Artikel: Shitstorm

margit.pimminger.uni-linz, 23. März 2016, 11:21

 

Seit 2013 hat der Begriff „Shitstorm“ einen Fixplatz im Duden: „Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht“. (http://www.duden.de/rechtschreibung/Shitstorm, zuletzt abgerufen am 22.03.2016 um 9:24 Uhr)

Soweit so gut, doch ab welchem Punkt handelt es sich nun um einen „Sturm der Entrüstung“? Sind es zwei derartige Äußerungen von Usern, zehn, fünfzig, hundert …? Experten des Digital Marketing definieren, dass es sich dann um den beschriebenen Sturm handelt, wenn die eintreffenden Kommentare eine Anzahl erreichen, welche für die Betreuer der Social-Media-Plattform nicht mehr bearbeitbar ist. (vgl. https://www.youtube.com/watch?v=eUbjOmLQLIM#t=5m57, zuletzt abgerufen am 22.03.2016 um 22:18 Uhr)

Im Laufe des Online-Lebens einer Website stellt sich in der Regel ein gewisser Bereich an Userkommentaren ein, der als „normal“ bezeichnet wird. Wird dieser, als normal etablierte Bereich, plötzlich maßgeblich überschritten und treffen die im folgenden Absatz angeführten Punkte der Checkliste zu, kann man also von einem Shitstorm sprechen.

 

 

 

Idealtypischer Verlauf des Kommentarvolumen bei Shitstorms

(Bildquelle: http://www.socialmediafacts.net/wp-content/uploads/2014/04/Shitstorm-Buzz-Idealtypisch.png)

 

Der Zusammenschluss von Gleichgesinnten zur gemeinsamen Durchsetzung von Interessen ist nicht neu, hat jedoch durch das Internet eine neue Dimension erreicht. So ist nun jedem User auf einfachem Weg möglich, seinen Unmut zu äußern und damit eine Breite an Personen zu erreichen und potenziell zu mobilisieren. Konventionelle Medien verstärken zunehmend den Unmut der User, greifen den Begriff „Shitstorm“ auf und produzieren ihre Schlagzeilen und damit weitere Aufmerksamkeit.

Tim Ebner im Zuge seiner Diplomarbeit, gemeinsam mit Experten eine Checkliste zur Shitstorm-Erkennung ausgearbeitet. Er beschreibt den Shitstorm als Stürmung und Besetzung von offiziellem und virtuellem Terrain aufgrund der Wahrnehmung eines Fehltrittes gegen Werte oder die Kundenunzufriedenheit. Kennzeichnend für einen Shitstorm ist eine gewaltige, unnormale Anzahl kritischer bis hin zu aggressiven Kommentaren der beteiligten User. Personen, die sich an einem Shitstorm beteiligen, tun dies in der Absicht einen Missstand aufzudecken, daran Kritik zu üben und auf einer offiziellen Plattform darüber zu diskutieren, um eine Veränderung herbeizuführen. Ziel ist es, den Fehltritt Publik zu machen, um Druck aufzubauen. In vielen Fällen geht ein Shitstorm mit einer Imageschädigung der betroffenen Person, Organisation oder Marke einher. (vgl. http://www.socialmediafacts.net/de/social-media/shitstorm-checkliste-definition, zuletzt abgerufen am 21.03.2016 um 21:30 Uhr)

 

 

Checkliste zur Shitstorm Erkennung

(Bildquelle: http://www.socialmediafacts.net/wp-content/uploads/2014/04/Shitstorm-Erkennung-Checkliste1.png)

 

Doch auch banale Gründe, wie der Abbau der eigenen Frustration oder der simple Spaß an Kritik können Auslöser für „bad comments“ sein. Auch die neu gewonnene Möglichkeit mithilfe des Internets gemeinsam Druck gegen einen mächtigen Gegner aufzubauen, scheint für manche eine Attraktivität zu besitzen. Wie kommt es nun zu einem Shitstorm, sind die Opfer wirklich Opfer oder sind sie selber Schuld? Folgende vier Gründe könnten zu der massiven Anzahl an hässlichen Kommentaren geführt haben:

  • Die betroffenen haben Fehler gemacht, die iendeutig auf Eigenverschulden zurückzuführen sind.
  • Die Beteiligten äußern ihre Enttäuschung über nicht erfüllte Erwartungen an den Betroffenen.
  • Es gibt Missstände, die plötzlich die Öffentlichkeit erreichen.
  • Eigene Kommentare, die den Beteiligten Usern missfallen werden entsprechend gegenkommentiert.

