitteilungsdrang auf Twitter".

Aber zu deinem Thema hab ich im Zuge der Killerspiel-Debatte in Deutschland noch was interessantes gefunden, was nun auch Österreich betrifft. Denn so mancher Onlineshop ist auch schon ins Visier deutscher Zensur gerückt:

Österreichischer Händler wehrt sich gegen Indizierung (Heise.de)

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Von wegen Zensur von Regimeseiten

Iran und China mögen zwar aus Sicht der politischen Ansicht differieren, im Umgang mit dem Internet und dessen Zensur dürften sie sich aber ganz gut verstehen.

Beide Regierungen nehmen deutlichen Einfluss auf das, was die Internetnutzer in ihren Ländern zu sehen bekommen.

In meinem Blog beschäftige ich mich mit der momentanen Situation im Reich der Mitte.

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