Transparenter Bürger - Differential Pricing
inga-kristin.grosser.uni-linz, 23. November 2016, 18:08
Die unterschiedliche Ansprache von verschieden segmentierten Kundengruppen ist im Marketing nichts ungewöhnliches. Die individuelle Preisanpassung auf Basis von Preisstrategien ist besonders im Online-Handel ein häufig eingesetzes Instrument, um Gewinne zu maximieren [1].
In dem 2009 erschienenen Artikel von Lii, Y-S. & Sy, E. "Internet differential pricing: Effects on consumer price perception, emotions, and behavioral responses" in "Computers in Human Behavior, 25, 770-777" beschreiben die AutorInnen von der taiwanesischen Universität Feng Chia ihre Erkenntnisse aus einer Studie über die Effekte von unterschiedlichen Online-Preisgestaltungsstrategien auf die wahrgenommene Preisfairness des Käufers.
Inhalt
Die im Artikel geschilderte Studie wurde mit 367 Marketingstudenten der oben genannten Universität durchgeführt. Anhand der abhängigen Variable "Preis-Fairness" und der unabhängigen Variable "Unterschiedliche Preistaktiken" wurden unterschiedliche Hypothesen überprüft.
Die VerfasserInnen sehen den Internet-Kontext für ihre Untersuchung als besonders interessant an, da im Gegensatz zu stationären Geschäften ("Brick and mortar") mehr Möglichkeiten zu Preisdifferentierungen gegeben sind (unmittelbare Aktualisierung der Preise, Produkte und Dienstleistungen, geringere Fixkosten) und diese aufgrund des steigenden Preisdrucks durch globalen Wettbewerb nötig für den Gewinnerhalt sind. Dadurch, dass der Online-Handel stetig wächst, kommt der Akzeptanz und der Reaktion auf unterschiedliche Preise für die selben Güter eine wichtige Rolle zu.
Zusammenhang Preis-Fairness und Preistaktiken: Annahmen
- Die empfundene Preis-Fairness ist mit der Akzeptanz des Preises und dessen Enstehung verbunden. Hoffman, Turley & Kelley (2002) definieren unterschiedlichen Preistaktiken insofern, dass für ein und die selben Güter Kunden unterschiedliche Preise berechnet werden [2].
- Die Akzeptanz eines Preises ist abhängig von der wahrgenommenen Fairness eines Preises [3]
- Als fairen Preis stufen Käufer laut Bolton, Warlop & Alba (2003) [4] solche ein, die als angemessen, akzeptabel oder gerecht im Transaktionsprozess eingestuft werden anhand eines Referenzpreises (Vergleich mit bezahlten Preisen von Freunden, Angemessenheit zur Deckung der Kosten des Unternehmens) (Xia et al. 2004)
- Preis-Fairness ist verbunden mit den Emotionen (positive & negative) des Kunden, die verschiedene Verhaltensweisen auslösen können [5]. Für die Studie wurden Beschwerde, Mundpropaganda, Wiederkaufsbereitschaft und Wechseln des Anbieters untersucht als Verhaltensreaktionen
- Die wahrgegenommene Preis-Fairness hat einen Einfluss auf die Kaufentscheidung
Der Versuchsaufbau
Lil und Sy untersuchen im folgenden die Preiswahrnehmung, Emotionen und verhaltenstechnische Reaktionen. Als Stimulus werden vier verschiedene Preistaktiken gewählt, die anhand eines Online-Kaufszenarios eines Reiseführers angewendet werden:
1)Identifikation des Käufers
Unterschiedlicher Preis abhängig von Bestandskunde oder Neukunden
2) Einkaufsmenge
Unterschiedlicher Preis abhängig von der gekauften Menge
3) Zeitpunkt des Kaufs
Unterscheidlicher Preis abhängig vom gewählten Zeitpunkt
4) Multi-Channels
Unterschiedlicher Preis abhängig vom gewählten Vertriebskanal (Online oder Stationär)
Den Versuchsteilnehmern wurde jeweils mitgeteilt, warum ein Freund weniger oder mehr als sie für den Reiseführer bezahlt hätten.
Ergebnis
Die höchste Akzeptanz hat die Preistaktik der Einkaufsmenge.
- Die empfundene Fairness ist verbunden mit Emotionen im Laufe des Online-Einkaufserlebnisses. Sowohl negative als auch positive Emotionen sind damit verbunden
- Emotionen beeinflusen die Verhaltensreaktion
- Beschwerden kommen auch bei positiven Emotionen vor, da sie ein Teil der Käufer-Verkäufer-Beziehung sind und der Kommunikation dienen
Empfehlung an Unternehmen bei verwenden von verschiedenen Preistaktiken
- Preistaktiken vorsichtig einsetzen, um keine Empfindung von Preis-Unfairness beim Kunde auszulösen, sont könnte ein Wechsel zum Mitbewerber die Folge sein oder negative Mundpropaganda sowie negative Effekte auf Prestige und Verkäufe
- Unfairness-Empfindungen kann über klare Kommunikation der Bedingungen für verschiedene Preisen entgegengewirkt werden
Begründung der Auswahl
Die gesammelten Kundendaten gelten mittlerweile im Wirtschaftsleben als wichtigstes Asset. Auf gesättigten Märkten mit austauschbaren Produkten ist derjenige im Vorteil, der seinen Kunden genau kennt und auf ihn abgestimmte Leistung anbieten kann. Hierzu hat meine Kollegin Jasmin Hopf in ihrem Beitrag "Privacy And Pricing Personal Information" die Informationssammelstrategien beleuchtet. Big Data, die Kenntnis und Verarbeitung solcher Daten, wird unter Experten laut der KPMG-Studie „Die Zukunft des Einkaufens“ von 2013 bereits als „Öl des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet. [5] Der Kunde wird Online durch ihn auswertende Algorithmen immer gläserner, transparenter. Und dies nicht immer zu seinem Vorteil. [7]. Was das für den Unternehmer bedeuten kann, wenn er die gesammelten Informationen zur maximalen Abschöpfung der Konsumentenrente verwendet, ist in diesem Zusammenhang hochrelevant.
