Ralph Wakolbinger - NIM Blog
Montag, 7. Mai 2007
das Recht zur Publikation?
Die Bloggergemeinde (W2) findet weltweit immer größeren Zuwachs. Aichinger (2007, S. 130) schätzt, dass sich die Anzahl der Weblogs weltweit alle sechs Monate verdoppelt. Der derzeitige Stand wird mit rund 60 Millionen Blogs weltweit beziffert. "Publiziert" wird dabei nahezu alles. Das Repertoire reicht vom Online-Tagebuch bis hin zur Musikplattform. „Die zentrale Veränderung besteht darin, dass man plötzlich über das Internet nicht mehr nur konsumieren, sondern nunmehr auch produzieren kann“ (Taga 2007, zit. n. Aichinger 2007, S. 130). Ermöglicht wird das durch die Web 2.0 Technologie.

Jede/r User/in dieser Plattformen ist somit befähigt ihre/seine Werke einem riesigen Publikum weltweit zur Verfügung zu stellen. So stellt sich das Bloggen auch nur als ein Akt der Meinungsfreiheit dar. Grenzen dieser Freiheit (in völliger Anonymität zu posten) sind bereits aufgezeigt worden. "Wer im Internet postet, kann sich nicht mehr länger unter dem Deckmantel seines Fantasienamens sicher fühlen: Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat in einem Fall [...] auf Offenlegung der Identität von Postern stattgegeben" (APA 2007, online). Ausgelöst wurde der Prozess durch einen Verlag, der sich durch entwürdigende Postings geschädigt fühlte.

In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union steht dazu im Artikel 11:

(1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.
(2) Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.

Die Richtigkeit dieses Grundrechts steht außer Zweifel. Kuhlen (2004, S. 16) führt aber dennoch an, dass alleinig dieser Standpunkt im Umgang mit Informationen (bzw. Wissen) nicht unproblematisch ist. Er sieht dabei die Gefahr von einer Oligopolstellung und somit einen eventuellen Missbrauch, großer Medien- und Informationskonzernen. Für den User (Konsumenten) liegt das größte Problem darin den Ursprung und somit die Glaubwürdigkeit der Informationen nicht mehr eindeutig bestimmen zu können. Es ist wohl auch nicht „das westliche, individualistische, eher schon atomistische Verständnis von individueller Autorenschaft und Informations- und Medienfreiheit die Garantie für die Entwicklung von gerechten, also inklusiven, fairen und nachhaltigen Gesellschaften“ (Kuhlen 2004, S. 17). Dem entgegenzutreten wäre es notwendig, offene Kommunikationsräume zu schaffen, in denen Kollaborationen einen neuen Umgang mit Informationen pflegen können. Kollaborateure erzeugen in ihren globalen Räumen Wissen (intrinsisch) um daraus anschließend Informationsprodukte zu machen. Kuhlen (2004, S. 4) führt dabei mögliche Verhaltens-/Umgangsformen in elektronischen Umgebungen an. Das beinhaltet überdies auch die individuelle Zurechenbarkeit und exklusiven Rechte an der Verwertung von Werken.

Yoshio Utsumi (2005, zit. n. Emert 2005, online), Präsitent der ITU , sieht das "right to communication" als eine ernsthafte Bedrohung für die Souveränität eines Staates. "Für das Zeitalter, das nicht mehr von den Industrien rund um Stahl und Öl dominiert werde, sei vielmehr eine neue Souveränität der Kommunikation notwendig: Wir müssen künftig das Recht zu kommunizieren verteidigen, nicht das Recht zu regieren " (Utsumi 2005, zit. n. Emert 2005, online). Im Zuge des zweiten Weltgipfels der Informationsgesellschaft WSIS (Tunesien, 2005) wurde dabei weiters auf eine Ungleichheit im Informatioszugang zwischen den westlichen Industriestaaten und Entwicklungsländern verwiesen. Für Kofi Annan ist die Informationsfreiheit eine der Grundbedingungen für die Implementierung einer weltweiten IT-Infrastruktur. Diese sei immer noch nicht ausnahmslos in allen UN - Staaten akzeptiert.

Auch in Staaten wo offiziell die Meinungsfreiheit gelebt wird (am Beispiel Deutschland) ist der heutige Um- und Zugang mit persönlichen Daten noch nicht zufriedenstellend geregelt.

Deshalb sieht dies Julia Seeliger, eine Spitzenpolitikerin der Grünen Deutschlands, etwas differenzierter. „Das Internet ist ein öffentlicher Raum“ (Seeliger 2007, zit. n. Roßmann 2007, online). Seeliger sieht dabei vorrangig das Problem der staatlichen Instrumentalisierung des Netzes. Frei nach dem Big Brother Szenario zeichnen staatliche Institutionen Daten auf und überwachen damit ihre BürgerInnen. Die Exekutive nimmt sich somit ein noch nicht klar legitimiertes „right to communicate“. Unbescholtene BürgerInnen würden so einer willkürlichen Dokumentation von Staatsseite ausgeliefert sein. Ist dies als ein fairer - symmetrischer Zugang im Sinne Kuhlens zu interpretieren?

Fazit: Ein "right to communicate" ist in seiner Dimension in einem weltweiten Kontext zu sehen. Die Auslegung des Begriffs der Meinungs- und Informationsfreiheit kommt dabei in einen Konflikt mit einem möglichen Missbrauch dieses Grundrechts. Die Schlussfolgerung daraus könnte darin bestehen neue Kommunikationsformen zu entwickeln, die auf einem internationalen Standard beruhen. Es gilt dabei ein Mittelding zu finden zwischen staatlicher Kontrolle und liberaler Publikationskultur.

