Transparenz und virtuelle Identitaet Thema 1 - Markttransparenz: Auswirkungen höherer Markttransparenz auf den Wettbewerb im Tankstellenmarkt
manuel.reischl.uni-linz, 13. Oktober 2015, 19:44
Zusammenfassung des Artikels:
Ausganssituation:
Die deutsche Bundesregierung hat am 8. November 2012 die Einführung einer Markttransparenzstelle für Kraftstoffe beschlossen, nachdem zahlreiche Beschwerden über nicht nachvollziehbare Preissetzungen und Oligopolmacht der großen Kraftstoffvertriebsunternehmen bei ihr eingingen. Diese wurde im Herbst/Winter des Jahres 2013 vom Bundeskartellamt eingerichtet. Die Markttransparenzstelle stellt den Autofahrern über Verbraucherinformationsdienste per Internet, Smartphone oder Navigationsgeräte aktuelle Kraftstoffpreise der einzelnen Tankstellen zur Verfügung. Dadurch erhoffte man sich durch die höhere Transparenz niedrigere Preise an den Tankstellen.
Ob dies tatsächlich der Fall war bzw. wie sich die höhere Transparenz tatsächlich auf die Preissetzung von Tankstellen auswirkte, wurde in einem Projekt, in dem 558 Tankstellen im Bereich Mannheim untersucht wurden, analysiert.
Die Analyse fokussiert sich dabei auf die sehr kurzfristige Preissetzung der Kraftstoffvertriebsunternehmen in Abhängigkeit zur Informiertheit der Kunden über die Preise an verschiedenen Tankstellen. Für die Analyse wurden die Preise der 558 Tankstellen laut der Informationsplattform tankentanken.de für den Zeitraum vom 10.6. – 13.6.2014 und 18.6. – 23.6.2014 im Minutentank analysiert.
Der Grad der Informiertheit wird anhand des Anteils der Wohnbevölkerung zwischen 18 und 35 Jahren definiert. Dabei wird unterstellt, dass jüngere Menschen durch den besseren Zugang zu Smartphones und Internet eine höhere Nutzung der Markttransparenzplattform und somit eine höhere Informiertheit aufweisen. Diese Annahme wird von einer Untersuchung des Bundeskartellamtes bestätigt.
Grundlage der Studie:
Als Grundlage der Analyse dient das Analysemodell von Stahl, in dem Eigenschaften der Preise sowie die Preise selbst durch den Grad der Kundeninformiertheit erklärt werden.
Dabei wird davon ausgegangen, dass aufgrund hoher Suchkosten uninformierte Kunden ohne Suchprozess bei einer beliebigen Tankstelle tanken (unabhängig von Preisunterschieden) während informierte Kunden bei der Billigsten tanken. Die Unternehmen optimieren zwischen der Ausbeutung uninformierter Kunden mittels hoher Preise (Hochpreisstrategie) und dem Zugewinn informierter Kunden mittels niedriger Preise (Niedrigpreisstrategie).
Stahl nimmt an, dass die Preise bei zunehmender Informiertheit aufgrund des Wettbewerbs um informierte Kunden beständig sinken.
Die Varianz der Preise hingegen sollte innerhalb eines lokalen Tankstellenmarktes bei sehr hoher und sehr niedriger Informiertheit gering sein: Hohe Informiertheit signalisiert eine Situation des vollkommenen Wettbewerbs, die sich durch eine geringe Variabilität in den Preisen auszeichnet. Geringe Informiertheit führt zu einer monopolistischen Konkurrenzsituation, in der die Preise ebenfalls wenig schwanken. In Märkten mit mittlerer Informiertheit müsste die Varianz größer sein, da sich diese zwischen den Situationen vollkommener Wettbewerb und Monopol befinden. Das heißt, dass die Varianz einen umgekehrt U-Förmigen Verlauf nimmt.
Anzumerken ist, dass die Preissetzung der Tankstellenbetreiber nicht nur vom Grad der Informiertheit der Kunden beeinflusst wird, sondern auch stark von Strukturmerkmalen wie Kaufkraft, Mieten und Anzahl der Konkurrenten der einzelnen Tankstelle und des jeweiligen lokalen Marktes abhängt.
