Partizipativer Journalismus...

stephan.hackl.uni-linz, 4. Juni 2014, 17:50

... Erscheinungsformen und die Vielfalt der Begrifflichkeiten

Parizipativer Journalismus

Auf der Suche nach geeigneten Quellen und der Begriffsbildung, scheint es unausweichlich einigen Namen im Rahmen der Recherchetätigkeiten zu begegnen. So ist Sven Engesser einer der meist referenzierten Autoren in Sachen partizipativer Journalismus.

Defnitionssache

Die Tatsache, dass Engesser es für notwendig betrachtet eine Begriffsdefinition über knapp 20 Seiten auszuformulieren zeigt, dass der Begriff keineswegs ein Üblicher ist und die von ihm erwähnte inflationäre Verwendung durchaus Probleme für die Etablierung eines gemeinschaftlichen Verständnis bereitet [Q1].
Inflationär im Zusammenhang mit der Begriffsdefinition meint, dass bei Innovationen im Mediensystem die verwendeten Begriffe zunächst noch sehr eng gefasst werden, aber mit zunehmender Verbreitung von immer mehr Personen mit unterschiedlicher Auffassung der Bedeutung eingesetzt werden [Q1].

Vielfalt in der Begriffswelt

Die Vielfalt der Begrifflichkeiten für partizipativen Journalismus, ist offensichtlich vielfältig und das Verständnis darüber ebenso reichhaltig, also was genau meint man wenn man von partizipativen Journalismus spricht?

Engesser führt durch die Entwicklung des Begriffes, dessen Verständnis heute und spannt den Bogen vom ursprünglichen Individualformat Weblog über kollektive Formate wie beispielsweise Indymedia oder  Wikipedia [Q1].

Im Folgenden angeführt sind Begriffe, die sich noch vor der Verbreitung des Internets als Massenmedium etabliert haben und synonym für die Bedeutung des partizipativen Journalismus stehen.

 

Begrifflichkeiten nach Haas [Q2]:

·         Amateur Journalism

·         Folk Journalism

·         Personal Journalism

Begrifflichkeiten nach Neuberger [Q3]:

·         Partizipatory Journalism

·         Grasroots Journalism

·         Citizen Journalism

·         Open Source Journalism

·         Peer-to-Peer Journalism

Begrifflichkeiten Engesser im Jahr 2013 [Q4]:

·         Amateurjournalismus

·         Laienjournalismus

·         Parajournalismus

·         Kollaborativer Journalismus

·         Netzwerkjournalismus

·         Open-Source-Journalismus

·         Peer-to-Peer Journalismus

·         User-Generated Content

·         Bürgerjournaismus

·         Graswurzeljournalismus

·         Partizipativer Journalismus

·         Civic/Community/Public Journalism

Plattformen des partizitiven Journalismus

Weiter führt Engesser an und beschreibt folgende Erscheinungsformen als die Vorläufer dessen, was heute unter partizipativem Journalismus Verständnis findet, zwar noch vor der Verbreitung des Webs [Q1].

·         Heimatzeitungen

·         Leserbrief

·         Hörer- bzw. Zuschauertelefon

·         Alternativpresse

·         Nichtkommerzielle Radios

·         Offene Kanäle

In seinem Folgewerk mit Erscheinungsdatum 2013 führt Engesser exakt dieselben Plattformen wieder an, ohne diese weiter zu ergänzen [Q4].

Das damals neue Medium des World Wide Web bezeichnet Horst Pöttker in seinen Anfängen als große Spielwiese für pubertierende Studenten  und beschreibt die Innovationsfreude unter deutschsprachigen Journalisten wie folgt: „Für neue Staubsauger, so erfahrene Redakteure damals, werde schließlich auch kein neues Ressort eingerichtet. Es ist noch kein Jahrzehnt her, da war es Journalisten bei deutschen Regionalzeitungen nicht gestattet, online zu recherchieren, weil ihre Bosse die Vorstellung hatten, jede Minute solchen Tuns verursache Netzbenutzungsgebühren wie das Telefonieren nach Amerika [Q5].“

Erscheinungsformen des partizipativen Journalismus im Web

Al Ergänzung seiner bisherigen Arbeiten erweitert Engesser die Liste der Erscheinungsformen für den partizipativen Journalismus um die, welche im Web stattfinden und nicht mehr Print-, oder sogenannte reine Offlinemedien als Voraussetzung haben, um Verbreitung zu finden [Q4].

Das Weblog ist als ursprüngliche, bzw. erste Erscheinungsform für partizipativen Journalismus im Web bekannt geworden [Q4].  Auf die Frage ob Blogger ernsthafte Konkurrenz für etablierten Journalismus darstellen, meint Christoph Neuberger, Professor für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster, „Die Behauptung, dass professioneller Journalismus durch Weblogs ersetzt oder verdrängt werden könne, halte ich für unsinnig. Es gibt natürlich ein paar Blogger, die mit hohem Selbstbewusstsein solche Dinge behaupten. Blogs sollten nicht unterschätzt werden, sie sind aber eher eine Ergänzung. Wobei pauschale Aussagen über Weblogs eigentlich unzulässig sind [Q6].“

Mikroblogging als modernere Form des klassischen Weblogs zur Verbreitung von Schlagzeilen hatte sich parallel mit dem Begriff Web 2.0 entwickelt und wurde geprägt durch den Nachrichtendienst Twitter, welcher den Standard in dieser Kategorie darzustellen scheint[Q7].