Staatliche Institutionen haben meiner Ansicht nach eine Vorbildwirkung im Umgang mit Daten zu erfüllen.


Quellen:

Aichinger, A. (2007): Durchs wilde Bloggistan.
Url: http://www.knallgrau.at/press/clippings/files/businesspeople_corporateweblogs.pdf (07-05-07).

APA (2007): Konsumenten pushen Markt
für mobile Anwendungen. Web News: Anonymität nicht garantiert.
Url: http://www.apa.at/multimedia/ebc/downloads/ebc-newsletter2306.pdf (07-05-08).

Emert, M. (2005): WSIS: Das Recht zu kommunizieren statt des Rechts zu regieren.
Url: http://www.heise.de/newsticker/meldung/66264 (07-05-07) .

Kuhlen, R. (2004): Wenn Autoren und ihre Werke Kollaborateure werden – was ändert sich dann?
Url: http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/People/RK/Publikationen2004/20040706_autoren_kollaborateure.pdf (07-05-07).

Roßmann, R. (2007): In meinem Computer hat niemand etwas zu suchen.
Süddeutschen Zeitung vom 24.01.2007.
Url: http://www.sueddeutsche.de/computer/artikel/253/99154/ (07-05-07).

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Julia.Habich.Uni-Linz, Samstag, 19. Mai 2007, 11:08
Ein Nord-Süd-Gefälle hats eh schon immer gegeben und gibts nach wie vor in vielen Bereichen. Da bin ich nicht verwundert, dass dieses auch im IT Bereich zum Vorschein kommt . Und ob die Souveränität eines Staates mit dem "r2c" zu bewerkstelligen ist, sei einmal so dahingestellt. Bin mir da nämlich nicht so sicher. Womit genau begründest du diese Aussage?

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Ralph.Wakolbinger.Uni-Linz, Samstag, 19. Mai 2007, 15:26
Julia, ergänzend zu deinem Kommentar hier.

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Dimitri.Prandner.Uni-Linz, Samstag, 19. Mai 2007, 14:03
Vorbildwirkung in Österreich
"Ein "right to communicate" ist in seiner Dimension in einem weltweiten Kontext zu sehen." Ich glaube mit dieser Aussage hast du den Punkt perfekt getroffen. Es geht nicht darum was einzelne Staaten wollen, es geht mMn vielmehr darum das sich die User bewusst werden welche Rechte ihnen wichtig sind. Infomation und Veröffentlichung sind ein sehr zweischneidiges Schwert und der Mittelweg zwischen "Rechte des Einzelnen" und "Wohl der Gemeinschaft" ist sehr schmal.

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Julia.Habich.Uni-Linz, Montag, 21. Mai 2007, 21:10


Weiterführende Links zum Thema "Informationsgesellschaft und UNO" findet ihr in meinem Blog.



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Beate.Krautgartner.Uni-Linz, Dienstag, 22. Mai 2007, 16:31
In deinem Artikel war zu lesen, dass es zu einer staatlichen Instrumentalisierung des Netzes kommt, indem staatliche Institutionen Daten aufzeichnen und somit ihre Bürger überwachen. Unbescholtene BürgerInnen würden so einer willkürlichen Dokumentation von Staatsseite ausgeliefert sein.
Meiner Meinung nach ist diese staatliche Kontrolle legitim, besonders in der heutigen Zeit in der eine hohe Kriminalitätsrate verzeichnet werden kann. 1. Das Internet ist ein öffentlicher Raum, wo man damit einfach rechnen muss, dass andere Einsicht nehmen können. 2. Sind die Bürger unbescholten, dann müssten sie ohnehin nichts zu verbergen haben und keine Angst vor staatlichen Kontrollen haben?

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Ralph.Wakolbinger.Uni-Linz, Dienstag, 22. Mai 2007, 18:08
Ergänzend dazu:
Deine Argumentation habe ich in meinen Ausführungen nie bezweifelt. Es wurde nur der Standpunkt bzw. eine Konsequenz aufgezeigt.

Das heißt nicht, dass ich mich dadurch irgendeiner Meinung persönlich anschließe.

Viel zentraler sind für mich die Perspektiven, wie man einen solchen Konflikt bewältigen könnte.

links:

http://www.heise.de/newsticker/meldung/66264 (21-05-07)

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daniela.artner.Uni-Linz, Dienstag, 22. Mai 2007, 23:57
Überwachung des Informationsflußes im Internet
Ich kann mir gut vorstellen, dass eine Überwachung über den Informationsfluß im Internet mehr oder weniger schon existiert. Denn eine Überwachung per Satellit, Telefon oder ähnlichen technischen Hilfsmitteln wird im realen Leben bei Bedarf ja auch angewendet.

Vielleicht wird es ja in Zukunft eine Art "Internetpolizei" geben, die durch die Eingabe von Schlagwörtern Portale finden kann, die für andere Menschen von Schaden sein können.

Das Problem das ich darin sehe ist, wer beurteilt die Meinung von Menschen als "richtig" oder "falsch" ? Demnach es vor allem bei den Themen Politik und Religion immer wieder zu verschiedenen Stellungnahmen kommt, müsste es eine neutrale Institution geben, die das Internet "überwachen" würde, was leider unmöglich ist, da der Mensch nun mal von Natur aus subjektiv handelt!

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