Webwissenschaften Suchmaschinen und (Netz)Neutralität
melanie.schreiner2.uni-linz, 5. Jänner 2016, 20:38
Im Inputblog zum Thema Webtechnologien haben wir über die Erhaltung der Netzneutralität gesprochen. Zahlreiche Kollegen haben bereits den Artikel kommentiert und ihn zum Anlass der Kritik genommen und kommentiert. Auch ich habe Stellung bezogen und meine Meinung kundgetan.
Wie bereits im Kommentar angekündigt erstreckt sich das Thema weiter und geht über den Zuständigkeitsbereich des Providers hinaus. Aus meiner Sicht ist die Neutralität im Web auch durch die massive Beeinflussung durch die Suchmaschinenanbieter gefährdet. Der Artikel vermittelt am Beginn das Verständnis von Netzneutralität und der Zusammenhang der Thematik mit den Ergebnissen in Suchmaschinen. Daher wird im nächsten Schritt ein Überblick des Ist-Zustandes von Suchmaschinen-Ergebnisseiten und deren Einflussfaktoren gegeben. Abschließend wird versucht ein Lösungsansatz zur Erhaltung der Netzneutralität in Suchmaschinen zu finden.
Die Netzneutralität verkörpert den Grundgedanken des Internets als freies, unzensiertes und gleichberechtigtes Kommunikationsmedium zur Sicherung von Freiheit, Innovation, Meinungsfreiheit sowie Gleichheit der Chancen. Deshalb wird Gleichbehandlung, Teilhaben, Transparenz, Zugänglichkeit, Unversehrtheit der Daten sowie Transparenz gefordert. [1][2]
Grundsätzlich wird dabei vor allem durch die technologische Weiterentwicklung des Transferprotokolls IPv6 vorwiegend von der Gefährdung der Netzneutralität durch die Internetdienstanbieter oder Provider gesprochen [3], [4]. Dass die Gefährdung im Zuständigkeitsbereich viel weitreichender ist, soll dieser Artikel aufzeigen.
Relevanz des Themas
Im nächsten Schritt des Nutzungsprozesses von Internet-Usern bzw. in der nächsten Ebene des Anwendungskontextes des Internets findet das Suchen im Internet über entsprechende Web-Browser bzw. auf individuellen Suchmaschinen(seiten) statt. Bei näherer Betrachtung kann man feststellen, dass auch hier weder Transparenz noch Chancengleichheit vorherrschen. Damit ist im Sinne der Freiheit und Unzensuriertheit des Internets auch die Netzneutralität massiv gefährdet.
Laut Lunapark (einer Web-Agentur) hält im Jahr 2014 den weltweit größten Marktanteil in der Suchmaschinenbranche Google mit 71% gefolgt von Baidu mit 15,6%, Yahoo mit 6,1% und Bing mit 5,9% [5]. Im genannten Jahr gingen mehr als 2.095 Milliarden Suchanfragen bei der weitverbreitetsten und am häufigsten genutzten Suchmaschine Google ein - das entspricht mehr als 66.500 Anfragen in der Sekunde, wobei die Tendenz steigend ist [6]. Praktisch ein gigantisches Monopol mit hohem Wachstumspotential.
Darstellung der Ist-Situation
Die Tatsache der intensiven Nutzung vor allem der Google Suchmaschine, wirft die Frage auf, wie eine Suchergebnisseite denn aussehen bzw. interpretiert werden kann.
Abbildung 1. Google Suchergebnisseite zum Suchbegriff Smartphone [7]
Die Abbildung 1 oberhalb zeigt das Suchergebnis der Suchmaschine Google zum Suchbegriff Smartphone. Die Box mit der Nummer 0 markiert dabei ein Eingabebereich samt Suchbegriff. Alle Boxen mit der Nummer 1 sind organische, nicht bezahlte Ergebnisse im Suchmaschinenranking. Die Bereiche 1b sind Auszüge von Ergebnissen aus vertikalen oder Spezialsuchmaschinen, in diesem Fall der Bilder- und der News-Suche. Alle Boxen mit der Nummer 2 sind bezahlte Suchergebnisse. Wobei sich 2a und 2b durch die Form der Anzeigenverwaltung bei Google unterscheiden.
Die Abbildung zeigt also deutlich, dass es hinsichtlich Neutralitätsbewertung zwei Arten von Ergebnissen auf Suchmaschinenergebnisseiten gibt - einerseits die bezahlten und andererseits die unbezahlten. Die Gewichtung ist dabei je nach Suchbegriff sehr unterschiedlich, allerdings wird schnell klar, welcher Anteil höher ist, sobald man die Ergebnisplätze vergleicht. Im ausgewählten Beispiel liegt das Verhältnis von bezahlt zu unbezahlt bei 11:9. Dieses Verhältnis wird vor allem vom zur Verfügung stehenden Angebot an bezahlten Suchmaschinenergebnissen beeinflusst.
