Propaedeutikum Netatmo - Noch so eine Wetterstation, oder?
rainer.kroisamer.uni-linz, 15. März 2014, 17:22
Was auf den ersten Blick wie eine neumoderne Wetterstation scheint, mit Apps und allem was heutzutage dazugehört, birgt auf den zweiten Blick so manch bedenkliches Detail in sich. Vom weltgrößten Wetterbericht bis hin zu einem verdeckten Eingriff in die Privatsphäre.
Was ist Netatmo?
Die Netatmo Wetterstation, hergestellt von der gleichnamigen französischen Firma und mit dem Innovations Design und Engineering Award ausgezeichnet, übermittelt über ein Außen- und ein Innenmodul in Fünf-Minuten-Abständen meteorologische Daten wie Lufttemperatur und Feuchtigkeit, den Luftdruck, und den CO2-Gehalt im Raum. Außerdem wird der Schallpegel in Innenräumen gemessen. Die gesammelten Daten werden anschließend per Wlan an den Netatmo Server übertragen, und lassen sich nach der Installation der dafür vorgesehen App über das Smartphone oder Tablet ablesen, oder, auf Wunsch, natürlich auch über ein Interface auf dem Rechner. Natürlich auch vom anderen Ende der Welt, sollte man mal im Urlaub wissen wollen wie schlecht denn das Wetter zu Hause ist oder wie warm es die Zimmerpflanzen gerade haben.
Praktische Zusatzfunktion: Die Schallmessung gegen unerwünschte Gäste
Durch die Geräuschpegelmessung lässt sich feststellen, ob in der Umgebung des Messgerätes unerwünschte Gäste wie Einbrecher ihr Unwesen treiben, und auf Wunsch warnt das Gerät über die App auf dem Handy oder iPad (Q4). Wirklicher Einbruchsschutz oder Gag? Wohl eher Letzteres.
Die gesammelten Daten werden auf den Netatmo Servern gespeichert und lassen sich bei Bedarf über einen langen Zeitraum in die Vergangenheit zurückverfolgen und auswerten. Praktisch: Datenauszug per XLS oder CSV Datei (Q4).
Netatmo bietet auf seiner Webseite Zugang zu APIs und bietet dadurch Programmierern die Möglichkeit eigene Apps zu entwickeln (Q1, Q2).
Wohin mit den ganzen Daten?
Mittlerweile gibt es unübersichtlich viele private Wetterstationen, wie man auf der Wetterkartevon Netatmo erkennen kann.
Und genau hier setzt das Geschäftsmodell hinter der Netatmo Wetterstation an: Neben den Verkaufserlösen durch die Module der Wetterstationen (Marktpreis in Deutschland zZ. etwa 170 Euro), bekommt Netatmo kostenlos Wetterdaten der ganzen Welt sozusagen frei Haus auf deren Server geliefert. Dadurch soll das größte globale Wetterdatennetz entstehen das es gibt. Ein sehr ehrgeiziges Ziel, aber eine Idee mit Potenzial (Q3).
Zugegeben, es hat ja etwas Nützliches an sich. Ein weltumspannendes Netz an Wetterdaten mit einfachem Zugang sowohl für Wissenschaft, Bildung und Freizeit. Oder doch nicht? Allem voran die Frage, was macht Netatmo mit den gigantischen Datensätzen, außer sie zu sammeln, und einige davon als Teil des Produktes zu veröffentlichen?
Daten was? Ach so, Schutz!
Die Lauf-App, der intelligente Stromzähler oder die Wetterstation - dort wo App drauf steht, ist Datenklau drinnen. Könnte man so sagen. Datenklau, auch höchstpersönlicher Daten, lässt sich nicht immer auf den ersten Blick erkennen, besonders wenn er gut verpackt ist. Zum Beispiel in Form einer Wetterstation. Was lässt sich daraus schließen wenn morgens um zwei der Geräuschpegel ständig steigt? Kann mich mein Vermieter zu vermehrtem Stoßlüften auffordern wenn mein CO2 Wert nicht in der Norm liegt (Q3)? Viele Fragen tauchen auf, von denen, zugegeben, so manche ins irrationale abgleiten kann. Doch Vorsicht kann nie genug geboten sein, vor allem dann wenn jemand beim Schnarchen zuhören kann!