Ergebnisse der Analyse:
In den Tagstunden zeigen die Ergebnisse im Hinblick auf die Varianz die erwartete Tendenz – Hohe Varianz bei mittlerer Informiertheit, geringer Varianz bei niedriger und hoher Informiertheit (Umgekehrte U-Form).
Im Hinblick auf das Preisniveau gibt es allerdings Zeiträume, z.B. im Berufsverkehr, in denen sich die Preise nicht wie vermutet verhalten. Dort ist das Preisniveau bei mittlerer Informiertheit niedriger, bei geringer und hoher Informiertheit allerdings hoch (U-Form), obwohl Stahl davon ausging das das Preisniveau mit der Informiertheit der Kunden beständig sinkt.
Dies hat vor allem den Grund, dass Tagsüber, also bei höherer Nachfrage, mit Preissenkungen eher geringere Marktanteile gewonnen werden können, da Unternehmen schneller auf Preisänderungen der Konkurrenz reagieren und weil (informierte) Kunden die billigste Tankstelle aufsuchen. Dadurch werden Abweichanreize (also Anreize zur Preissenkung) für Tankstellen minimiert und es entsteht der hohe Preis bei hoher Informiertheit (Kartellähnliches Verhalten). Bei geringerer Nachfrage (z.B. Nachts) können Unternehmen mit Preissenkungen hingegen vergleichsweise höhere Marktanteile gewinnen.
Es besteht also die Möglichkeit, dass am Tag die höhere Informiertheit den Kunden keinen Nutzen stiftet. Nachts hingegen sinkt die Standardabweichung kontinuierlich mit steigendem Informiertheitsgrad. Hier liefert die höhere Markttransparenz ab einem bestimmten Grad an Informiertheit den gewünschten Effekt der günstigeren Preise.
In folgender Grafik ist schön zu sehen, dass die Preise in Mannheim und Darmstadt (mittlere Informiertheit) niedriger sind als in Alzey, Mosbach, Ludwigshafen (niedrige Informiertheit) und Heidelberg (hohe Informiertheit).
Bezug zum Thema/Kritik/Persönliche Meinung
Ich habe mich für dieses Thema entschieden, da es grundsätzlich jeden Autofahrer betrifft und sich wohl schon jeder einmal über hohe Spritkosten geärgert hat. Ich finde es sehr interessant, wie sich die erhöhte Markttransparenz auf die Preise an den Tankstellen auswirkt. Auch zum seit einigen Monaten vergleichsweise niedrigen Preisniveau auf den Tankstellen trägt laut einem Artikel des Tagespiegels (http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/spritkosten-benzinpreis-sinkt-zum-ferienbeginn/12104370.html) die Markttransparenzsstelle bei. „Ein ohnehin schon transparenter Markt ist damit noch transparenter geworden“, was die Konkurrenz noch einmal erhöhe, heißt es darin.
Ich denke der Unterschied zu anderen Produkten, wo die erhöhte Markttransparenz durch das Internet sicher ebenfalls Auswirkungen auf den Preis hat, ist, dass sich das „Produkt“, also der Sprit von Tankstelle zu Tankstelle nicht unterscheidet. Das heißt man kann hier nur bedingt, wie beispielsweise bei anderen Produkten, einen hohen Preis mit einer besseren Produktqualität argumentieren. Daher ist der Preis hier ein sehr starker Treiber für den Kauf und eine Differenzierung zu anderen Tankstellen ist fast nur über „Zusatzprodukte“ (z.B. Waschanlage, Tankstellenshop, …) möglich. Daher hat es mich etwas verwundert, dass der Preis bei hoher Informiertheit nicht wie erwartet niedriger, sondern sogar höher wird.
Auf der anderen Seite muss ich gestehen, dass ich auch selbst nicht immer bei der billigsten Tankstelle tanke, da dies oft auch gar nicht möglich ist, bzw. teuer wäre 10 km mehr Weg zurückzulegen um zu einer billigeren Tankstelle zu gelangen, als bei der etwas teureren zu tanken. Ich finde daher, dass bei Tankstellen der Standort das entscheidende Verkaufsargument ist. Ein guter Standort kann durchaus auch mit höheren Preisen genug Kunden locken.
