Webkommunikation Partizipativer Journalismus im Web 2.0

rainer.kroisamer.uni-linz, 4. Juni 2014, 10:59

 
Das Web 2.0 baut im Grunde darauf auf, Nutzer aktiv in die Gestaltung von Inhalte einzugreifen zu lassen und zu partizipieren. Vorwiegend, aber nicht ausschließlich, über soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Studivz, Weblogs (Blogs), Gastkommentare, Foreneinträge, private Webseiten (die einfacher denn je selbst zu erstellen sind, beispielsweise mit Wordpress) aber auch Bild- und Videoblogs, Lexika (Wikipedia), Aufklärungswebseiten (Wikileaks) und so weiter und so fort. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Im Folgenden ausführlichen Beitrag wird der Begriff Partizipativer Journalismus definiert, seine verschiedenen Erscheinungsformen und Plattformen kategorisiert, erläutert und disktutiert. Abschließend wird in einer Fragestellung ein bestimmtes Problem das sich aus dem Partizipativen Journalismus ergibt, aufgeworfen und zu einer weiteren Diskussion eingeladen. 

 

 

 

Partizipativer Journalismus

 

Engesser (2008) deutet an, Partizipativer Journalismus bediene sich in erster Linie der Partizipatorischen Demokratietheorie, ohne jedoch weiter darauf einzugehen (S. 34). Schmidt (1995) erläutert hierfür dass man in der partizipatorischen Demokratietheorie auf den Eigenwert von Beteiligung und Maximierung von Partizipationschancen und Demokratisierung derjenigen die noch nicht demokratischer Verfassung unterstehen (beispielsweise Bereiche der Arbeitswelt und Ausbildung) setze (S. 169). Die partizipatorische Demokratietheorie unterteilt sich in zwei Hauptbereiche, einen emprisch-analytischen und einen auf normativer Gesellschafts- und Politiktheorie ausgerichteten Bereich. Letzterer hat als Ziel die Beteiligung aller an möglichst vielen öffentlichen Angelegenheiten und die Partizipation als Modus der Interessenfindung. Die partizipatorische Demokratietheorie will somit den Kreis der Stimmberechtigten bei der Entscheidung über öffentliche Angelegenheiten erweitern und intensivieren (S. 169).

 

Engesser (2008) verweist weiters auf Bowman und Willis (2003) die den Versuch einer theoretischen Definition des Partizipativen Journalismus unternehmen:

 

The act of a citizen, or group of citizens, playing an active role in the process of collecting, reporting, analyzing and disseminating news and information. The intent of this participation is to provide independent, reliable, accurate, wide-ranging and relevant information that a democracy requires. (S. 9)

 

Was frei übersetzt so viel bedeutet wie dass einzelne oder Gruppen von Menschen eine aktive Rolle bei der für eine Demokratie wichtige und notwendige Informationsbeschaffung und deren Verwertung spielen. 

 

Engesser (2008) sammelt vor dem eigentlichen Definitionsversuch des Partizipativen Journalismus zur Abgrenzung desselibigen noch weitere Begriffe wie Amateurjournalismus, Graswurzeljournalismus oder Netzwerkjournalismus, wobei meines Erachtens besonders der Kollaborative Journalismus und der Public Journalismus vom Partizipativen Journalismus abzugrenzen sind (S. 31-34). 

 

Partizipativer Journalismus stellt eine besondere Ausprägung des Journalismus dar und lässt sich mit den charakteristiken des Objektiven, Investigativen und Literarischen Journalismus beschreiben. Die zentrale Aufgabe des Partizipativen Journalismus ist nach Engesser (2008) eine gesellschaftliche, und zwar jene von der Herstellung einer medialen Partizipation, was so viel heisst wie die Beteiligung an der medialen Öffentlichkeit (S. 50). Hierunter fielen beispielsweise auch Foren und Gastkommentare wie sie auf Nachrichtenportalen zu finden sind. 

 

Im Gegensatz zum professionell-kommerziellen Journalismus, der sich durch mehr informationsbetonte Inhalte auszeichnet, charakterisiert sich sich Partizipativer Journalismus eher dadurch, mehr meinungsgetonte Inhalte zu veröffentlichen und aufgrund geringerer Professionalität häufig ohne professionelle Werbepartner, juristischer Beratung oder offizieller Büroräume auszukommen (Engesser 2008, S. 103).