Mit Netatmo wird jeder zum Wetterfrosch
Für wen ist eine genaue Wetteraufzeichnung und Vorhersage so wichtig als dass der tägliche Wetterbericht in den Nachrichten oder diverse wetter.com Seiten im Internet nicht ausreichten? Von den Wetterstationenfreaks da draußen mal abgesehen natürlich für die Landwirtschaft und den Weinanbau, um nur zwei Beispiele zu nennen. Für Wissenschafter die keinen Zugang zu Daten meteorologischer Zentralanstalten haben, oder für jene, die sich einfach intensiver mit dem Klima auseinandersetzen möchten. Nicht zuletzt für die Klimaforschung an sich. Für jene genannten Gruppen kann diese Innovation der vernetzten Heimwetterstationen natürlich enorme Vorteile und Möglichkeiten bieten. Das will an dieser Stelle auch nicht geschmälert werden.
Wetteraufzeichnung durch Private ist ja an sich nichts Neues – das wird in der Landwirtschaft von den Bauern schon seit Jahrhunderten praktiziert. Heutzutage halt mit einer App.
Wo bleiben meine Sinne?
Stickige Luft, hoher Geräuschpegel, zu warm oder zu kalt. Darüber und mehr wacht die Netatmo Wetterstation und schlägt Alarm, sobald ein Messwert für den Menschen als ungeeignet erachtet wird. Doch, wo bleibt da die Sensorik des Menschen? Ist es wirklich notwendig, mir mein eigenes Wohlbefinden von einer Maschine diktieren zu lassen, oder wäre es vielleicht nicht doch wünschenswerter sich seiner fundamentaler Sinneseindrücke zu bewahren und darauf zu vertrauen wenn einem zu warm wird oder es wieder mal Zeit wäre stoß zu lüften? Oder wenn mir meine eigenen Ohren sagen, jetzt hämmert Nachbar Müller aber wirklich zu dolle in sein Schlagzeug? Ich persönlich, und ich bin nun mal ein analoges Wesen, strecke morgens gerne mal die Hand aus dem Fenster um mich über die zu erwartende Temperatur zu informieren (oder besser gesagt zu ärgern, weil es zusehends kalt ist hierzulande). Ich meine, nicht alles muss der Technik anvertraut werden, einige Dinge, und dazu gehören meine Sinne, verbleiben wohl besser unter meiner Hoheit.
Quellen (zuletzt überprüft am 14.3.2014):
Q1: netatmo.com, http://dev.netatmo.com/doc/
Q2:http://www.wetterstationen.info/forum/alternative-wettergerate/netatmo-urban-weather-station-(cloud-basiert-ios-app)/
Q3: twoday.net, http://l.hh.de/Zq8uhM
Q4: chip.de, http://l.hh.de/npfiWo
Bilder: © netatmo
Neue Aspekte und wirkliches Zitieren
Hans.Mittendorfer.Uni-Linz, 14. März 2014, 10:14
Der Beitrag bringt neue Aspekte in die Diskussion, etwa die Überwachung der Luftfeuchtigkeit im Innenraum und die "drohende" (wie ich meine aber in vielen Fällen berechtigte) Aufforderung zum vermehrten Stoßlüften durch den Vermieter. Auch die Tatsache, dass der Betreiber einer Messstation Zugriff auf seine Langzeitdaten hat.
Doch die Praxis des einfachen Auflistens von zum Teil nicht nachvollziebaren Quellen ist noch weit entfernt von den Erwartugnen an das Zitieren.
Da kann ich nur zustimmen.
rainer.kroisamer.uni-linz, 14. März 2014, 12:19
Vielleicht wäre es besser gewesen den Beitrag nicht vor Vervollständigen online zu stellen. Korrektur folgt.
Die Technik oder der Mensch, wer ist zuverlässlicher?
martina.auer.uni-linz, 15. März 2014, 13:11
Genau wie du, will ich zu bedenken geben, wie sehr wir uns auf neuerste technische Spielereien verlassen und dabei unseren eigenem Bauchgefühl immer weniger vertrauen. Lies Ähnliches auf meinem Blog.
Formatierungsfehler
rainer.kroisamer.uni-linz, 15. März 2014, 17:34
Beim kopieren des Textes zwischen dem Textverarbeitungsprogramm und dem Blog ist wohl ein Formatierungsfehler aufgetreten (siehe Bild). Ich habe deswegen den Text nochmals von einem Editor in den Blog kopiert - der Fehler wurde dadurch behoben. Sollte jemand ein ähnliches Problem gehabt haben.