Soziale Medien und interpersonelle Kommunikation
antonia.gantner.uni-linz, 28. Juni 2017, 18:34
Einleitung:
Aufstehen, etwas auf Facebook posten. Im Zug ein Gespräche belauschen und darüber twittern. Beim Mittagessen Youtubevideos checken. Während der Arbeit Soundcloud-Musik hören. Vor dem ins Bett gehen noch ein paar Whatsapp-Nachrichten schicken. Den meisten von uns dürfte solche Szenarien mehr oder weniger bekannt sein. Soziale Medien sind mittlerweile im Alltag vieler Menschen ein ständiger Begleiter. Doch welchen Einfluss hat das auf unser Verhalten und unsere Kommunikation mit anderen?
Begriffe:
- Soziale Medien sind laut Jan-Hinrik-Schmidt wie folgt einzuteilen:
- Netzwerkplattformen: Facebook, Google +, LinkedIn, Xing etc
- Multimediaplattformen: Youtube, Flickr, Soundcloud etc
- Webblogs
- Microblogs: Twitter
- Wikis
- + Instant-Messaging: Whatsapp, Snapchat etc
(vgl. Schmidt 2013)
Social-Media-Nutzung:
Die Nutzerzahlen aus dem Jahr 2016 zeigen, wie verbreitet Soziale Medien mittlerweile sind – Tendenz steigend:
Facebook: 1,86 Milliarden
Youtube: 1 Milliarde
Whatsapp: 1 Milliarde
Instagram: 600 Millionen
Twitter: 319 Millionen
Snapchat: 100 Millionen
(vgl. Lars)
Doch bei der Art der Nutzung können je nach Alter/Generation Unterschiede festgestellt werden, wie die folgende Grafik (aus dem Jahr 2011) zeigt.
Abb. 1: Social Media Nutzung (Quelle: Zanger nach IBM 2011:4)
Vor allem im Leben von Jugendlichen spielen Soziale Medien eine wichtige Rolle.
Auch in Großbritannien gab es eine Untersuchung der Royal Society for Public Health zum Nutzungsverhalten von Sozialen Medien und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Gesundheit/Psyche: 1500 Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren wurden untersucht.
Ergebnis: Laut der Studie gibt es eine Verbindung zwischen dem Anstieg von Ängsten, Depressionen und Schlafproblemen und Social Media. «Social Media wurden zu einem Raum, in dem wir Beziehungen bilden, unsere Identität formen und uns selbst verwirklichen. Er ist wesentlich mit unserer Psyche verbunden. Und das können wir nicht länger ignorieren.», so Studienleiterin Shirley Cramer.(vgl. Barrer 2017) Die Forscher arbeiteten acht positive und negative Auswirkungen von Sozialen Medien aus, die sie dann zu einem Fragenkatalog formulierten. Als positive Aspekte von Sozialen Medien gelten laut der Organisation der Zugang und die Multiplikation von Wissen, also dass Inhalte geteilt werden und so Bewusstsein geschaffen wird; emotionale Unterstützung durch Online-Communities, also, dass durch Soziale Medien das Gefühl von Zugekhörigkeit generiert wird; Selbstentfaltung und Identitätsbildung durch das Folgen und Liken von Interessens-Kanälen und der Funktion von Sozialen Medien als digitale Bühne; und Beziehungsfindung speziell für schüchterne Menschen. (vgl. Barrer 2017) Als negative Aspekte wurden die Auswirkungen auf den Schlaf genannt, aber auch die Vermittlung eines unrealistischen Körperbildes. Als weiterer negativer Aspekt von Sozialen Medien gilt Cybermobbing (von 10 Befragten gaben 7 an, digitales Mobbing erlebt zu haben) und die Angst der Jugendlichen, etwas zu verpassen und die damit verbunden Lustlosigkeit und Abnahme der Lebenszufriedenheit. (vgl. Barrer 2017)
Instagram ist laut Studie am schädlichsten für die mentale Gesundheit. Laut Autoren der Studie bringt die App Jugendliche dazu, sich mit unrealistischen, bearbeiteten Versionen der Realität zu vergleichen. (vgl. Fox 2017) Vor allem junge Frauen sollen sich dadurch fühlen, als wären sie nicht gut genug. Die Royal Society fo Public Health soll laut CNN Social-Media-Plattformen aufgefordert haben, gegen das Problem vorzugehen und User zu warnen, dass die Bilder bearbeitet wurden. Neben dem Körperbild soll sich Instagram auch negativ auf Schlafgewohnheiten auswirken, da die User aufgrund der Bewirtschaftung und des Konsums von verschiedenen Kanälen weniger schlafen. (vgl. Fox 2017) Auch Facebook wirkt sich laut Studie besonders negativ auf den Schlaf aus. Bei Snapchat sollen die negativen Auswirkungen einerseits den Schlaf betreffen, andererseits aber ebenfalls die Angst der Jugendlichen, etwas zu vepassen. Einzig Youtube wirkt sich laut Studie positiv auf die Gesundheit von Jugendlichen aus, da sie dadurch eine emotionale Untersützung durch die Online-Community bekommen und das Bewusstsein für bestimmte (Tabu-)Themen geschärft werden kann.(vgl. Fox 2017)
Soziale Medien trotz negativen Auswirkungen - warum?
