Mobile Business Artikel - Erweiterungsentwurf des Geschäftsmodells Amazon Go
magdalena.bieregger.uni-linz, 10. Jänner 2017, 20:43
In meinem gewähltem Thema geht es um den ersten Supermarkt ohne Kasse von Amazon, der gerade seine Betaphase in den Vereinigten Staaten durchläuft. Ich habe im Rahmen meiner Arbeit versucht genau diese, noch nicht direkt existierende Technologie um mögliche Gadgets des Mobile Business zu erweitern.Spezielle Fragestellungen dabei sind: Welche Technologie wird dabei genutzt? Welcher Mehrwert und welche Innovationen werden durch dieses Programm geschaffen? Welche möglichen Erweiterungen der bestehenden Applikation könnten zusätzlichen Nutzen bieten?
Die Idee mobile Geräte einzusetzen und die Kassenbereiche in Supermärkten abzuschaffen, gibt es in der Retail Branche schon länger. Der Grund für diesen Bedarf ist jener, dass der Bezahlvorgang an sich sehr kostenintensiv für die Händler ist und zu langen Wartezeiten bei den Kunden führt. Bislang konnte noch kein automatisiertes Abrechnungssystem perfektioniert werden, (IBM hatte beispielsweise ein Modell mit Funketiketten versucht, scheiterte aber an den Kosten der Etiketten[Q2]) doch die sich rasant verändernde Technik hat es nun geschafft ein neues Geschäftsfeld zu entwickeln. (mehr über aktuelle Trends) Die von Amazon präsentierte Technologie scheint ein Gamechanger im Lebensmitteleinzelhandel zu sein, denn trotz Onlineboom wird in Österreich nach wie vor zum größten Teil stationär eingekauft. [Q1] Es existieren bereits viele Technologien und Apps um den Einkauf im Handel für den Kunden einfacher und attraktiver zu machen, doch erst mit Amazon Go hat sich die Retail Branche an die Schnelllebigkeit des Mobile Business angepasst.
Vor dem Einkauf müssen die Kunden zunächst ihren "Key" der auf dem Smartphone installierten Amazon-Go-App, beim Eingang scannen lassen. Dann erkennen im Laden installierte Sensoren und Deep-Learning-Algorithmen (-Amazon vergleicht die Technik mit der, die auch für autonome Fahrzeuge genutzt wird-), was die Kunden aus den Regalen nehmen oder dorthin wieder zurückstellen. So füllt und leert sich der virtuelle Warenkorb innerhalb der Applikation. Nach dem Verlassen des Geschäfts wird der fällige Betrag vom Amazon-Konto abgebucht. [Q3]
Die Technologie
Amazon hat noch keine konkreten Informationen bezugnehmend auf die verwendete Technologie veröffentlicht. Allerdings gibt es ein Promotionsvideo, welches die Technik vermuten lässt.
Auch die Patentanmeldungen von Amazon beschreiben ein System, welches RFID´s verwendet, um die Artikel bei der Entnahme aus dem Regal zu erfassen, und die Daten anschließend auf dem mobilen Applikationsgerät synchronisiert. Wenn die Kunden den Laden verlassen, wird dem System ein Signal übermittelt, welches den Einkauf daraufhin abschließt und den fälligen Betrag auf dem Amazon-Konto berücksichtigt. [Q4]
Bestandteile der "Just Walk Out" -Technologie:
· Computer Vision
· tiefe Lernalgorithmen
· Sensor Fusion
Computer Vision beschreibt ein maschinelles Bildverstehen also ein Computer Sehvermögen, welches mit tiefen Lernalgorithmen und Sensor Fusion die Grundlage bildet. [Q5]
Für die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Ergebnisse ist eine intelligente Fusion mehrerer verschiedener Sensoren nötig. Die Identitätsbestimmung ausgewählter oder platzierter Artikel erfolgt nicht nur mittels RFID Technologie. Zusätzliche Sensoren ermitteln den aktuellen Bestand auch über das Gewicht des Gegenstandes, mittels eingebauter Drucksensoren oder Bildanalyse. Mit der Bildanalyse wird die Liste der potenziell passenden Elemente erst auf eine kleine Liste reduziert. Um das Element anschließend eindeutig zu identifizieren, wird das Gewicht des platzierten Gegenstandes, mit dem gespeicherten Gewicht für jedes der potentiell passenden Gegenstände verglichen. Durch genau dieses kombinieren mehrerer Eingaben wird ein höheres Vertrauensniveau geschaffen. [Q4]
Der wesentliche Kundennutzen & Eigenschaften der Applikation beinhalten folgende Punkte.
- Automatisches Bezahlen: Der Kunde gewinnt dadurch eine enorme Zeitersparnis während des Einkaufens. Er muss sich weder in einer Warteschlange anstellen, noch seine Produkte erneut aus dem Korb nehmen oder sofort bezahlen.
