Umberto Eco

stephan.hackl.uni-linz, 20. Juni 2014, 14:36

Im Folgenden finden sich auszugsweise Zitate aus dem Interview Bischofberger mit Umberto Eco. Gemäß der Aufgabenstellung beziehe ich mich an relevanten Stellen auf den Inhalt und versuche den Brückenschlag zur Lehrveranstaltung Webkommunikation an der Johannes Kepler Universität im Sommersemester 2014.

 

Als sehr passend empfinde ich folgende Passage aus dem Gespräch, welche auch in Bezug auf die Vielfalt der strukturierten und unstrukturierten Daten als repräsentiertes Wissen, das im Internet vorhanden ist, anwendbar ist.

Auf die Frage Bischofbergers „Sie sagen, dass das Wissen gesteigert werden soll, aber gibt es denn überhaupt noch etwas das wir nicht wissen, gibt es Lücken des Wissens?“  antwortet Eco: „Ich denke schon, wir wissen noch nicht einmal ob es den Urknall gegeben hat oder nicht. Eine Eigenart des Wissens ist, dass es ständig Lücken aufweist. Ich gehe noch weiter und wage eine starke philosophische Aussage auf die ich jedoch mein Leben wette. Das Wissen wird immer Lückenhaft sein, denn dem Wissen ist das eigen, was Charles Peirce Fallibilismus nannte, nämlich, dass man sich immer irren kann. Oder wie Karl Popper sagte ‚wenn man eine Theorie verkündet, muss man auch all die Beweise nennen, die deren Falschheit belegen würden‘.  Auch wenn man also glaubt, den definitiven Beweis für eine Theorie zu haben, hat man die Pflicht weiterhin zu bezweifeln, was man zu wissen meint.“ [Q1 / 11.48 - 12.51]

 

Auch wenn das Wissen um den Urknall nicht vorhanden ist, kann es durchaus sein, dass die Belege dessen im Universum vorhanden sind, nur mittels heutiger Techniken nicht auffindbar. Gleiches kann man anwenden auf Technologien und Tools zur ubiquitären Kommunikation. Eine Vielfalt unterschiedlicher Lösungsansätze mit ein und demselben Ziel, Massenkommunikation zu ermöglichen, ist bereits vorhanden, obwohl das Wissen um die absolut perfekte Unterstützungstechnologie zur Ermöglichung barrierefreier perfekter Kommunikation heute und in naher Zukunft nicht belegt werden können wird. Gemäß geltender Paradigmen in der Wissenschaft gilt es auch für die Entwicklung neuer Methoden und bei der Erklärung retrospektiver Sachverhalte, Argumente zur Falsifizierung zu finden.

Umberto Eco in den besten Jahren wird von Bischofberger als moderner Mensch betitelt und lenkt das Gespräch im Laufe des Interviews in Richtung Internet und damit verbundenen  Phänomenen.