Konrad Paul Liessmann spricht von drei Punkten, die ausschlaggebend dafür sind, warum wir soziale Medien verwenden:
- Verdichtung: Bsp: Debatten auf Twitter konzentrieren sich auf einen einzigen Satz
- Beschleunigung: Kommunikation in Echtzeit möglich meint, dass ich unmittelbar reagieren kann, ohne nachzudenken. Bsp: Leserbrief viel aufwendiger als ein Posting
- rasche, umfassende Universalisierungen: Meldungen die normalerweise in kleinen Gruppen wie Familien zirkulieren,können jetzt leicht in Welt hinausgetragen werden. Bsp: Eltern, die ihr Kind Klavierspielen lernen lassen und es dann filmen und auf Youtube stellen, um möglich viel Aufmerksamkeit zu bekommen .
(vgl. Youtube/Liessmann)
Laut Liessmann besonders paradox: In Sozialen Medien kann Ich-Bezogenheit besonders herausgehoben werden. Er erklärt, dass wir uns mehr oder weniger nur mehr über Bilder wahrnahmen – die Bilder sind für fremdes Publikum, werden dann archiviert und dienen eigentlich nur der Kontrolle und Selbstkontrolle/Selbstüberwachung. Bilder sind für die digitale Reproduzierbarkeit und unterstreichen damit den Wunsch nach Unsterblichkeit. (vgl. Youtube/Liessmann)
Soziale Medien im Alltag:
Angela Keppler (2014) über Online/Soziale Medien im Alltag:
Medien sind ein integraler Bestandteil der Kultur. Es besteht Uneinigkeit darüber, was sie für individuelle Leben bedeutet. Laut Keppler gab es schon immer Enthusiasten und Apokalyptiker, sie plädiert dafür, diese Polarisierung aufzubrechen und Menschen nicht als manipulierte Opfer einer neuen kulturellen, ökonomischen und politischen Strategie, sondern als Akteure des alltäglichen Lebens zu sehen. Gespräche sind ein zentrales Medium von Geselligkeit (vgl. Keppler 2014) „Die technischen Medien, so könnte man sagen, fungieren als Generatoren einer gesellschaftlichen Wirklichkeit, indem sie den Horizont einer geteilten Gegenwart bereitstellen.“ (Keppler 2014)
Laut Keppler gibt es vier Arten wie Online/Sozialen Medien und interpersonellen Kommunikation gemeinsam vorkommen:
1. Bsp Freunde schauen Fußball, einer (A) verfolgt dabei auf Smartphone zweites Spiel über Liveticker und das wird in Kommunikation mit Freunden integriert
2. Bsp Gespräch zwischen zwei Freunden in Kaffeehaus, einer (B) schreibt parallel mit anderer Person per Whatsapp und konzentriert sich immer auf ein Gespräch
3. Bsp Gruppe schaut gleichzeitig ein Youtube-Video auf Smartphone und unterhält sich darüber
4. Bsp Gruppe diskutiert, eine Person erzählt vom Verhalten einer nicht anwesenden Dritten in sozialen Medien
(vgl. Keppler 2014)
Abb 2: Kommunikationsmodell (Quelle: Röhner/Schütz nach Shannon/Weaver 1949)
Cornelia Zanger schreibt in Bezug auf den Einfluss von Sociale Media auf die Kommunikation: „Mit der Entwicklung von Social Media, dem interaktions- und dialogorientiertem „Mitmach“-Internet, zur Abgrenzung von den vorherigen Entwicklungsphasen auch als Web 2.0 bezeichnet, veränderte sich die Rollenverteilung zwischen Informationsanbieter und Konsumenten grundlegend.“ (Zanger 2014) Und weiter: „Die Benutzer nehmen durch Kommentare, Bewertungen und Empfehlungen aktiv auf die Inhalte Bezug und bauen auf diese Weise eine soziale Beziehung untereinander auf.“ (Zanger 2014) Sie ist sich sicher:“Durch die Nutzung von Social Media wandelt sich das klassische Sender- Empfänger-Kommunikationsmodellgrundlegend.“ (Zanger 2014) Zanger meint, dass zum Beispiel in der Kommunikation eines Users mit einem Unternehmen die Rollen vorbestimmt sind, sondern User vom Empfänger zum Sender gegenüber anderen Usern werden können – etwa bei Postings auf der Unternehmensseite. (vgl. Zanger 2014) Die Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Personen wird gefördert. Anstelle von einem Sender und einem Empfänger wie im klassischen Kommunikationsmodell von Claude E. Shannon und Warren Weaver gibt es in der Kommunikation online oft schnell mehrere Empfänger und Sender – ein Netzwerk entsteht.