- Sofortige Sicht des genauen Zahlbetrages: Auf der benützten App kann zu jeder Zeit genau nachvollzogen werden welche Produkte sich aktuell im Einkaufswagen befinden und welche Kosten diese verursachen.
- Einfach nur beim Vorbeigehen shoppen: Genau diese Vision will Amazon Go verwirklichen. Der Kunde soll eine Einkaufsmöglichkeit erhalten bei der er nicht mehr das Gefühl hat dafür auch etwas bezahlen zu müssen. >>take the products you want, and just go! No lines, no checkout.<<
Mehrwert und Erweiterung durch Mobile Innovation
Die beschriebene Applikation könnte durch folgende Gadgets des Mobile Business erweitert werden.
Personalisiertes Marketing: Amazon generiert spezifisch genaue Daten durch das Wissen, welche Produkte der Konsument genommen und weggelegt oder gekauft hat. Genau wie im herkömmlichen Amazon online Shop können Produkte gezielt vorgeschlagen und beworben werden. [Q7]
Personalisierte Angebote: Das Tracken des Einkaufverhaltens oder angelegter Einkaufszettel in der Applikation, könnte eine Erweiterung dieser Innovation sein und einen Mehrwert bieten. Mit genau dieser Technologie kann Amazon seine Kunden besser kennen lernen. Mit der Bekanntgabe dieser personalisierten Daten könnten intelligente Algorithmen die Kunden mit noch personalisierteren Angeboten zum Kauf bewegen.
Phygitales Shopping und Bluetooth Marketing: Als wesentlicher Teil einer Marktstrategie könnte die Nutzung dieser neuen Technologie speziell im Retail Bereich einen erheblichen Mehrwert bieten. Mit dem Einsatz des energiesparenden BLE (Bluetooth Low Energy) und adäquaten Beacons kann mit Kunden, welche sich im Umkreis von max. 100 Metern befinden und welche ein mobiles Endgerät mitführen, kommuniziert werden. Auch der Markenname iBeacons von Apple steht für solche kleine Sender die BLE mit ihrem Empfänger, wie beispielsweise dem Smartphone, kommunizieren. Durch die geringe Reichweite des BLE, werden diese vorwiegend in geschlossenen Räumen verwendet. Im Handel können iBeacons vielseitig verwendet werden. Beispielsweise für das Proximity Marketing, bei dem Kunden abhängig von deren Standort, über mobile Endgeräte angepingt werden. Beacons könnten in unterschiedlichen Arten verwendet werden:
Personalisierte Beratung
Mitarbeiter könnten über den Store-Eintritt des Kunden gezielt über seine Ankunft und sein Interesse informiert werden, neue Beratungs- und Verkaufsstrategien könnten realisiert werden. (Eine neue Geschäftsidee?)
User behavior tracking
Durch das Auswerten von Daten bezugnehmend auf das Einkaufsverhalten, kann Werbung personalisiert werden. (Mehr im Punkt personalisierte Angebote)
Push-Nachrichten
Eine Möglichkeit in welcher die App diverse Push-Nachrichten empfängt, (Erinnerungen, Gutscheine, spezielle Angebote etc.) um mit dem Kunden aktiv in Kontakt zu treten. Der Kunde erhält während des Einkaufes standortspezifische Angebote und Gutscheine für bestimmte Produkte. iBeacons können auch verwendet werden um den Kunden zu inspirieren beispielsweise mit möglichen Rezeptvorschlägen und so zum Kauf zu bringen.[Q6] (Ergänzt mit dem Punkt personalisiertes Marketing) - (Mehr zu dieser Idee auch unter dem Punkt, Geotargeting und Geointelligenz.)
Nachfrageorientierte Angebote
Beispielsweise können auch verkaufsunterstützende Informationen über ein vom Kunden gewähltes Produkt, aktiv ausgegeben werden wenn er dazu explizitere Details wissen möchte.
Geotargeting und Geointelligenz: Bei dieser Funktion handelt es sich um eine Form der standortbasierten Werbung mit erweiterten Nutzenbereich. Diese kann dabei in verschiedenen Arten angewendet werden um Mehrwerte zu kreieren. [Q8]
Eine Intelligente Einkaufsliste könnte den Kunden zu den gewünschten Produkten navigieren. Durch die Indoor Nativagion könnte der Kunde einen Einkaufsassistenten gewinnen, welcher Zeitsparend und Entscheidungsunterstützend agiert.
(Eine neue Geschäftsidee?)
