Transparenz und virtuelle Identitaet Thema 2 - Transparenter Konsument: Big Data - Freund oder Feind der digitalen Werbung?

manuel.reischl.uni-linz, 29. Oktober 2015, 08:26

Quelle: Gian, Fulgoni (2013): Big data: Friend or Foe of Digital Advertising? Five Ways Marketers should Use Digital Big Data to Their Advantage, Journal of Advertising Research, Dec 2013, Vol 53 Issue 4, p372 – 376

 

Zusammenfassung des Artikels:

In den letzten Jahren wurde viel über die steigende Bedeutung von „Big Data“ geschrieben. Big Data existiert aber in Wirklichkeit schon seit Jahrzenten. Schon vor 25 Jahren haben die ersten UPC Point-of-sale Scanner das Marketing im Bereich der Verbrauchsgüterindustrie (CPG – Consumer Packaged Goods) vollkommen verändert. 

Heute kann der Konsument mithilfe von Echzeitdaten sofort den billigsten Preis für ein Produkt herausfinden, für Werbetreibende hingegen ergeben sich große Möglichkeiten die Werbung zu optimieren. Werbetreibende sollten allerdings aus der Geschichte lernen und Big Data richtig nutzen um auch langfristig Vorteile für Ihre Marke zu generieren.

 

Blick in die Vergangenheit – Wie Big Data die Märkte verändert hat:

1980 war der Hauptgrund für Supermarktketten um UPC Scanner einzuführen nicht das generieren von Daten, sondern die Kosteneinsparungen die sich damit ergeben würden, da die Tausenden von Artikeln nicht mehr einzeln mit einem Preisschild versehen werden mussten. Erst nachdem die Scanner installiert waren, wurde der Wert der durch die durch den Scanner generierten Daten entstand, realisiert. Auch heute wird Big Data noch oft als Nebenprodukt des Gebrauchs eines Computers zur Lösung eines bestimmten Problems definiert.

 

Auswirkungen auf die kurzfristige Marketingstrategie:

Vor dem Aufkommen der Scanner mussten sich die Werbetreibenden auf die manuell ermittelten zweimonatlichen Zahlen der Filialen verlassen, welche erst 6 Wochen nach der jeweiligen Zweimonatsperiode erschienen. Diese Daten sahen dann in etwa so aus: 

Zweimonatsstatistik ohne Scanner

 

Auf einen Schlag hatten Einzelhändler und Produzenten nun mithilfe der Scanner Zugang zu wöchentlichen oder sogar täglichen Scanner-Daten. Diese Daten zeigten nun erstmals die Auswirkungen von kurzfristigen Marketing-Aktivitäten wie etwa mit Zeitungsanzeigen unterstützte Preisreduktionen. Zeigten die zweimonatlichen manuellen Daten noch sehr beständige und ausgeglichene Zahlen, wurde durch die neu generierten Daten schnell klar, welch große Auswirkungen die Marketingaktionen auf den Verkauf hatten.

 

Statistik mit Scannern

Diese Daten konnten nun von den Einzelhändlern genutzt werden um von den Produzenten höhere Förderungen zu fordern, welche diese, in der Hoffnung auf höhere Verkaufszahlen, schließlich auch gewährten und ihre Ausgaben um ganze 40 Milliarden erhöhten.

 

Absatzförderungen der Produzenten

Die neu gewonnenen Daten führten schließlich zu einem fundamentalen Wandel in der Marketingwelt der Verbrauchsgüter, weg von Werbung und hin zu Preisreduktionen - Heute gibt der durchschnittliche Produzent ganze 67 Prozent seines Marketing-Budgets für Absatzförderung und weitere 10 % für Direktwerbung (z.B. Coupons) aus, nur mehr 23 % werden in Markenbildung investiert. Diese Absatzförderungen der Produzenten führen immer wieder zu kurzfristigen Preisreduktionen bei den Einzelhändlern, mit der Gefahr das Kunden darauf trainiert werden immer nur das billigste Angebot zu kaufen, was sich langfristig schlecht auf den Markenwert auswirkt.

 

Big Data in der digitalen Welt: Eine Bedrohung für den Markenwert

Über die letzten Jahrzehnte hinweg sind mit dem Wachstum des Internets Unmengen von digitalen Daten entstanden. Diese für Konsumenten, Einzelhändler und Werbetreibende zugänglichen Daten sind aber ein zweischneidiges Schwert, da sie die Gefahr mit sich bringen, den langfristigen Markenwert von  Marken zu gefährden, weil durch diese in Echtzeit verfügbaren Daten eine auf kurzfristigen Erfolg ausgelegte Denkweise entsteht. Viele Unternehmen sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Hier sind 5 Vorschläge um dies zu vermeiden und die positiven Aspekte der digitalen Datenmengen nutzen zu können:

 

1.       Vermeide das Rennen um Preisführerschaft:

Durch das Internet haben die Konsumenten weitgehenden Einblick auf die Preise aller Marktteilnehmer, womit eine gewisse Markttransparenz entsteht. Viele gehen sogar so weit zu sagen, dass die Macht über die Preissetzung mittlerweile bei den Konsumenten liegt. Dies bedeutet für die Einzelhändler unheimlichen Preisdruck, was zu immer geringeren Preisen und damit verbunden auch geringeren Margen führt. Daher ist es für Werbetreibende unerlässlich, ein klares Alleinstellungsmerkmal für die eigenen Marke zu kreieren um sich vom Mitbewerb zu differenzieren um höhere Preise rechtfertigen zu können.

