Freitag, 21. November 2014
Die Netzneutralitätsdebatte aus ökonomischer Sicht

Die Netzneutralität ist derzeit sowohl öffentlich als auch in der Politik in aller Munde. Es wird erwartet, dass das Datenvolumen zukünftig noch weiter ansteigt, was Entwicklungen in Bezug auf das Datenverkehrsmanagement bei möglichen Kapazitätsengpässen erfordert.

Internet Service Provider (ISP) planen Qualitätsstufen bei der Versendung von Daten einzuführen. Dienste- und Inhalteanbieter wird gegen ein Entgelt garantiert, dass die Daten auch in Zeiten von hoher Kapazitätsauslastung, möglichst schnell und in hoher Qualität beim Empfänger ankommen.  Dieses Entgelt können ISP anschließend dafür nutzen, in die Breitbandinfrastruktur zu investieren und das Netz weiter auszubauen.

Diese Art des Datenverkehrs führt unweigerlich dazu, dass bestimmte Datenpakete bei der Übermittlung bevorzugt werden. Allerdings hat sich das Internet welches wir heute kennen mit dem gegenteiligen „Best Effort Prinzip“ entwickelt. Dies bedeutet, dass alle Datenpakete gleich behandelt werden, und unabhängig von ihrer Herkunft, Qualität oder des Inhaltes schnellstmöglich weitergeleitet werden.

Internetmarktstruktur

Zum besseren Verständnis wird in dem Artikel die Struktur bzw. den Ablauf bei der Versendung von Daten aufgezeigt:

Quelle: Bild entnommen aus Fetzner et al. (2012), S. 778.

Im Internet werden bei der Versendung die einzelnen Daten, z.B. E-Mail, eine Homepage, in einzelne Datenpakete aufgeteilt. Ausgehend vom Sender werden die Pakete über verschiedene Netzknoten versendet, und beim Empfänger wieder auf die ursprüngliche Nachricht zusammengesetzt. Für ein Datenpaket gibt es aber keine vorgefertigte perfekte Route, sondern dieses sucht sich selbstständig den besten und schnellsten Weg.

Das bedeutet bei dieser Art der „paket-vermittelnden“ Übertragung gibt es drei wichtige Akteure. Dienste- und Inhalteanbieter, Internet Service Provider und Internetnutzer bzw. Endkunden. Dienste- und Inhalteanbieter „kaufen“ sich den Zugang durch den ISP, welcher die Datenpakete über verschiedene Netze weiterleitet. Der ISP garantiert dem Diensteanbieter dabei die Weiterleitung der Daten in das Backbonenetz, und dadurch die Auffindbarkeit im Internet. Endkunden erhalten durch den ISP Zugang zum Internet, und dadurch zu allen Inhalten. Der ISP der Endkunden wird oft als „lokaler ISP“ bezeichnet, die die „letzte Meile“ versorgen, also der „letzte Abschnitt zum Hausanschluss des Endkunden“. 

Aufgrund dieser Systematik am Internetmarkt wird im Artikel anschließend das Konzept der Netzneutralität beschrieben.

Netzneutralität

„Der  Begriff  Netzneutralität  bezeichnet  die neutrale Übermittlung von Daten im Internet, das bedeutet eine gleichberechtigte Übertragung aller Datenpakete unabhängig davon, woher diese stammen, welchen Inhalt sie haben oder welche Anwendungen die Pakete generiert haben.“[1]

Aus ökonomischer Sicht gibt es hierbei zwei unterschiedliche Aspekte:

  • Netzneutralität als Null-Preis-Regel
    Dies bedeutet, dass „lokale ISP von den Diensteanbietern weder unmittelbar noch  mittelbar über die ISP von Diensteanbietern ein Entgelt zur Weiterleitung ihrer Datenpakete an den Endkunden erheben dürfen.“
    Durch eine Abweichung von dieser „Null-Preis-Regel“ entsteht eine zweiseitige Preisstruktur. Lokale ISP könnten von Diensteanbietern ein Entgelt (direkt oder indirekt durch den ISP) für die Weiterleitung der Daten an die Endkunden verlangen. Diensteanbieter würden also unter diesen Umständen zwei Entgelte bezahlen, einerseits an den ISP, der die Daten an das Backbone-Netz weiterleitet, und andererseits an den Lokalen ISP, der die Daten an die Endkunden weiterleitet. Unter Null-Preis-Regel wird allerdings verstanden, dass die Weiterleitung zum Endkunden für den Diensteanbieter kostenlos ist. 
  • Netzneutralität als Nicht-Diskriminierungs-Regel
    Lokale ISP dürfen bei der Weiterleitung an den Endkunden nicht zwischen einzelnen Datenpaketen, hinsichtlich der „Herkunft, Qualität oder des Preises“, unterscheiden dürfen. Dies führt zu einer Nicht-Diskriminierung, beispielsweise in Bezug auf die Geschwindigkeit der Versendung von einzelnen Paketen. Dies bedeutet, dass er lokale ISP beispielsweise nicht die Website des Diensteanbieters 1 schneller aufbauen darf, als die inhaltlich gleiche Website des Diensteanbieters 2.

Konsequenzen bei Abweichungen der Netzneutralität

  • Niedrigeres Zugangsentgelt für Endkunden
    Würde die „Null-Preis-Regel“ aufgehoben werden, würden lokale ISP höhere Einnahmen durch das Entgelt der Diensteanbieter erhalten. Dies würde dazu anregen, dass das Zugangsentgelt der Endkunden gesenkt wird. Daraus lässt sich schließen, dass Endkunden durch die Null-Preis-Regel ein höheres Zugangsentgelt zahlen müssen.

  • Ausbau der Netzinfrastruktur
    Wenn die Null-Preis-Regel aufgehoben wird, können lokale ISP dieses zusätzliche Entgelt nützen, um in die Infrastruktur und damit in die Übertragungskapazität zu investieren. Dadurch können Dienstanbieter stausensiblere Anwendungen entwickeln und diese den Endkunden bereitstellen. Zusätzlich können geringere Preise für die Endkunden dazu führen, dass diese eher gewillt sind, mehr Anwendungen der Diensteanbieter zu nutzen. Dadurch werden die Erlöse der Diensteanbieter in weiterer Folge erhöht.

  • Geringere Investitionsbereitschaft der Diensteanbieter
    Betrachtet man die Seite der Endkunden, so besteht die Gefahr, dass diese nicht nur durch die sinkenden Internetzugangspreise profitieren. Durch das höhere Entgelt für die Diensteanbieter werden einige von diesen möglicherweise weniger, in das für Kunden relevante, Angebot investieren, bzw. reduzieren oder komplett einstellen.

  • Verdrängung von Nicht-Kommerziellen Angeboten
    Endkunden werden priorisierte gegenüber der nicht-priorisierten Übertragung bevorzugen, da dadurch qualitativ hochwertigere Inhalte schneller weitergeleitet werden. Nicht-Kommerzielle Anwendungen bzw. deren Geschäftsmodelle könnten allerdings unprofitabel werden, wenn diese für die Weiterleitung an den Endkunden an den ISP ein gewisses Entgelt bezahlen müssten.

Fazit

Die Netzneutralität im Internet hat Auswirkungen auf verschiedenste Funktionen am Markt. Einerseits ist dies positiv für Dienstanbieter, da die Übertragung auf „der letzten Meile“ zum Kunden für diese kostenlos ist. Des weiteren kann die Netzneutralität einen negativen Einfluss auf die Qualität haben, wenn es beispielsweise zu Kapazitätsengpässen in der Datenübertragung kommt, und stausensible Anwendungen wie Livestreams dadurch nicht optimal übertragen werden. Zusätzlich haben diese Eigenschaften der Netzneutralität auch Einfluss auf den Preis, den die Endkunden für den Zugang zum Internet bezahlen. Eine Aufhebung der Netzneutralität hätte dadurch also einen großen Einfluss auf das Internet-Marktgeschehen.

 


[1] Wissenschaftlicher  Dienst  des  Deutschen  Bundestages:  Ausarbeitung Nr. 14/10, 5.3.2010.

Fetzer, Thomas; Peitz, Martin; Schweitzer, Heike (2012): Die Netzneutralitätsdebatte aus ökonomischer Sicht. In: Wirtschaftsdienst 92 (11), S. 777-783.