Einordnung/Intepretation der Szenarien:
Im ersten Szenario sieht Keppler eine Integration des Smartphones. Bei einer Berurteilung anhand des Empänger-Sender-Modells empfängt A die Nachricht übers Smartphone/Soziale Medien und wird zum Sender in der Offline-Welt, seine Freunde sind Empfänger.
Das zweite Szenario ist für Keppler eine parallele Kommunikation. Beurteilt man es anhand des Modells von Shannon und Weaver würde man von B in einer Doppelfunktion sprechen. B fungiert einerseits als Sender/Empfänger in der Kommunikation mit dem Freund im Kaffeehaus und andererseits als Sender/Empfänger in der Kommunikation über Whatsapp.
Das dritte Szenario wird von Kepller als Integration von medial vermitteltem Geschehen in laufendes Gespräch gesehen. Anhand des Sender-Empfänger-Modells ist hier von einer vernetzten Kommunikation wie Zanger sie beschreibt zu sprechen. Die Mitglieder der Gruppe sind Sender und Empfänger untereinander, auch die User im Netz sind Sender/Empfänger und alle Personen können zeitgleich miteinander kommuniziere.
Im vierten Szenario sieht Keppler ein Aufgreifen und eine Nacherzählung von Medieninhalten. Bei der Beurteilung anhand des Shannon-Weaver-Modells würde man hier vom klassischen Modell ausgehen, weil das Internet nicht direkt integriert wird, sondern nur zur Schilderung dient bzw. für die Vorgeschichte relevant ist.
Fazit
Unsere zwischenmenschliche Kommunikation und das zwischenmenschliche Verhalten ändern sich durch Soziale Medien. Wie man am Beispiel der vier Szenarien von Angela Keppler sehen kann, betrifft die Wandlung des klassischen Empfänger-Sender-Modells nicht nur die Online-Welt, sondern auch die Offline-Welt: Aus klassischen Dialogen wird rasch vernetzte Kommunikation, Gespräche auf Sozialen Medien bzw. Soziale Medien selbst werden zum Teil in Dialoge integriert, laufen parallel dazu ab oder verdrängen diese sogar.
Fragen:
Wer hat solche Szenarien oder ähnliche schon selbst erlebt. Wie war das?
Gibt es im Freundeskreis vielleicht so etwas wie ein Handyverbot?
Meinung: In welche Richtung wird sich das in Zukunft entwickeln? Werden wir noch vernetzter oder gehen wir wieder zurück?
Quellen:
Barrer, Jovin (2017): Welches das ungesündeste soziale Netzwerk ist und welches uns sogar guttut. Online unter: http://www.watson.ch/mint/Fuck%20&%20Feel/693841638-Welches-das-unges%C3%BCndeste-soziale-Netzwerk-ist-und-welches-uns-sogar-guttut (10.6.2017)
CNN/Fox, Kara (2017): Instagram worst social media app for young people's mental health. Online unter: http://edition.cnn.com/2017/05/19/health/instagram-worst-social-network-app-young-people-mental-health/index.html (10.6.2017)
Gaderer, Jasmin (2017): OÖ-Studie: Ohne Whatsapp geht’s für Junge nicht mehr. Online unter: http://www.krone.at/ oberoesterreich/ohne-whatsapp-gehts-fuer-junge-nicht-mehr-ooe-studie-story-572552 (4.6.2017)
Grech, Barbara (2017): Instagram ist schlecht für die mentale Gesundheit. Online unter: http://diepresse.com/home/ techscience/internet/5225931/Instagram-ist-schlecht-fuer-die-mentale-Gesundheit (4.6.2017)
Keppler, Angela (2014): Reichweite alltäglicher Gespräche. Über den kommunikativen Gebrauch alter und neuer Medien. In: A. Bellebaum, R. Hettlage (Hrsg.): Unser Alltag ist voll von Gesellschaft. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 85-104.
Kroll, Lars (o.J.): Übersicht aktueller Social Network Statistiken (Laufend ergänzt). Online unter: http://socialmedia- institute.com/uebersicht-aktueller-social-media-nutzerzahlen/ (4.6.2017)
Röhner J./Schütz A. (2012): Psychologie der Kommunikation. Wiesbaden: Springer Verlag
Schmidt, Jan-Hinrik (2013): Social Media. Wiesbaden: Springer Fachmedien. Youtube (o.J.): Statistik. Online unter: https://www.youtube.com/yt/press/de/statistics.html (4.6.2017)
Youtube/Konrad Paul Liessmann (o.J.): analytischdiskursiv: Kommunikation in Sozialen Medien. Online unter: https:// www.youtube.com/watch?v=FM3EZUvxyrg (4.6.2017)
Zanger, Cornelia (Hg.) (2014): Ein Überblick zu Events im Zeitalter von Social Media. Social Media und die Veränderung der Kommunikation. Wiesbaden: Springer Verlag.
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