Der einzige Kritikpunkt an der Studie ist, dass bei den Preistaktiken die im eCommerce häufig verwendeten nicht behandelt wurden (unterschiedliche Preise aufgrund des verwendeten Endgeräts, Standort..).
Quellen:
[1] Otto, J. R., & Chung, Q. B. (2000). A framework for cyber-enhanced retailing: Integrating e-commerce retailing with brick-and-mortar retailing. Electronic Markets, 10(3), 185–191.
[2] Hoffman, K. D., Turley, L. W., & Kelley, S. W. (2002). Pricing retail services. Journal of
Business Research, 55, 1015–1023.
[3] Lichtenstein, D. R., Bloch, P. H., & Black, W. C. (1988). Correlates of price acceptability. Journal of Consumer Research, 15, 243–252.
[4] Bolton, L. E., Warlop, L., & Alba, J. W. A. (2003). Consumer perceptions of price (un)fairness. Journal of Consumer Research, 29, 474–491.
[5] Wright, S. C., Taylor, D. M., & Moghaddam, F. M. (1990). The relationship of perceptions and emotions to behavior in the face of collective inequality. Social Justice Research, 4, 229–250.
[6] Die Zukunft des Einkaufens , Perspektiven für den Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland und der Schweiz eine studie von GDI Gottlieb Duttweiler Institute und kPmG. Abgerufen am 21.11.2016 unter: https://www.kpmg.at/uploads/media/Studie_Die_Zukunft_des_Einkaufens_01.pdf
[7] Michael Kläsgen (2016):Der gläserne Kunde, Artikel in der Süddeutschen. Abgerufen am 21.11.2016: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/preisschwankungen-im-internet-der-glaeserne-kunde-1.2981966?reduced=true
Preistaktik der Einkaufsmenge
jasmin.hopf.uni-linz, 22. November 2016, 18:54
Der Artikel spiegelt das wieder, was ich auch persönlich empfinde (und wahrscheinlich auch viele andere). Dass man einen anderen Preis erhält wenn man eine höhere Stückzahl kauft kann ich gut nachvollziehen und betrachte ich als fair. Dass ich aber zum Beispiel einen anderen Preis aufgrund dessen, das ich ein Neukunde oder ein Bestandskunde bin erachte ich eigentlich als unfair. Aber dazu gibt es zum Beispiel gerade eine tolle Werbung von T-Mobile „Loyal ? Egal“, bei der auch Bestandkunden ein „Stück der Torte abbekommen“.
Welche Art der Preisdiskriminierung ist am schlimmsten?
magdalena.giegler.uni-linz, 22. November 2016, 20:39
Ich finde, dass all die im Artikel angeführten Taktiken ja durchaus eine Berechtigung haben. Natürlich empfindet man das oft unfair, aber das sind meiner Meinung nach zumindest alles Punkte, die ich, wenn ich darüber Bescheid weiß, umgehen kann. Ich kann meinen Kauf dann tätigen wenn es am billigsten ist, ich kann mich mit anderen Personen zusammen schließen und dafür mehr kaufen und ich kann auch zwischen online und offline wechseln. Am Mobilfunkmarkt könnte ich sogar alle zwei Jahre, wenn die Bindung ausläuft, den Anbieter wechseln um immer ein Neukunde zu sein. Was mich persönlich am meisten stört ist eine Preisdikriminierung aufgrund anderer Produkte die ich gekauft habe. Es heißt ja, dass Preise auf Android und iOS Systemen variieren. Diese Art der Diskriminierung kann ich nicht umgehen. Außerdem kommt man da sofort wieder auf das Problem der Datensicherheit zu sprechen.
Automatisierte Online Käufe
elsa.wiesinger.uni-linz, 23. November 2016, 12:16
Sämtliche Nutzer Daten können auch noch weiter ausgenutzt werden.
Beispielsweise die Möglichkeit des autonomen Online Einkaufs - Nutzer geben private Daten über Kaufverhalten, Vorlieben, udgl. bekannt und auf Basis dieser Informationen, erledigt ein Einkaufsassistent die Käufe auf autonomer Basis.
Ein Befragung der österrischen Internetuser ergab, dass 40% sich dieses Szenario als realistisch erachten und ca 33% wiederum nicht. 28% der österreichischen User können sich vorstellen, dass ein Online Einkaufassistent ohne Bestätigung Einkäufe autonom erledigt!
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