Webkommunikation Partizipativer Journalismus im Web 2.0
christoph.koch.uni-linz, 3. Juni 2014, 09:51
Um mit dem oben genannten Thema starten zu können, ist es notwendig, eine möglichst treffende Definition zu finden. „Möglichst“ treffend deshalb, weil dem partizipativen Journalismus eine Reihe Wortschöpfungen vorangehen. Unter den Begriffen „Amateurjournalismus“, „Graswurzeljournalismus“, „Netzwerkjournalismus“ und „Parajournalismus“ hat sich der „Partizipative Journalismus“ mehrheitlich durchgesetzt. Doch mit dem steigenden Ausmaß an Begriffen ging entgegengesetzt auch eine Definitionsarmut einher, was sich mit der rasanten Entwicklung neuer Medien und ihren Begleiterscheinungen erklären lässt [Q1].
All diese Begrifflichkeiten lassen eine Vermutung zu, und trotzdem bin ich nun noch eine Definition schuldig. Grundsätzlich handelt es sich dabei um Journalismus, der mittels der Teilnahme von BürgerInnen durch neue Medien, also dem Internet, erfolgt. Dadurch wird, speziell durch Weblogs, ermöglicht, dass BürgerInnen eine aktive Rolle in der Recherche, dem Berichten und Analysieren sowie dem Verbreiten von (unabhängigen) Informationen einnehmen [Q2].
Dabei stehen gerade Weblogs und der klassische Journalismus in einem angespannten Verhältnis zueinander, die Repräsentanten der alten und neuen „Medienwelt“ sozusagen. Einerseits will der Journalismus das Überleben von Presse und Rundfunk sichern, andererseits expandiert dieser aber selbst ins Internet mit dem Versuch, die professionelle Produktion und Verbreitung aktueller Informationen dorthin zu übertragen. Hier entwickelt sich die zweite Konfliktlinie zwischen professionellem, hoch standardisiertem und organisiertem Journalismus einerseits und gering standardisiertem, vernetztem, mit einem Wort partizipativem Journalismus andererseits. „Der professionelle Journalismus versucht durch öffentliche Kritik, seine Standards zu verteidigen und die Konkurrenz der Weblogs abzuwehren.“ [Q3]
Um nicht allzu weit abzuschweifen, möchte ich mich nun der Vielfalt der Begriffe sowie den Erscheinungsformen des partizipativen Journalismus widmen. Engesser [Q4] gruppiert die Erscheinungsformen nach Plattformen außerhalb des Internets sowie im Web. Auf eine lange Geschichte können die sogenannten Heimatzeitungen zurückblicken. Bereits während des 18. Jahrhunderts wurde den LeserInnen ermöglicht, am Inhalt mitzuwirken. Diese nicht gerade mit journalistischer Qualität verfassten Einsendungen wurden auch „Mitarbeit des Publilums genannt“. Diese Einsendungen konnten in referierende, also tatsachenbetonte Meldungen und Berichte sowie räsonierende, sprich meinungsbetonte Meinungen und Kritiken eingeteilt werden. Auch Leserbriefe [Q6] können ab dem 18. Jahrhundert als Medium des partizipativen Journalismus gezählt werden. Wichtige demokratische Aufgaben von Leserbriefen sind nach wie vor Artikulation, Meinungsbildung und Kontrolle. Die Anfänge eines Hörer- und Zuschauertelefons lassen sich in die 1930er der USA zurückverfolgen, wo der Hörer direkt in die Radiosendung geschaltet wird. Das Besondere hierbei ist, dass in diesem Fall anders als bei den anderen Medien die Möglichkeit des direkten Kommentierens möglich ist. Auch Alternativpresse stellt eine Partizipationsmöglichkeit dar – Partizipation kann hier sogar als Primärziel dieser Mediengattung genannt werden. Erwähnenswert ist hier, dass das Aufkommen einer Alternativpresse eine ähnliche Begriffsinflation auslöste wie beim eingangs erwähnten partizipativen Journalismus – sogar von „Neuen Medien“ war die Rede, welche eigentlich synonym für neue, elektronische Medientechniken stehen. Als weitere, für unsere Breiten weniger relevante Plattformen des partizipativen Journalismus können noch nichtkommerzieller Rundfunk und offene (regionale TV-) Kanäle genannt werden.