 

2.       Nicht nur auf Klicks optimieren

Früher glaubte man Klicks könnten als Indikator für die Effektivität von Online-Werbung verwendet werden. Dies stimmt zwar für Suchmaschinenmarketing, allerdings nicht für Display-Advertising, wo die Klickraten viel niedriger sind. Allerdings zeigten Studien, das Display-Werbung, auch ohne Klicks, Websitebesuche, Suchanfragen und Online als auch Offline Verkäufe erhöhen kann. Somit kann bei Display-Werbung nicht nur auf Klicks optimiert werden, wie es aber von vielen Werbetreibenden gemacht wird.

 

3.       Cookie-Einschränkungen verstehen

Cookies generieren große Mengen an Kundendaten und erlauben digitale Werbung viel effektiver nachzuverfolgen als es noch bei traditioneller Werbung möglich war. 

Allerdings darf man nicht vergessen, dass Cookies von vielen Usern oft mehrmals pro Monat gelöscht werden, womit nicht 100%ig gesagt werden kann wie viele sogenannte Ad Impressions an einen Computer ausgeliefert wurden.

Außerdem ist es schwer mit Cookies demografische Daten von einzelnen Usern zu generieren, da viele Computer von mehreren Usern bedient werden.

 

4.       Keine potenziellen Kunden aufgrund von Over-Targetting ignorieren

Online-Händler wie Amazon und eBay versuchen mit Re-Targetting die Online Werbung genau auf die Bedürfnisse von Kunden zuzuschneidern, was auch zu höheren Verkäufen führt. Allerdings sollte das Targetting nicht zu exzessiv betrieben werden (Hyper-Targetting), da man damit die zufälligen Treffer, welche man bei breiterer Werbung durchaus erzielt, verliert. Werbetreibende sollten viel mehr versuchen eine gute Mischung aus Targetting und Werbung mit breiterer Reichweite zu finden.

  

5.       Aufteilung sorgfältig wählen

Obwohl es mittlerweile viele digitale Daten gibt, ist es für Werbetreibende schwer zu sagen, welche Aktivitäten zu welchen Ergebnissen geführt haben. Ein Grund dafür ist die sogenannte „last-click-attribution“. Das bedeutet, dass oft z.B. der AdWords-Anzeige die letztlich zum Kauf geführt hat, dieser zugeschrieben wird. In Wirklichkeit kann es aber sein, das ohne eine zuvor geschaltete Display-Werbung der Kunde niemals nach genau diesem Suchbegriff gesucht hätte. Das heißt um eine erfolgreiche Digital-Marketing-Kampagne zu gestalten braucht es sowohl Werbeformen zur Markenbildung als auch solche die schlussendlich zum Kaufabschluss führen. 

In Zukunft wird man noch effektivere Messmethoden entwickeln um den Erfolg von verschiedenen Digital-Marketing-Werbebemühungen zu messen. Werbetreibende müssen indes versuchen, ihre Marketingkampagnen nicht nur auf ihre besten Kunden zu „überoptimieren“ und auf andere Kunden zu vergessen, da ein langfristiger Markenwert auf einer breiten Basis von Kunden aufbaut.

 

Bezug zum Thema/Kritik/Persönliche Meinung

Ich habe den Artikel gewählt, weil mich der Titel sehr neugierig gemacht hat. Wie sollten Kundendaten, die von den meisten Unternehmen heute als pures Gold gesehen werden, der „Feind“ sein. Der Artikel hat mir dies aber eindrücklich vor Augen geführt.

Er behandelt das Thema digitale Kundendaten bzw. Big Data aus der Sicht der Werbetreibenden, was nicht alltäglich ist. Oft fokussieren sich solche Artikel auf den Kunden und die Auswirkungen die dessen Transparenz für ihn hat – ein weiterer Aspekt warum ich diesen Artikel interessant fand. Eine genaue Abgrenzung bzw. Zuteilung zum Thema „transparenter Konsument“ ist nicht möglich, da auch das Thema des letzten Termins, Markttransparenz, eine gewisse Rolle im Artikel spielt (Macht der Kunden bei der Preissetzung durch Preistransparenz).