Wenn der Kunde auf seiner online Einkaufsliste beispielsweise Wurst verzeichnet hat und sich beim Einkauf der Wursttheke nähert, könnte er von der App spezielle Angebote für bestimmte Wurstsorten angezeigt bekommen. Diese Möglichkeit bietet einerseits erweiterte Marketingtechnische Möglichkeiten, aber auch für den Kunden wäre diese Inspiration eine Ergänzung bisheriger Möglichkeiten.
Originarität, Innovation und Mobile Strategie
Im Mobile Business stellt man sich die Frage ob und welche Mehrwerte gegenüber >Brick and Mortar< oder dem klassischen EBusiness bestehen. Darüber hinaus ist Mobile Business eng mit Innovation verbunden, da neue Geschäftsfelder, Zielgruppen oder Märkte erschlossen werden. Aufbauend darauf wird das Anwendungsbeispiel Amazon Go mit den möglichen Mehrwerten hinsichtlich Originarität, Innovation und Strategie im Mobile Business näher betrachtet.
Originarität der Mobilkommunikation
Betrachtet man die digitale Technik im Handel, erkennt man sofort die originären Merkmale der Mobilkommunikation. Das Geschäftsmodell Amazon Go, mit den weiter oben gewählten zusätzlichen Geschäftsprozessen und Mehrwerten durch das Mobile Business, verkörpern nahezu perfekt die Originarität der Mobilkommunikation. Im speziellen springen einen die Prozesse der mobilen Endgeräte, multiple Sensoren,Personalisierung, Lokaler Kontext, und die Veränderung der Kommunikationskultur bei dieser Technologie ins Auge. Demnach ist das Geschäftsmodell ohne diese originären Merkmale nicht umsetzbar. Auch unter dem Punkt Mehrwert durch Mobile Innovation, wird verdeutlicht, dass ein Vergleich mit dem klassischen EBusiness oder dem Brick and Mortar kaum möglich ist, bzw sich eindeutig die Originalität der Mobilkommunikation herauskristallisiert. Alleinig der Punkt Ubiquität, also die Unabhängigkeit von Ort und Zeit kann nicht vollständig implementiert werden, da mit standortbezogenen Informationen gearbeitet wird.
Innovation durch Mobile Business
Amazon Go befindet sich im gewählten Sektor als solches erst in der Pionierphase und beginnt demnach erst zu wachsen. Demnach ergeben sich neue Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse aber auch Innovationen die neuen Geschäftsfelder und Kunden erschließen lassen. Beispielsweise werden noch neue Möglichkeiten wie die Technologie der Beacons genutzt werden könnte oder mögliche Formen der Implementierung dieser in die Bezahlapplikation, generiert werden.
Eine Kombination von In- und Outdoor-Navigation, das Verwenden von intelligenten Einkaufslisten und deren smarten Daten sowie die möglichen Push-Benachrichtigungen bieten eine Innovation der Retail Branche wie sie schon lange überfällig ist. Genau wie Industrie 4.0 könnten alle Abläufe und Kundenwünsche standardisiert werden. Immer mehr neue Geschäftsideen und Möglichkeiten werden sich herauskristallisieren um einen potentiellen Kunden zu gewinnen und diesen von der Parkplatzsuche bis hin zur Produktfindung und zeiteffizienten Bezahlung zu betreuen.
Bezugnehmend auf den Teil des automatischen Bezahlens, könnten eventuelle Störfaktoren während des Einkaufens auftreten, da bei den meisten überlegten Mehrwertnutzungen das Smartphone allzeit griffbereit sein sollte um die Informationen der Produkte, die kurzen Wegstrecken zum Produkt oder Push-Nachrichten lesen zu können. Der Trend könnte vermehrt zu Wearables neigen oder eine Änderung der Einkaufswägen könnte zusätzlich erfolgen um die Lesbarkeit der Einkaufsunterstützung zu erleichtern. Eine weitere Hypothese nach der Einführung des bezahllosen Einkaufens könnte die Lukrativität und Realisierbarkeit einer Einkaufsunterstützung hinterfragen.
Mögliche Kooperation
Mögliche Kooperationen sind mit dem globalen und österreichischen Handel denkbar. Der österreichische Handelsverband ist über den Marktientritt von Amazon Go ohnehin sehr beunruhigt. [Q9] Es stellt sich die Frage ob nationale Größen mit dieser Technologie mithalten bzw nachziehen können ohne einer Kooperation. Möglicherweise könnte eine Kooperation im Sinne eines „Joint Ventures“ mit lokalen Größen der Handelsbranche angestrebt werden.
Mobile Strategie
Die Geschäftsmodelle mobiler Strategien sind oft Kurzlebig. Demnach muss sich der stationäre Handel nach Einführung einer Mobilen Strategie durch ständige Innovationen und in kurzen Zeitabständen ändern und anpassen um am Markt bestehen zu können.