 

 

 

Plattformen für den Partizipativen Journalismus

 

Nach Engesser (2008, S. 61-95) lassen sich folgende Plattformen des Partizipativen Journalismus im Web kategorisieren:

 

  • Weblogs (siehe auch Beitrag von Ganglberger)
  • Mikroblogging (siehe auch Beitrag von Antunovic)
  • Kollektive Wertangebote (Bspw. Youtube, Central TV, Flickr)
  • Wikis (Wikipedia, Wikinews)
  • Soziale Nachrichtenangebote (digg.com, webnews.de, colicia.de)
  • Professionell-redaktionelle Webangebote (The Sun --> MySun, Aftonbladet --> Läsarbladet)
  • Leserreporter-Angebote (Bspw. Bild-Leserreporter)
  • Professionell-partizipative Webangebote (generell geringe Anzahl, bspw. YouPost, OhmyNews, jetzt.sueddeutsch.de)
  • Sublokale Webangebote (Bspw. Myheimat.de)

 

 

Weblogs (Blogs) stellen meiner Eintschätzung nach die bedeutenste Form des Partizipativen Journalismus dar. Deshalb sollte an dieser Stelle noch Wert auf einige Unterschiede zwischen dem traditionellen Journalismus und dem sogenannten Blog-Journalismus gelegt werden. Traditioneller Journalismus versus Blog-Journalismus:

 

  • distanziert vs. persönlich
  • neutral vs. meinungsbetont
  • beidseitig vs. einseitig (Engesser 2008, S. 66)

 

Dem entgegenzuhalten ist natürlich, dass es verschiedenste Ausprägungen von Weblogs gibt und deren Erzähl- und Schreibstil durchaus variiert. Wir unterscheiden beispielsweise zwischen Arten (personal blogs, microblogs), Typen (Videoblog, Fotoblog), Geräten (Mobil, Desktop gebunden) und Themen (Reiseblog, Fashionblog) (Ganglberger und Eibl 2014).

 

Ausserhalb des Web kennen wir Plattformen des Partizipativen Journalismus natürlich schon länger:

 

  • Heimatzeitungen
  • Leserbriefe
  • Hörertelefon (beispielsweise bei Radiosendungen)
  • Nichtkommerzieller Rundfunk (Engesser 2008, S. 54-58)

 

Einen Vergleich von Plattformen des Partizipativen Journalismus sehe ich allerdings kritisch. Viel höher sind meiner Einschätzung nach die unsichtbaren Hürden der Partizipation von damals im Vergleich zu heute. Auch die Anonymität des Internets (auch wenn sie nur so scheint) lassen diese Hürden merklich geringer werden.

 

Wenn wir uns die Frage stellen wie sich Partizipativer Journalismus manifestiert, beschreiben Bowman und Willis (2003, S. 21-32) als Antwort folgende Formen die sich herauskristallisieren:

 

  • Diskussionsgruppen (Discussion groups)
  • Nutzer-generierter Inhalt (User generated content)
  • Weblogs (siehe oben)
  • Gemeinschafts- oder kollaboratives Publizieren (collaborative publishing)
  • "Peer-to-Peer"
  • XML Syndication (Really simple syndication)

 

 

Partizipation

 

Partizipation, als zentraler Asekt, beschreibt die Aktivität und vor allem die Freiwilligkeit der Teilnehmer an der publizistischen Tätigkeit. Im Partizipativen Journalismus schlüpfen Rezipienten auch in die Rolle von Kommunikatoren (Engesser 2008, S. 50). 

 
 
 

Gatekeeping im Partizipativen Journalismus?

 

Gatekeeping im Journalismus beschreibt die Kontrolle und Entscheidung darüber, welche Inhalte letztendlich über Medien (herkömmlich im Print- und Funksendebereich) an die Öffentlichkeit gelangen (Bruns 2005). In diesen Medien macht dies natürlich Sinn, weil Papier und Sendezeit begrenzt sind. Wie aber steht es um das Gatekeeping im Internet? Speicherplatz (für Webseiten, Blogs, etc., Anm.) sind zwar grundsäztlich begrenzt, jedoch soweit vorhanden um zu behaupten man könne endlos publizieren. Und Zeit, wenn die Inhalte erst einmal gespeichert sind, spielt auch einen nebensächliche Rolle. Inhalte können schließlich zu jeder Tages- und Nachtzeit abgerufen werden. Im Partizipativen Journalismus werden aus Rezipienten nicht nur Kommunikatoren, sondern quasi jeder zum Gatekeeper indem er entscheidet was er publiziert und was nicht. Wer entscheidet über Qualität und Veröffentlichbarkeit von Inhalten, und ist dem Leser zumutbar, über Relevanz und Qualität von Inhalten entscheiden zu können? 

 
 
 
 
 

Quellen:

 

Springer.com, http://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-92437-3_3#page-1, abgerufen am 31.5.2014

 

Antunovic, M.; https://collabor.idv.edu/lernblogantunovic/stories/48755/, abgerufen am 31.5.2014

 

Bowman, S., Willis, C.; We media: How audiences are shaping the future of news and information, http://www.hypergene.net/wemedia/download/we_media.pdf, abgerufen am 31. Mai 2014

 

Bruns, A.; Gatewatching: Collaborative Online News Production, New York: Peter Lang, 2005

 

Engesser, S.; Die Qualität des Partizipativen Journalismus im Web, Springer Fachmedien Wiesbaden, 2013

 

Ganglberger, C., Eibl J.; https://collabor.idv.edu/WebWiGanglberger/stories/48750/, abgerufen am 31.5.2014

 

Schmidt, M.G.; Demokratietheorien, Springer Fachmedien Wiesbaden, 1995

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