Veränderte Prozesse im Online-Handel
sarah.hinterreiter.uni-linz, 13. November 2014, 09:37
Wie sollten Unternehmen einen Online-Handel laut Gerrit Heinemann, einem deutschen Wirtschaftswissenschaftler, betreiben? Dieser Frage wird durch eine Betrachtung des Lehrbuches von Seite 31-40 „Der neue Online-Handel: Erfolgsfaktoren und Best Practices“ aus dem Jahr 2010 von Gerrit Heinemann auf den Grund gegangen.
Kernkompetenzen und Fähigkeiten im Online-Handel
„Der Online-Handel stellt keinen neuen Vertriebskanal im herkömmlichen Sinn dar, sondern ein vollkommen neues Geschäft mit neuen Fähigkeitsanforderungen.“, so Gerrit Heinemann. Diese Aussage lässt erkennen, dass sich der traditionelle Handel vom Online-Handel in vielerlei Hinsicht unterscheidet.
Einige der Vorteile im Online-Handel sind das Wegfallen der stationären Standorte, dadurch auch der Verzicht auf viele Mitarbeiter sowie Filial-Bestandssteuerungsprozesse. Dazu kommt jedoch eine Auseinandersetzung mit der globalen Preispolitik. Hat man traditionell bei einem stationären Einzelhändler drei bis vier Konkurrenten, so steht man Online einem weit größeren Wettbewerb gegenüber.
Unter den unzähligen Anbietern ist es wichtig Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, um zu vermeiden, dass der Käufer mit seinen geringen Suchkosten nicht bei einem anderen Anbieter seine Ware bestellt. Anstatt schlanken, effizienten und schnellen Warenwirtschaftssystemen sind nun konsequente kundenorientierte Geschäftsprozesse gefragt. Vor allem sollte man daher auch Durchlaufzeiten verkürzen, um schnell und schlagkräftig reagieren zu können. Eine kompromisslose rundum Kundenberatung sollte sich durch den gesamten Prozess ziehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Prozesse sollen vom Lieferanten bis hin zum Kunden ohne Schnittstellen erfolgen. Jeder Prozess soll durch eigens dafür verantwortliche Personen kontrolliert werden. Durch spezielle Befugnisse sollten Mitarbeiter weitgehend selbst entscheiden können, um eine hohe Kundenzufriedenheit garantieren zu können. Diese Rundumbearbeitung setzt größere Leistungsspannen und flachere Hierarchien voraus. Folglich erwähnt Heinemann drei dementsprechend „innovative Ideen“:
Geschäftssystem des New Online-Retailing
Die Prozess-Idee verlangt einen 90°-Shift von vertikalen zu horizontalen Sichtweisen in der Organisation. Es wird in Kern- und Supportprozesse, wie auch in Prozess-Teams und Process-Owner unterteilt. Kundenrelevante Tätigkeiten die den Kernprozess darstellen sollten nicht outgesourced werden. Im Gegensatz zu weniger nutzenstiftenden Prozessen wie das Kantinenwesen.
Auch die Triage-Idee geht von einer horizontalen Segmentierung von Prozessen aus. Es erfolgt eine Segmentierung nach Funktion, Komplexität sowie Kundengruppen. Wiederum ist es wichtig Schnittstellen zu minimieren und Routinefälle ggf. zu automatisieren und Schlüsselkunden einen besonderen Stellenwert zu geben.
Durch die Idee der informationellen Vernetzung ist auf papierbasierte Informationsübermittlung zu verzichten. Durch die Digitalisierung kommen dem dezentralen Datenzugriff und der papierlosen Datenverarbeitung größere Bedeutung zu.
Sortimentspolitik im Online-Handel
Durch die neuen Prozesse im Online-Handel bleibt folglicherweise auch die Sortimentspolitik nicht unberührt. Im Gegensatz zum stationären Handel bedient sich der Online-Handel an beinahe unbegrenzter Sortimentsvielfalt. Dadurch werden dem Anbieter wie auch dem Kunden unzählige Möglichkeiten zur Warenauswahl geboten. Mit Hilfe des digitalen Category Managemnt (CM) kann der Kunde selbst tätig werden und seine Ware individuell gestalten. Durch eine Angebotskombination aus verschiedenen Produkten, Handwerks- und Dienstleistungen kann dem Kunden zusätzlich entgegengekommen werden. Zum Beispiel kann man dem Kunden alle möglichen Komponenten für eine Multimediaausstattung (TV, Blue-Ray, Raumverdunkelung, Software, Computer,…) mit geringerem Zeitaufwand anbieten. Mittels CM kann man diese Bestandteile sinnvoll kombinieren und dem Kunden „wie aus einem Guss“ liefern. Laut Heinemann sind besonders digitalisierbare Waren mit ausgeprägtem Selbstbedienungscharakter optimal online zu handeln.
Preispolitik im Handel
Wie sieht es schließlich mit der Preistransparenz der Unternehmen im Online-Handel aus und inwiefern wirkt sie sich auf die Preispolitik aus?
Durch die vielen Preis-Agenten und Preisssuchmaschinen wie zum Beispiel geizkragen.de oder billiger.de können Konsumenten Preise der unterschiedlichen Anbieter einfach und schnell vergleichen. Der Konsument gewinnt im Handel immer mehr an Macht und übt dadurch Druck auf die Anbieter aus, die Preise zu senken. Durch die Übernahme von einzelnen Prozessen im Kaufprozess bekommt der Konsument einen weiteren Grund die Ware günstiger zu erwerben (Schuhzusammenstellung bei NIKE). Der Online-Händler kann diesem Preisdruck durch Eigenmarken im Web aber auch durch Packetangebote und Preisbündelungen entgegensteuern. Dadurch wird die Vergleichbarkeit mit den Mitbewerbern erschwert.
Fazit
Das Internet ist eine virtuelle Welt mit unzähligen Möglichkeiten. Der Online-Handel muss sich diesen Möglichkeiten bewusst werden und sie dementsprechend nutzen. Die Hierarchien in Unternehmen verändern sich von vertikalen zu horizontalen Führungsprinzipien. Dadurch verändern sich auch die Prozesse. Kunden bekommen immer mehr Einblick und haben teilweise Mitbestimmungsrecht in einzelnen Teilprozessen. Der Handel wird schnelllebiger und der Wettbewerb steigt. Durch die steigende Macht des Kunden auf die Preispolitik müssen Unternehmen auf immer kreativere Ideen zurückgreifen.
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