Da ich aus dem Bezirk Rohrbach stamme, staune ich immer wieder über die teils großen Preisunterschiede zwischen Linz und Rohrbach, wo der Sprit um einiges teurer ist. Nach dem Lesen dieses Artikels habe ich daher versucht die Ursache darin eventuell in der Informiertheit zu suchen. Der Grad der Informiertheit wurde ja im zitierten Artikel am Anteil der Bevölkerung zwischen 18 und 35 Jahren festgelegt. In Linz sind 29,7 % zwischen 20 und 39, in Rohrbach liegt der Anteil bei 25,5 % (Zwischen 20 und 39, weil keine Werte für genau 18 – 35 gefunden wurden). Linz liegt damit ca. auf dem Niveau wie im Artikel Mannheim (29 %) und Darmstadt (31 %), welche somit eine mittlere Informiertheit und niedrige Spritpreise aufweisen. Rohrbach hingegen liegt ca. auf dem Niveau von Ludwigshafen (26 %), welches eine niedrige Informiertheit und somit höhere Preise aufweist. Das heißt der Grund für die höheren Preise in Rohrbach könnte durchaus mit dem Grad der Informiertheit zusammenhängen. Allerdings denke ich, wie auch im Artikel erwähnt wird, dass noch andere Merkmale zur Preissetzung beitragen und dies nicht ausschließlich auf die Informiertheit zurückzuführen ist, da die Preisunterschiede schon länger bestehen. Im Bezirk Rohrbach ist die Tankstellendichte und somit die Konkurrenzsituation sicher weitaus geringer, was ein weiterer Grund für die höheren Preise sein könnte.
Ähnlich wie auch Herr Küchen im Artikel des Tagesspiegels sehe auch ich in Zukunft einen starken Trend zu Elektro- oder zumindest Hybridautos. Ist diese Technologie erst einmal vollständig ausgereift und leistbar, sehe ich keinen Grund mehr der für Spritbetriebene Autos spricht.
Quelle:
Schober, Dominik; Woll, Oliver (2014) : Analyse abgestimmten Verhaltens
in Tankstellenmärkten: Auswirkungen höherer Markttransparenz auf den Wettbewerb, ZEW
policy brief, No. 2/2014
http://hdl.handle.net/10419/108752
Feedback
michael.kaufmann.uni-linz, 15. Oktober 2015, 15:20
Hallo Manuel!
Dein Beitrag zum Thema Marktransparenz im Tankstellenmarkt hat mir sehr gut gefallen, auch das Beispiel von Herrn Prof. Dr. Höller zu der Tankstellensituation in Schärding zeigt, wie transparent dieser Markt ist. Gut für den Konsumenten, im Fall Schärding auch für die Anbieter, da die deutschen Autofahrer dann auch in Schärding tanken.
Allgemein würde ich aber eher für einen Vorteil der Konsumenten sprechen.
doris.beneder.uni-linz, 15. Oktober 2015, 18:14
Ich habe deinen Artikel sehr spannend gefunden, da die Markttransparenz im Tankstellenbereich sehr deutlich sichtbar wurde. Weiters war es für mich interessant zu erfahren, wann Preissenkungen Sinn machen und wann nicht und wie die Marktanteile von Tankstellen zu welcher Tageszeit gesteigert werden können. Das Thema Tanken betrifft mich auch sehr, da ich derzeit sehr viel pendeln muss und ich froh darüber bin, dass es den Spritpreisrechner im Internet gibt, wo man gezielt die günstigste Tankstelle suchen kann. Ich persönlich tanke immer bei Diskonttankstellen, da ich hier das Gefühl habe, dass ich immer zu einem günstigen Preis tanke.
Anbei findest du meinen Blog der dich auch interessieren könnte.
rainer.kroisamer.uni-linz, 15. Oktober 2015, 22:57
Der Spritpreisrechner ist insofern ein gutes Beispiel als dass man erkennt wie eine höhere Markttransparenz für den Konsumenten zustande kommen kann wenn keine rein kommerziellen Interessen von Unternehmen dahinter stehen.
Ganz anders ist beispielsweise die Situation auf durchblicker.at, wo nur Versicherungen gelistet und deren Angebote angezeigt werden, die mit der Plattform ein Übereinkommen getroffen haben.
In meinem Beitrag habe ich über E-Commerce als Treiber von Markttransparenz berichtet. Ist E-Commerce deiner Meinung nach für eine Steigerung der Markttransparenz verantwortlich?