Amazon ist bereits ein großer Player und wird bei der Betrachtung des Konversionstrichter Modells und der Majority Illusion Theorie, sehr schnell seine Kunden dazu bringen die neuen mobilen Möglichkeiten anzuwenden und zu nutzen. Mit seinem Kundenstamm wird der online Riese als Markt Multiplikator die Rolle des Influencers übernehmen und viele Markteintrittsbarrieren überwinden, welche den stationären lokalen Handel behindern könnte.
[Q1]http://derstandard.at/2000048843295/Amazon-eroeffnet-Supermarkt-ohne-Kassen (abgerufen am 29.12.2016)
[Q2]https://de.wikipedia.org/wiki/Amazon_Go (abgerufen am 29.12.2016)
[Q3]https://www.youtube.com/watch?v=NrmMk1Myrxc (abgerufen am 29.12.2016)
[Q4]http://www.geekwire.com/2016/amazon-go-works-technology-behind-online-retailers-groundbreaking-new-grocery-store/ (abgerufen am 29.12.2016)
[Q5]https://de.wikipedia.org/wiki/Computer_Vision (abgerufen am 29.12.2016)
[Q6]https://www.allaboutapps.at/2016/02/ibeacons-technologische-evolution-im-handel/ (abgerufen am 29.12.2016)
[Q7]http://www.geekwire.com/2016/ready-tracked-grocery-store-amazons-mini-mart-new-frontier-digital-privacy/ (abgerufen am 30.12.2016)
[Q8]https://de.wikipedia.org/wiki/Geotargeting (abgerufen am 02.01.2017)
[Q9]http://diepresse.com/home/wirtschaft/unternehmen/5129938/Amazon-verwirklicht-den-Supermarkt-ohne-Kassen (abgerufen am 02.01.2017)
Wird die Masse ausgeschlossen?
simone.mathe.uni-linz, 9. Jänner 2017, 20:52
Ich habe mich bereits bei Geschäftsmodellen wie der Onlinebestellung von Billa gefragt, ob hier nicht eine breite Masse der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Amazon Go hat mich wieder auf diesen Gedanken gebracht.
Derzeit gibt es noch viele ältere Personen, bzw. auch die Generation meiner Eltern, die mit dem Internet nicht viel am Hut haben, es entweder gar nicht nutzen oder nur um Emails zu schreiben und Nachrichten zu lesen. Diese Menschen werden mit solchen Geschäftsmodellen nicht klar kommen.
Natürlich weiß ich, dass jüngere Generation schon mit Smartphones und Co. aufwachsen, jedoch bleibt immer die Frage, welcher Anteil der Menschheit aus solchen Geschäftsmodellen einen Nutzen ziehen kann und ob dadurch nicht auch sehr schnell die Kontrolle über das Geld verloren geht.
Eine interessante Fragestellung.
magdalena.bieregger.uni-linz, 11. Jänner 2017, 10:34
Eine interessante Fragestellung, welche ich auch in anderen Bereichen der Technologischen Entwicklung sehe. Auch in Bereichen der VR gehen Forschungen in eine Richtung, welche bestimmte Bestandteile voraussetzt um daran teilzunehmen. (Mehr zum Thema VR in sozialen Medien) Aber auch die Überlegung ob es gut ist all seine sensiblen Daten einer online Plattform, bzw noch viel direkter, sofort dem Händler in diesem Fall Amazon, übergeben will steht in einem kontroversen Fokus.
Doch ich denke, bei innovativen Technologien die gerade erst im Kommen sind, wird ohnehin eine spezielle Zielgruppe angesprochen. Die ältere Generation hat in diesem Bereich bestimmt andere Präferenzen. Und da sich auch Amazon Go erst in der Testphase befindet, kann man noch hoffen, dass es auch eine Variante für „nichtUser“ geben wird.
Eine aktuelle Erhebung der Statistik Austria..
Hans.Mittendorfer.Uni-Linz, 11. Jänner 2017, 10:50
.. lässt den Schluss zu, dass die "Internettauglichkeit" der "älteren Personen" in Österreich doch nicht so gering ist, wie oft angenommen. Mobiltelefone bzw. Smartphones dürften ihren Beitrag dazu leisten.
Quelle: Statistik Austria.
Angepasste Einkaufslisten
elsa.wiesinger.uni-linz, 12. Jänner 2017, 08:25
Ich finde das Geschäftsmodell echt spannend und kann mir gut vorstellen dass man es noch erweitern kann.
Beispielsweise könnten Einkaufslisten generiert werden auf Basis der gewünschten Ernährung. Sei es bei einer Fastenkur, bei einer bestimmten Ernährungsform, bei Intoleranzen (Milch, Nüsse, etc.) oder bei einem Krankheitsbild. Ich seh da einen großen Mehrwert für die Nutzer!