(vgl. http://karrierebibel.de/shitstorm-definition-beispiele/, zuletzt abgerufen am 15.03.2016 um 20:31 Uhr)

 

Als Auslöser für Shitstorms lassen sich unter anderem Markenstärke, Fehlverhalten, Seeding und Spillover identifizieren. Besonders nachhaltige Shitstorm sind oftmals begründet in mangelnder unternehmerischer Verantwortung. Besonders sensibel reagieren Konsumenten bei Verletzungen von Werten wie Familie und Kinder. Aber auch das Thema Nachhaltigkeit, Produkt- und Dienstleistungsqualität sowie Unternehmenskultur ist dem Konsumenten wichtig genug, um sich dafür online zu engagieren. Im Falle eines Spillover ist das betroffene Unternehmen nicht selbst für das Fehlverhalten verantwortlich. Es kann sich dabei beispielsweise um Verhalten von Geschäftspartner handeln, wie es bei der Kampagne „Stop Killing Dogs“ im Zuge der Euro 2012 in der Ukraine der Fall war. Am Beispiel des Fußballspiels Hertha BSC gegen Fortuna Düsseldorf wird klar, dass auch Kunden – in diesem speziellen Fall sogar die Fans selbst – Grund für einen Shitstorm sein können. Besonders attraktiv für Aktivisten sind markenstarke Traditionsunternehmen, da diese eine größere Anzahl an Verbrauchern aufweisen und in weiterer Folge auch mehr Konsumenten enttäuscht werden können, wenn es zu Fehlverhalten des Unternehmens kommt. Stein des Anstoßes ist dabei oft der vom Kunden empfundene Missbrauch seines Vertrauens gegenüber dem betroffenen Unternehmen. Je mehr Vertrauen im Laufe der Zeit aufgebaut wurde, desto größer ist dann die Enttäuschung der Kundschaft. Für junge Unternehmen gilt, aus den Fehlern von Traditionsunternehmen zu lernen. Die wohl beste vorbeugende Maßnahme gegen Shitstorms ist eine gepflogene nachhaltige Unternehmenskultur, d. h. der faire Umgang mit Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und Ressourcen. Gerade Start-ups können durch eine „weiße Weste“ glänzen, indem sie durch Transparenz Sympathiepunkte sammeln, eine Fangemeinde aufbauen, um Bekanntheit zu erlangen. Da sich Missstände in Social Media kaum dauerhaft verbergen lassen, ist es ratsam keinen Grund für potenzielle Angriffe zu liefern. (vgl. http://www.wuv.de/digital/wie_sich_ein_shitstorm_in_einen_candystorm_verwandeln_laesst, zuletzt abgerufen am 22.03.2016 um 21:30 Uhr)

 

Im Folgenden sollen potenzielle Fehler an zwei Beispielen renommierter deutscher Unternehmen aufgezeigt und erläutert werden:

 

Schlechte Vorbereitung von Pril:

Pril hatte einen Wettbewerb für Fans ausgeschrieben, diese sollten ein neues Logo für den Spülmittelhersteller entwerfen. In weiterer Folge gab es eine Abstimmung der Pril-Fans, um das Siegerlogo zu küren. Da das von den Fans auserkorene Logo dem Unternehmen selbst nicht gefiel wurden im Nachhinein spontan die Regeln geändert und ein Logo gewählt, welches besser zum Unternehmen passt. Kunden und Fans waren entrüstet und es kam zum Online-Eklat. (vgl. http://karrierebibel.de/shitstorm-definition-beispiele/, zuletzt abgerufen am 15.03.2016 um 20:31 Uhr)

 

O2’s „Wir sind Einzelfall“

Ein O2-Kunde äußerte auf der Webseite enttäuscht über die schlechte Netzqualität des Mobilfunkanbieters. O2 antwortete mit dem Kommentar, dass es sich wohl um einen Einzelfall handle. Die falsche Einschätzung des Unternehmens über die Netzqualität führte nicht nur zu einem Shitstorm, sondern schaffte es auch in konventionelle Medien. (vgl. http://karrierebibel.de/shitstorm-definition-beispiele/, zuletzt abgerufen am 15.03.2016 um 20:31 Uhr)

Die beiden Fälle zeigen deutlich, dass die Arbeit im Social-Media-Bereich gut durchdacht sein muss und ein hohes Einfühlungsvermögen in den Kunden bedarf. Die Kommunikation mit entsprechenden Abteilungen über tagesaktuelle Entwicklungen ist unerlässlich, um rechtzeitig und gut vorbereitet reagieren zu können. Welche Strategien und Gegenmaßnahmen gibt es nun, wenn sich der Sturm anbahnt?