Geht man heute durch die Supermarktregale, wimmelt es nur so von Angeboten, Dauertiefpreisen und sonstigen Rabatten. In grellen Farben werden sie angepriesen und auch die Werbeprospekte der Supermarktketten sind voll damit. Es scheint, als wurden wir wirklich, wie im Artikel erwähnt, darauf „hintrainiert“ immer auf der Suche nach den besten Schnäppchen zu sein. Dies führt zu einem beinharten Preiskampf in den Supermarktregalen, wo die Margen für die Hersteller schon gegen null gehen. Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, das Kundendaten, sogenannte „Big Data“, für Unternehmen auf lange Sicht nicht unbedingt nur positive Auswirkungen haben müssen. Vielmehr müssen die Daten richtig analysiert werden und die langfristigen Unternehmensziele dürfen dabei nicht aus den Augen verloren werden um den Markenwert nicht zu ruinieren.

Dem Thema gläserner Konsument/gläserner Kunde generell stehe ich eher skeptisch und mit einem unguten Bauchgefühl gegenüber. Immer und überall werden unsere Daten erhoben. Lädt man z.B. eine App herunter, benötigt diese Zugriff auf unzählige Bereiche unseres Smartphones, welche rein gar nichts mit der App zu tun haben. Die Datenschutzerklärungen sind dabei natürlich so lange, dass kein Mensch sie wirklich liest – ein kluger Schachzug der Unternehmen. Allerdings hat man keine andere Wahl, als Zugriff zu unseren Daten zu gewähren, will man an gewissen Netzwerken teilnehmen oder gewisse Applikationen nutzen. Will man sicher gehen das in der digitalen Welt keine Daten über einen selbst gesammelt werden, ist wohl der einzige Ausweg keine digitalen Geräte wie Smartphones und Laptops zu verwenden, was wiederum dazu führt das man in vielen Lebensbereichen ziemlich isoliert leben muss. Uns bleibt also darauf zu hoffen, dass unsere Daten nicht zu unserem Nachteil genutzt werden…

2 comments :: Kommentieren

irene.loeffler.uni-linz, 28. Oktober 2015, 10:46

Der Artikel ist, wie du bereits ansprichst, dahingehend interessant, da das Thema von einer völlig anderen Seite betrachtet wird. Zu dem Thema Preis in Punkt 1: ich würde nicht davon ausgehen, dass die Preise für die Konsumenten transparenter wurden bzw. die Macht bei der Preissetzung beim Kunden liegt. Natürlich ermöglichen uns Preissuchmaschinen das Auflisten von Preisen unterschiedlicher Anbieter, die gegensätzliche Seite der Preisdiskriminierung hingegen verschleiert den Prozess der Preissetzung. Ich denke, dass das Internet schon seine Vorteile für den Kunden mit sich bringt, die Unternehmen jedoch mindestens genauso daran profitieren. Die gesamten Prozesse der Personalisierung, sei es Werbung, Preissetzung etc. ermöglichen den Unternehmen Neukundengewinnung und Profitmaximierung - und alles basiert auf den Daten der Nutzer.

 

Anmerkung: Darüber hinaus sprichst du die Rabatte an. Hast du im stationären Handel schon mal hinter die Rabattschilder gekuckt? --> ist ganz witzig zu beobachten - dahinter verbirgt sich oftmals derselbe Preis!

 

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Big Data != Falsche Entscheidungen

michael.goldbeck.uni-linz, 29. Oktober 2015, 08:40

Hallo Manuel,

ein unglaublich spannendes Thema - gerade die Scanner Daten zeigen ein sehr interessantes Bild. Ich bin auch ganz bei dir, dass das Ausmaß an personenbezogenen Daten im "Besitz" von Firmen beängstigend ist! Zum Thema "wie Privatsphäre in Zeiten von Big Data schützen" habe ich letzte Woche schon meinen Beitrag geschrieben - vielleicht interessiert es dich ja.

Bei einer Aussage des Papers bin ich aber anderer Meinung:

 

"Diese für Konsumenten, Einzelhändler und Werbetreibende zugänglichen Daten sind aber ein zweischneidiges Schwert, da sie die Gefahr mit sich bringen, den langfristigen Markenwert von  Marken zu gefährden, weil durch diese in Echtzeit verfügbaren Daten eine auf kurzfristigen Erfolg ausgelegte Denkweise entsteht. Viele Unternehmen sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr."

 

Ja, manche Unternehmen sind durch die Menge an Daten überfordert. Ich würde aber nicht sagen, dass sie wegen dem Datenüberschuss flasche Schlüsse zeihen, sondern viele einfach noch nicht verstanden haben, dass die Big Data Analyse anderen Grundsätzen folgt, wie "traditionelles" Business Intelligence. Im Bereich von Big Data wird nach dem "Was" nicht dem "Warum" gesucht - es geht um Korrelationen und nicht Kausalitäten. Für mich haben somit nicht die Daten an falschen Entscheidungen Schuld, sondern der falsche bzw. oft sogar fehlende Umgang damit. 

 

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