Weblog-Journalismus
Samstag, 17. Januar 2004
Qualität und Ethik im Journalismus
Martina Kaiser-Rumstadt und Stefan Ruß-Mohl gehen in ihrem Werk „Qualität und Ethik im Journalismus“, wie uns der Titel der Arbeit bereits verrät, speziell auf die Ethik- und Qualitäts-Frage im Journalismus ein.

Ich möchte nun zusammenfassend die wichtigsten Punkte dieser Veröffentlichung wiedergeben.

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Qualität und Ethik im Journalismus.
Den Beginn der Ethik- Diskussion setzte die „Amigo- Affäre“ im Jahre 1993.
Die Augsburger Allgemeine Zeitung (AZ) und die Süddeutsche Zeitung decken ein Musterbeispiel für Vorteilnahme und –gewährung beim bayrischen Ministerpräsidenten Max Streibl auf. Er hatte sich während seiner Amtszeit als Finanzminister von einem befreundeten Unternehmer auf private Urlaubsreisen einladen lassen. Die Affäre endete mit Streibls Rücktritt. Daraufhin erhob sich der Vorwurf an die Journalisten, sie sollten vor der eigenen Türe kehren und über ihre Vergünstigungen von z. B. Autofirmen oder Reiseveranstalter nachdenken.
Die Amigo-Affäre hatte Folge: (5)
- Gründung eines Arbeitskreises „Anti- Amigo- Initiative“ im Juni 1993. Neun Chefredakteure kamen zusammen, um über Vergünstigungen im Journalismus zu diskutieren
- Regelungen sind vor allem im Reise- und Motorressort nötig
- man befürchtet, dass Journalisten nach Einladungen, bei denen der Gastgeber alle Kosten trägt, weniger kritisch berichten oder nur berichten, weil sie sich dem Veranstalter verpflichtet fühlen
- der Arbeitskreis suchte Gespräche mit Vertretern der Automobilbranche, Reiseveranstaltern, Journalisten- und Industrieverbänden und dem deutschen Presserat

Es kam zu Richtlinien des Arbeitskreises als Orientierungshilfe für die Redakteure: (6)
- An- und Abreise zu Presseterminen sind selbst zu zahlen
- Benzinkosten für Autotests sollen selbst übernommen werden
- Presseeinladungen ins Ausland sollen nur angenommen werden, wenn es sich um wichtige, internationale Präsentationen handelt
- Journalisten soll die Annahme von Geschenken untersagt werden, die den Wert von 75 DM überschreiten (zugelassener Höchstbetrag des Finanzamtes)
- Journalisten soll nur die Annahme solcher Rabatte erlaubt werden, die auch anderen Berufsgruppen gewährt werden

Die Anti- Amigo- Initiative hat zumindest das Problembewusstsein der beteiligten Chefredakteure geschärft:

In den Redaktionen der am Arbeitskreis beteiligten Zeitungen werden Einladungen zu Reisen auf Kosten von Unternehmen seltener angenommen als bei anderen Zeitungen. Der Versuch von sechs Zeitungshäusern, sich zu einem Reisepool zusammen zusammenzuschließen, scheiterte (anscheinend an mangelndem Elan). Sie wollten beweisen, dass auch mit bescheidenen Etats mehr Unabhängigkeit von der Tourismusbranche möglich ist.

Doch die Unabhängigkeit kostet zu viel Geld. Deshalb wird bei den Mitgliedern des Arbeitskreises häufiger auf Berichte von freien Mitarbeitern zurückgegriffen. Damit verliert man die Kontrolle darüber, wie und auf wessen Kosten recherchiert wird.

Die Veranstalter solcher Presseeinladungen geben an, aus Platzgründen, Wetterverhältnissen, Ambiente und weltweite Markenpräsentation ihre neuen Modelle im Ausland vorzustellen.

Für mehr Klarheit und Verbindlichkeit könnten redaktionelle Ethik- Kodizes sorgen, die in Deutschland nahezu unbekannt sind . In den USA dagegen haben 44% der Zeitungsredaktionen und 49% der Fernsehstationen einen schriftlich fixierten Verhaltenskodex.
Sie thematisieren : (7)
- Geschenke, Rabatte und andere Vergünstigungen
- Nebeneinkünfte
- Spekulationsgeschäfte an der Börse
- pol. Betätigung
- Trennung von Werbung und redaktionellem Angebot
- Umgang mit anonymen Quellen

Gegner solcher Ethik- Kodizes warnen, dass diesen Richtlinien blind gefolgt wird und dass sie im Vorab schon die Neugier der Journalisten beschränken würden.

Befürworter heben vor allem zwei Aspekte hervor:

die Kodizes zeigen täglich in der Redaktion die hohe Priorität von korrektem ethischen Verhalten und sind außerdem gute Public Relations für die Zeitung, da sie der Öffentlichkeit zeigen, dass sich die Zeitung um ihr eigenes Verhalten Gedanken macht.

Kodizes sind also eine Option von redaktionellem Management, um journalistische Qualitätsstandards zu sichern.
Würde man sich im Journalismus wie in der Öffentlichkeitsarbeit jeweils auf betrieblicher und individueller Ebene um ethische Standards und somit auch Qualitätssicherung bemühen, entstünde ein vierfacher Filter: (8)

1. Organisationsethik in der PR
2. Individualethik in der PR
3. Organisationsethik im Journalismus
4. Individualethik im Journalismus

So ist zu hoffen, dass im mehrstufigen Kommunikationsprozess von der Quelle bis zum Publikum mindestens ein Filter funktioniert.

Um auch die Organisationsethik in der Redaktionen zu forcieren, schlagen die Autoren sog. „Sentencing Guidelines“ vor, die in den USA solchen Unternehmen mildere Strafen bei z. B. wirtschaftskriminellen Gesetzesverstößen in Aussicht stellen, die durch präventive Maßnahmen versucht haben, Fehlverhalten zu verhindern. Dies ist im Bereich der Medien vor allem im Hinblick auf Prozessrisiken denkbar. Die Unternehmen könnten dann im Klagefall nachweisen, sich um professionelle Standards zumindest bemüht zu haben. (9)

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