Bischofberger eingangs, „Sie gehen ja als sehr wacher Zeitgenosse durch die Welt und schauen in allen Bereichen diese Listen an. Sie kommen auch auf das World Wide Web, auf unser Internet  und sagen es ist eigentlich so etwas wie ein Spinnennetz, das klingt nicht sehr positiv“.
Umberto Eco’s Antwort darauf: „Vor allem muss man eine Unterscheidung machen, die ich in meinem Buch gleich zu Beginn anstelle und die übrigens nicht von mir stammt. Die Unterscheidung zwischen praktischen und poetischen Listen. Auf einer praktischen Liste stehen Dinge die existieren und zwar in endlicher Zahl, zum Beispiel die Liste der Bücher in meiner Bibliothek. Oder das Telefonbuch, darin stehen alle Besitzer eines Telefonanschlusses in Zürich, oder in Frankfurt, nicht mehr und nicht weniger. Das ist eine endliche Liste. Zudem dienst sie dazu, existente Personen zu finden. Es ist also nicht ein Buch das man liest, ausgenommen gewisse Leute.“
Bischofberger entgegnet „Aber das Internet ist ja mehr als ein Telefonbuch.“ Worauf Eco fortfährt „Literarische Listen können sich hingegen auch auf Dinge beziehen die nicht existieren, zum Beispiel die Liste der Bücher, die Rabelais in seinem Roman Gargantua Pantagruel macht. Es sind Listen, die aus bloßer Vorliebe für Listen erstellt wurden, um der Liste Willen und diese sind unendlich. Was nun ist das Internet? Man könnte meinen es sei eine praktische Liste, denn es enthält alle Webseiten zu einem gewissen Thema, aber es ist auch potentiell unendlich. Das heißt, wenn jemand jede der Millionen Seiten anklickte, wären die ersten bereits wieder verschwunden und durch andere ersetzt, wenn er am Ende angelangt wäre. Theoretisch kann man also bis in alle Unendlichkeit im Internet surfen. Hinzu kommt, dass es gar nicht sicher ist, ob die Webseiten von wirklich existenten Dingen berichten. Denn viele sind falsch, enthalten Fantasien, oder historische Irrtümer. Das Internet ist ein ziemlich neues Phänomen in der Geschichte der Listen, denn es ist unendlich und somit schwindelerregend.“ [Q1 / 13.12 – 15.35]

Nun stellt sich die Frage ob das Internet eine literarische Liste ist, oder tatsächlich eine praktische? Ist nicht belegbares Wissen, also Vermutungen die von Menschen in quasi journalistischer Arbeit ins  Web gestellt wurden, dann der literarischen Liste zuzuordnen? Den Bogen möchte ich spannen zum Thema der Weblogs und der praktischen Anwendung als Lernblog, der im Rahmen der Lehrveranstaltung geführt wurde. Ein Weblog ist meiner Meinung nach alleine aufgrund seiner Erscheinungsform eine praktische Liste nach Umberto Eco, sehr wohl aber mit literarischen Listen gefüllt sein, da es sich um Sachverhalte handelt, welche nicht objektiv belegt werden, auch nicht den Sinn der Schaffung von Wissen verfolgen.

 

Die Typische Frage von Thomas von Aquin auf die sich Eco bezieht, „Zum Argument X findet man erstens, das, das und das. Aber andere sagen darüber auch das, das und das und wieder  andere sagen. “ [Q1 / 27.02 – 27.22], bekommt im Web und in Zeiten der multivariaten Kommunikation ganz neue Bedeutung. Antworten auf Fragen sind im Web mehr oder weniger unbegrenzt vorhanden und ob diese allerdings journalistischen Kriterien, die als die wesentlichen Qualitätskriterien in Frage gestellt werden, standhalten ist fraglich [Q3].

In Bezug zur auch in der Lehrveranstaltung behandelten Semiotik führt Eco an sich auch für Massenmedien zu interessieren und fährt fort: „Ich suchte nach einer Theorie, die alle diese verschiedenen Aspekte der Kommunikation vereinigt, so bin ich auf die  Semiotik gekommen. Um zu erklären was Semiotik ist, habe ich 30 Jahre an der Universität gearbeitet und gelehrt.  Das kann man nicht in zehn Minuten zusammenfassen.“ [Q1 / 30.31 – 31.50].

Um  einerseits nicht in die Versuchung zu kommen Eco’s Aussage anhand eines amateurmäßigen Versuchs zu widerlegen und andererseits nicht den Rahmen dieses Statements zu sprengen, verweise ich auf den Beitrag unseres Professors Hans Mittendorfer, der um die Semiotik zumindest zu streifen, bzw. deren Bedeutung in der Welt der neuen digitalen Medien zumindest anzustoßen einen eigenen Vortrag erstellt hat. Das Bewusstsein über die Bedeutung von Symbolik, oder Erscheinungsform von Engrammen und der Verknüpfung mit Haltungen dazu, ist unter anderem ein Feld der Semiotik, welches in die Realwirtschaft Einzug hält, da Konversion eines der wesentlichen Stichworte ist wenn es um das wirtschaftliche Potential des Webs geht [Q4].