 

„Ruhe bewahren und auf keinen Fall emotional und spontan reagieren!“

 

Oft ist der Imageschaden nicht auf den ursprünglichen Auslöser des Shitstorm zurückzuführen, als vielmehr auf die Krisenkommunikation, die als Reaktion auf den Shitstorm selbst seitens des Unternehmens unternommen wurde. (vgl. http://karrierebibel.de/shitstorm-definition-beispiele/ zuletzt abgerufen am 15.03.2016 um 20:31 Uhr)

Ein Negativ-Beispiel für ein Versagen der Krisenkommunikation lieferte Schlecker. So sorgte der neue Werbeslogan „For You. Vor Ort.“ für Kritik von der Fachzeitschrift „Deutsche Sprachwelt“. Zu diesem Zeitpunkt war noch keine Windböe in Sicht. Erst der Kommentar des Unternehmenssprechers - „… das Motto spreche den durchschnittlichen Schlecker-Kunden an. Menschen mit niedrigem bis mittlerem Bildungsniveau …“ – führte logischerweise zur Empörung der Schlecker-Kunden. (vgl. http://www.computerbild.de/fotos/Die-Zehn-bekannte-Shitstorms-7599832.html#2, zuletzt abgerufen am 15.03.2016 um 22:10 Uhr)

 

Folgende Anhaltspunkte sollten helfen, das Donnerwetter zu überleben:

  • Schweigen ist keine Lösung
  • Aufmerksam zuhören und sich in die Kunden/User hineinversetzen
  • Überlegt, besonnen und zeitnah reagieren
  • Offen reagieren und kollaborativ eine Lösung erarbeiten
  • Aktiv ein gutes Kommentar-Klima erarbeiten
  • Schwächen eingestehen, Verbesserungen in Aussichtstellen und diese auch ernsthaft verfolgen
  • Kommentare geschickt moderieren statt löschen – auch Löschen ist keine Lösung!

(vgl. http://karrierebibel.de/shitstorm-definition-beispiele/, zuletzt abgerufen am 15.03.2016 um 20:31 Uhr)

 

[Bildnachweis: gualtiero boffi by Shutterstock.com]

(Bildquelle: http://karrierebibel.de/wp-content/uploads/2011/10/FlussdiagrammSoMe.png)

 

Dass ein Shitstorm nicht zwingend mit einem Imageverlust einhergehen muss, ja sogar in einen Candystorm umgewandelt werden kann, wenn entsprechend reagiert wird, hat der Spülmittelhersteller Pril bewiesen. Der Henkel-Konzern hat Offenheit an den Tag gelegt und seine Fans um Bedenkzeit gebeten. Gleichzeitig wurde den Usern kommuniziert, dass der Konzern bedauere seine Kunden verärgert zu haben. Das Unternehmen hat seine Kunden ernst genommen und sein Versprechen, sich um eine Lösung des Disputs zu bemühen, gehalten. So wurde exklusiv für die Facebook-Fans eine Sonderedition im 9Gag-Design hergestellt und bei Facebook verlost. Die Fans waren begeistert und posteten ihre Lobeshymnen auf der Facebook-Seite. (vgl. http://www.wuv.de/digital/wie_sich_ein_shitstorm_in_einen_candystorm_verwandeln_laesst, zuletzt abgerufen am 22.03.2016 um 21:30 Uhr)

 

#Flowerrain: Das österreichisches Pendant zum Shitstorm

Wie es sich anfühlt als Einzelperson einem Shitstorm ausgesetzt zu sein, kann die ORF-Moderatorin Lisa Gadenstätter berichten. Nach einem Interview mit dem UETD-Vorstandvorsitzenden Abdurrahman Karayazili zum Nahostkonflikt in der ZIB24, war Gadenstätter massiven Beschimpfungen in den sozialen Netzwerken ausgesetzt. Unter #Flowerrain startete AMS-Vorstand Johannes Kopf auf Twitter eine Solidaritätsaktion für die junge Moderatorin. Johannes Kopf zu seinem Pendant des Shitstorms: "Ich war schon lange der Meinung, es bräuchte ein Gegenmodell zu 'Shitstorm'. Vor ein paar Monaten habe ich 'Flowerrain' vorgeschlagen, weil das ein Bild ist, das sofort jeder versteht. Es ist schön zu sehen, wie das funktioniert. Aber am schönsten wäre es natürlich, wir bräuchten so etwas nie wieder." (http://kurier.at/kultur/medien/solidaritaet-nach-hetze-gegen-orf-moderatorin-gadenstaetter-blumen-statt-scheisse/77.584.581, zuletzt abgerufen am 22.03.2016 um 22:35 Uhr)

 

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