Ein Überblick über Plattformen des partizipativen Journalismus im Web soll diese Auflistung ermöglichen. Eine Detaillierte Beschreibung würde den Rahmen sprengen, weshalb ich auf „Die Qualität des Partizipativen Journalismus im Web“ von Sven Engesser verweisen möchte. Ab Seite 60 bis 124 sind folgende Plattformen detailliert angeführt. Mittels dem JKU-Login kommen Sie HIER zur Vollversion des Buches.
Weblogs: zusammengesetzt aus „Web“ und „Logbuch“. Kategorien: Experten-Blogs, Watchblogs zur Beobachtung von Politik, Wirtschaft usw., Warblogs (Kriegsberichte aus erster Hand), J-Blogs von Jouralisten, Untergrund-Blogs autoritärer Regime sowie Blogs in PR und Werbung.
Mikroblogging: in der Regel stehen hier maximal 140 Zeichen zur Verfügung, z.B. Twitter
Kollektive Webangebote: hier übernimmt ein Kollektiv die Herstellung und Bearbeitung der Inhalte.
Wikis: Sonderform kollektiver Webangebote – hohe Offenheit auf allen Stufen des Produktionsprozesses, Nachverfolgung und Rückgängigmachen von Änderungen kein Problem.
Soziale Nachrichtenangebote: weitere Sonderform kollektiver Webangebote. Hier werden Nachrichten aus dem Web gesammelt – dieser werden anschließend von einem Kollektiv in einem sozialen Prozess bewertet.
Professionell-redaktionelle Webangebote: hohes Maß an Professionalität und hoher Organistionsgrad. Dieses Webangebot wird in der Regel von professionellen Journalisten geführt. Erhalt der klassischen Rollenverteilung zwischen JournalistInnen und LeserInnen.
Leserreporter-Angebote: Sonderform der Nutzerbeteiligung. NutzerInnen werden zum Einsenden von Bildmaterial aufgerufen – betreffen nicht nur Webangebote.
Professionell-partizipative Webangebote: Kombination aus einer Redaktion mit professionellen Journalisten und eigenständiger Beitrage von Nutzern.
Sublokale Webangebote: widmen ihre Inhalte der Leserschaft aus einem begrenzten Einzugsgebiet, welche unter der Aufmerksamkeitsschwelle der Lokalpresse liegen.
Plattformen des Partizipativen Journalismus im Web allgemein.
Innerhalb des Partizipativen Journalismus gibt es eine Vielzahl an Begrifflichkeiten. Diese lassen sich am besten mittels folgender Tabelle mit den jeweiligen Leitkonzepten erläutern [Q5]:
Leitkonzept |
Prozessrichtung |
Begriffe |
Professionalität der Akteure |
Bottom-Up |
Amateur-Journalismus, Laienjournalismus, Parajournalismus |
Prozess der Aussagenentstehung |
Bottom-Up |
Kollaborativer Journalismus, Netzwerk-Journalismus, Open-Source-Journalismus, Peer-to-Peer-Journalismus, User-Generated-Content |
Gesellschaftliche Aufgabe |
Bottom-Up |
Bürger-Journalismus, Graswurzel-Journalismus, Partizipativer Journalismus |
Gesellschaftliche Aufgabe |
Top-Down |
Civic Journalism, Community Journalism, Public Journalism |
Aufgrund der Begriffsvielfalt konnte hier nur eine kleine Einführung und ein kurzer Überblick zum Partizipativen Journalismus geboten werden. Wie jedoch erkenntlich wurde, ist Partizipativer Journalismus an sich nichts Neues. Erst mit dem Web 2.0 entstand eine noch nie dagewesene Bandbreite an Medien. Ebenso verschwanden mittlerweile beinahe alle Barrieren, die eine Teilhabe erschweren könnten – in technischer wie auch in soziokultureller (u.a. Bildung) Sichtweise.
Quellen:
[Q1] Engesser, Sven (2013): Die Qualität des Partizipativen Journalismus im Web. Zürich. Seite17.
[Q2] Graswurzel-Journalismus: Wikipedia, url: http://de.wikipedia.org/wiki/Graswurzel-Journalismus
[Q3] Neuberger, Christoph/Nuernbergk, Christian/Rischke, Melanie (2009): Journalismus im Internet: Profession – Partizipation – Technisierung. S. 135
[Q4] Engesser, Sven (2013): Die Qualität des Partizipativen Journalismus im Web. Zürich. Seite54-124.
[Q5] Engesser, Sven (2013): Die Qualität des Partizipativen Journalismus im Web. Zürich. Seite 36.
[Q6] Partizipativer Journalismus. url: http://www.infospeed.de/partizipativer_journalismus.htm, Zugriff: 3.6.2014.
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