 

„Mit Bestimmtheit lässt sich einzig sagen, dass alle Menschen das gleiche Apparätchen im Gehirn haben das es ihnen ermöglicht Sprachen zu kreieren und zu verstehen und dass sie dieses Apparätchen ihrem sozialen Umfeld angepasst haben.“  [Q1 / 38.49 – 39.01]

In Bezug auf den Vortrag von Alois Pluschkowitz stand die Frage im Raum welche Auswirkungen die Medien auf uns haben, wie wir uns informieren  und welche Wirkungen welche Medien auf die Bevölkerung haben [Q2]. Bezieht man die Kommentare aus dem Vortrag auf die Äußerungen Umberto Eco’s, lässt sich die Anpassung der individuellen Fähigkeiten zur Generierung von Sprache und anderen geistigen Konstruktionen quasi evident beweisen, schon alleine durch die Beobachtung der Bevölkerung.

 

Kommunikation im Web ist eine Form des in Kontakt tretens mit anderen. Gemäß Eco’s Definition stellt sich die Frage wie sehr sich der isolierte Kontakt auf die Persönlichkeit der Menschen auswirkt. Speziell in Bezug auf die Möglichkeit für Jedermann sich als Autor partizipativ quasi ohne Fremdkontakt an Themen aktiv zu beteiligen. Nach folgender Ausführung Eco’s in Bezug auf den Kontakt zu anderen ist der Meinungsaustausch im Web folglich dem Individuum schädlich.

„Wir definieren uns über das Ausmaß an Kontakt den wir mit anderen haben, das ist ein weiteres Merkmal des Menschen. Wenn uns auf der Straße niemand anschauen oder ansprechen würde, wenn man uns isolierte, in einem grausamen Akt von Mobbing, stürben wir womöglich. Das Gegenüber ist also sehr wichtig für uns“. [Q1 / 52.35 – 52.56]

 

Abschließend möchte ich anmerken, dass mein Bezug Eco’s in der Lehre Verständnis findet, allerdings für mich als pragmatisch orientierten Akademiker enorme geistige Mühen bedeutet das Widergegebene anwendbar, faktisch wirtschaftlich verwertbar ist. Verständlich, dass die persönliche Haltung zu ökonomischer Haltung in Bezug auf Philosophie nicht als adäquat empfunden wird, aber meines Erachtens durchaus Sinn macht.

 

Quellen:

[Q1]: Eco Umberto im Interview mit Bischofberger : Online unter URL: https://www.youtube.com/watch?v=nHwjZf_tRCE[abgerufen am 14.06.2014]

[Q2]: Pluschkowitz, A.: Vortrag Medienwirkungen, Online unter URL: https://collabor.idv.edu/webkomm14s/stories/49154/ [abgerufen 18.06.2014]

[Q3]: Pluschkowitz, A: Argumente einer Debatte um die Kriese der Tageszeitungen, Online unter URL: https://collabor.idv.edu/webkomm14s/stories/48758/ [abgerufen am 20.06.2014]

[Q4]: Mittendorfer, H.: Vortrag Semiotik, Online unter URL: https://collabor.idv.edu/webkomm14s/stories/48587/ [abgerufen am 20.06.2014]

 

1 comment :: Kommentieren

Pragmatisch orientierter Akademiker

christoph.poetscher.uni-linz, 25. Juni 2014, 17:13

In deinem Schluss-Absatz  - "Pragmatisch orientierter Akademiker" - habe ich mich persönlich sehr gut identifizieren können. Mir ist bei der Ausarbeitung der Aufgabe ganz ähnlich ergangen....Da ich auch eher aus der wirtschaftlich-ökonomischen Ecke komme, habe ich mich des öfteren über Sinn bzw. Nutzen von Ecos gewundert.

 

Verlinken :: Kommentieren


To prevent spam abuse referrers and backlinks are displayed using client-side JavaScript code. Thus, you should enable the option to execute JavaScript code in your browser. Otherwise you will only see this information.