Dienstag, 22. Oktober 2013
Aufgabe 3 - Virtuelle Identität
Wie sieht es mit der Verbindung zw. Individuen in der Realität und ihren virtuellen Avataren aus? Unterscheiden sich diese beiden Formen der Identität oder sind sie sich ähnlich? Wie positionieren Individuen ihr "virtuelles Ich"? Diese Fragen werden im Artikel "Consumers in Virtual Worlds: Identity Building and Consuming Experience in Second Life." von Parmentier, G.; Rolland, S. (2009) behandelt.

Ich habe mich für diesen Artikel entschieden, da hier nicht davon ausgegangen wird, dass das "Ich" bzw. die eigene Identität unveränderlich ist. Es wird nicht diskutiert infwiefern es von Vor- oder Nachteil ist eine Transparenz zw. virtueller und realer Identität zu haben, sondern inwiefern wir selbst gezielt Einfluss auf diese Transparenz in virtuellen Welten nehmen. Die Autoren beschäftigen sich mit der Annahme, dass gerade die Identität von einer Person wandelbar ist und gezielt Strategien eingesetzt werden, um Transparenz zw. virtueller Identität und Realität zu beeinflussen. Besonders in virtuellen Welten, wie sie am Beispiel von Second Life zeigen, kann die eigene Identität gezielt verändert werden.

Zu Beginn gehen die Autoren darauf ein, dass bis 2018 rund eine Billion Avatare in verschiedenen virtuellen Welten wie z.B. Habbo Hotel, Cyworld oder Second Life leben. Da Avatare auch konsumieren können, versuchen viele Unternehmen mit ihren Marketingaktivitäten hier Fuß zu fassen und diese Zielgruppe zu bearbeiten. Die Schwierigkeit für Unternehmen liegt jedoch darin, Konsumentenprofile aufzustellen. Gerade weil Individuen Avatare kreieren, die sich von ihren realen Identitäten unterscheiden und im virtuellen Raum mit anderen Identitäten experimentieren wollen, ist es schwer diese Personen einzuschätzen. Ziel der Autoren ist es aufzuzeigen, welche Strategien der Positionierung des virtuellen Ichs gewählt werden.

Laut Autoren ist Identität schwer zu definieren und umso schwerer verstehbar, wenn auch virtuelle Welten ins Spiel kommen. Mit folgenden Definitionen der Identität wird auch versucht daraufhinzuweisen, dass Identität einem Wandel unterworfen ist:

  • Laut Lèvi-Strauss (1979):
    "identity a kind of virtual home which we must refer back to in order to explain a certain number of things, but which has never existed in reality."
  • Soziale Identität & Individuelle Identität: Identität wird als Kombination von persönlichen und sozialen Charakteristiken gesehen. "Soziale Identität" ergibt sich aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe und "Individuelle Identität" aus persönlichen Attributen.
  • Mead (1963): Identität als dynamischer Prozess.
  • Laut Autoren unterliegen Individuen permanenten Entscheidungen, welche Rollen mit unterschiedlichen Identitäten sie einnehmen. Im Zusammenhang mit der Identitätsbildung spielt besonders in der heutigen Zeit auch die Konsumption eine Rolle. Für viele führt die Konsumption ebenfalls zur Erweiterung der Identität. Denn Konsumenten wollen heute mit dem Konsum nicht nur ihre Bedürfnisse erfüllen, sondern ihre Identität erweitern. Besonders auch in sog. MUD (Multi User Dungeons), wie am Beispiel von Second Life, zeigen die Autoren mittels Studie, dass die User hier eine Möglichkeit sehen mit ihrer Identität zu experimentieren. 4 Strategien zur Positionierung ihrer Identität wurden entdeckt:

    Duplication - Teilnehmern an sog. MUD kreieren einen Avatar, der ihrer realen Identität sehr ähnlich ist. Sie versuchen sich selbst so gut wie möglich in die virtuelle Welt zu kopieren und ihre Identität zu duplizieren.

    Improvement - Hier werden Avatare erzeugt, die eine Verbesserung des realen Ichs darstellen. Die virtuelle Identität ähnelt zwar der realen Identität, jedoch kommen neue verbesserte Eigenschaften hinzu.

    Transformation - Hier wird versucht bestimmte Eigentschaften, die einem an sich selbst stören ins Gegenteil umzukehren. Die Person versucht zwar so gut es geht er/sie selbst zu bleiben jedoch z.B. die Eigenschaft der Schüchternheit ins Gegenteil umzukehren.

    Metamorphosis - Avatare sollen hier gentutzt werden um einen alternative Identität zu erzeugen, die sich vom realen Ich unterscheidet. Es wird versucht eine Rolle zu spielen.

    Laut Studie stellt sich heraus, dass manche User versuchen ihre Identität zu verstärken und andere hingegen versuchen eine neue Identität zu kreieren. Es zeigt sich auch, dass je nach angestrebter Identität in der virtuellen Welt versucht wird unterschiedliche Bedürfnisse zu befriedigen. Manche wollen Beziehungen weiterentwickeln und etwas Erschaffen während andere Gruppen (Improvements, Transformation) hingegen, Wert auf Konsum in der virtuellen Welt legen. Die Autoren zeigen also, dass Teilnehmer an virtuellen Welten Identitäspositionierungsstrategien aus dem realen Leben verwenden, um sich hier zu positionieren. Manche User verwenden virtuelle Welten um ihre Identität zu verstärken und andere hingegen um neue Identitäten entstehen zu lassen.

    ---------------------
    Quellen:

    Parmentier, G.; Rolland, S. (2009). Consumers in Virtual Worlds: Identity Building and Consuming Experience in Second Life. Recherche et Applications en Marketing. Vol. 24, No. 3./2009.

    Levi-Strauss C. (1979). Resume des cours et travaux (1978-1979), Annuaire du College de France, 407-415.

    Mead G.H. (1963), L´esprit, le soi et la societe. Paris, PUF.