Die Erscheinungsform der kollektiven Webangebote meint die den kollaborativen Betrieb eines mehr oder weniger journalistischen Dienstes, der im Gegensatz zu Weblogs und Microblogs nicht von vorwiegend Einzelpersonen betrieben wird, sondern durch die Aufteilung er Aufgaben in mehrere Rollen kategorisiert ist [Q8].

Wikis sind neben Blogs und Microblogs wahrscheinlich die populärste Plattform um Wissen auszutauschen. Vor allem der semantische Gehalt von Daten kann mitunter besser vermittelt werden. Der bekannteste Dienst in diesem Feld bildet Wikipedia, dessen Informationen durch die Vielzahl an Nutzern, zugleich Editoren, sehr gute Qualität birgt [Q9].

Soziale Nachrichtenangebote, kategorisiert Hildebrand in einem facheinschlägigen Onlineforum wie flgt: „Grade wenn es um Breaking News geht, ist die Aufmerksamkeit für Social Media besonders groß und der Nutzen offensichtlich. Ein Tweet ist oft die erste Nachricht zu einem Ereignis. Auch wer gezielt eine Nachricht verbreiten möchte, wie die Geburt eines Königskindes, der wählt hierfür nicht mehr die Pressekonferenz, sondern twittert erst mal [Q10].“

Neben den individuellen und kollaborativen Web-Angeboten gibt es auch professionell-redaktionelle Webangebote. Diese unterscheiden sich wiederum in offene, also professionell-partizipativ und  geschlossene Angebote welche sich nicht aktiv beeinflussen lassen. Domingo et al. Untersuchten 16 führende Angebote aus dem europäischen Zentralraum und bemerkten, dass sich diese, wie die klassischen Medien, nur zögerlich dem Publikum öffneten [Q11].

Hans-Jürgen Voigt ist Chefredakteur und beschreibt das Phänomen der Leserreporter wie folgt: „Jeder Leser kann Reporter sein - aber nur dann, wenn er zufällig vor Ort ist. Das ist oft nur einmal im Leben der Fall. Einen Beruf können Sie daraus nicht machen. Allerdings verdrängt die Masse der Leserinputs durchaus den klassischen rasenden Reporter, der nach der Polizeimeldung vor Ort auftaucht und die Bilder schiesst. Denn der Leser mit seinem Handy ist immer schon dagewesen [Q12].“

 

Quellen:

[Q1]: Vgl. Engesser, S.: Partizipativer Journalismus. Eine Begriffsanalyse. In: Zerfaß, Ansgar/ Martin Welker/Jan Schmidt (Hrsg.): Kommunikation, Partizipation, und Wirkungen im Social Web. Herbert v. Harlem Verlag, 2008, S. 47-71

[Q2]: Vgl. Haas, T.: From Puplic Journalism tot he Puplic’s Journalism? Rhetoric and reality in the discourse on Weblogs. In: Journalism Studies, 3, 2005

[Q3]: Vgl. Neuburger, C.: Nutzerbeteiligung im Online-Journalismus. Perspektiven und Probleme der Partizipation im Internet. In: Rau, H. (Hrsg.): Zur Zukunft des Journalismus, Frankfurt 2006

[Q4]: Vgl. Engesser, S.: Die Qualität des partizipativen Journalismus im Web. Springer Verlag, 2013

[Q5]: Pöttker, H.: Von Traditionalisten und Technikfreaks. Online unter URL: http://journalistik-journal.lookingintomedia.com/?p=55 [abgerufen am 04.06.2014]

[Q6]: Neuberger, C.: Berufsrolle im Wandel. Online unter URL: http://mmm.verdi.de/++skin++print/archiv/2006/09/titelthema_buergerjournalismus/berufsrolle_im_wandel [abgerufen am 04.06.2014]

[Q7]: Vgl. Quick, J.: Vom Rezeptions- zum Selektionsmedium oder: Wie der Journalismus digital wurde. Eine exemplarische Untersuchung des Online-Engagements in der deutschen Presselandschaft.  In: Pfau, S. (Hrsg.): Randgänge der Mediengeschichte, Wiesbaden, 2010

[Q8]: Vgl. Bruns, A.: Vom Gatekeeping zum Gatewatching: Modelle der journalistischen

Vermittlung im Internet. In C. Neuberger, C. Nuernbergk & M.

Rischke (Hrsg.), Journalismus im Internet: Profession - Partizipation -

Technisierung. 2009

[Q9]: Vgl. Beck, A.: Web 2.0: Konzepte, Technologie, Anwendungen. In: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, Volume 44, 2007

[Q10]: Hildebrand, J.: Journalistische Recherche in Social Media jenseits von Breaking News. Online unter URL: http://www.mediastico.de/?p=696 [abgerufen am 04.06.2014]

[Q11]: Vgl. Domingo, D., Quandt, T., Heinonen, A., Paulussen, S., Singer, J. B. & Vujnovic,

M.: Participatory journalism practices in the media and beyond: An

international comparative study of initiatives in online newspapers.

Journalism Practice, 1, 2008

[Q12]: Voigt, H.: Leserreporter. Online unter URL: http://www.rhetorik.ch/Aktuell/12/05_24a/ [abgerufen am 04.06.2014]

 

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