Bezahlung von Suchmaschinenergebnissen
Das Management von bezahlten Suchmaschinenergebnissen wird als Suchmaschinenwerbung oder Search Engine Marketing (SEA) bezeichnet. Dabei ist das Management von derartigen Kampagnen bei allen Suchmaschinenbetreibern ähnlich. Google bietet zur Schaltung derartiger Kampagnen das Tool Google Adwords an. Dabei kann man mittels Keywords (Suchbegriffen) und Einstellungsparametern wie geografisches Targeting, Budget, Gebote, etc. die Schaltung von Anzeigentexten in Suchmaschinenergebnissen steuern. [8]
Die Reihung der Anzeigen erfolgt nach dem Auktionsprinzip in Form einer Kombination aus Gebot und Qualität [9]. In diesem Versteigerungsprozess lässt Google eine Kennzahl einfließen, die sich Qualitätsfaktor nennt, und welche unter anderem bewertet, wie gut eine Anzeigendimensionierung einem individuellem Keyword entspricht [10]. Diese Werbeform in Form der Bezahlung zur Beeinflussung und Veränderung des Suchmaschinenergebnisses verstößt damit eindeutig gegen das Prinzip der Chancengleichheit sowie der Gleichberechtigung. Zudem erfolgt eine, wenngleich auch durch die Qualitätsansprüche der entwickelte, Zensur von Anzeigetexten in Form eines Freigabeprozesses für Textanzeigen [11].
Ranking von unbezahlten Suchmaschinenergebnissen
Für die zweite Gruppe von Suchergebnissen werden seitens der Webseitenbetreiber keine Gebühren bezahlt. Um das Zustandekommen dieses Ergebnisses zu verstehen, wird kurz die Funktion einer Suchmaschine erläutert.
Die Basisinformation über den Datenbestand im Internet erhält die Suchmaschine durch das Crawlen und Indizieren aller individuellen und zugänglichen Webseiten. Über Verlinkungen wird das Internet durchsucht bzw. durchforstet (gecrawlt) und anhand von individuellen Faktoren ein Index erstellt. r Suchanfrage sind Algorithmen - das Kernstück und somit einer der Wettbewerbsvorteile jeder Suchmaschine - zum Erstellen des optimalen Suchmaschinenergebnisses erforderlich. Bereits während der Eingabe des Suchbegriffs wird durch kleine Programme versucht die Suchanfrage zu interpretieren. [12]
Automatische Vervollständigung, Rechtschreibkorrektur oder Google Instant - Anzeige der Ergebnisse bereits während der Eingabe - erscheinen unter den genannten Aspekt zwar sinnvoll und nutzerfreundlich, gefährden allerdings massiv die Freiheit im Internet und Chancengleichheit bspw. für Webseiten optimiert auf Suchbegriffe in Nischen.
Nach Eingabe und Interpretation des Suchbegriffes erfolgt die Zusammenstellung des Suchergebnisses auf Basis von mehr als 200 unveröffentlichten Rankingkriterien. Zudem fließen Faktoren hinsichtlich Sicherheit und Individualisierung auf Basis gesammelter, persönlicher Nutzerdaten ein. Zusammengesetzt wird das Ergebnis zur Universal Search, wo wie bereits zuvor genannt vertikale bspw. aus der Bildersuche und bezahlte Suchergebnisse einfließen. Die Ergebnisseiten variieren zudem in Abhängigkeit des Endgerätes (Desktop, Tablet oder Smartphone). [13]
Im Wettstreit der Webseiten um die obersten Positionen der Suchergebnisseiten werden häufig Spam-Methoden als Formen der Überoptimierung wie bspw. versteckte Texte, Überbeanspruchung von Keywords und Links entwickelt [14]. Daher ergreifen Suchmaschinenanbieter pro aktive Maßnahmen zu Prävention [15] und entwickeln die Algorithmen ständig weiter. Jährlich nimmt Google 500 bis 600 Änderungen am Suchmaschinenalgorithmus vor [16].
Im Hinblick auf die Netzneutralität kann zusammengefasst festgehalten werden, dass sich bezüglich unbezahlten Suchmaschinenergebnissen ein Wettstreit unter den Webseitenanbietern entwickelt hat, bei dem die Suchmaschinenanbieter die Regeln nach deren "Meinung" festlegen. Jene, die die Rankingfaktoren nicht kennen bzw. erraten, werden in Suchmaschinenergebnissen nicht auftauchen. Transparenz ist dabei unerwünscht und damit ist eine Chancengleichheit schwer argumentierbar.
Entwicklung von Suchergebnisseiten
Im Design des Suchmaschinenanbieters Google fällt das klare und simple Design auf, das ausschließlich die Kernkompetenz "Suche" fokussiert. Auf den Ergebnisseiten allerdings wird das Ziel des Marktführers schnell klar - Google als erste Anlaufstelle für die Suche liefert das beste Ergebnis.
Abbildung 2. Google Suchergebnis mit Suchfunktion [17]
Das Suchergebnis der Suchmaschine Google zum Suchbegriff "Duden" wird in Abbildung 2 dargestellt. Darin ist zu erkennen, dass der Nutzer ohne weiteren Klick einen Begriff im Wörterbuch der Webseite von duden.de nachschlagen kann.
Abbildung 3. Google Suchergebnis mit Knowledge-Graph [18]
Das Suchergebnis der Suchmaschine Google zum Suchbegriff "Christoph Waltz" wird in Abbildung 3 dargestellt. Dabei kann man erkennen, dass auf der rechten Seite zusätzlich von Google verdichtete Informationen angezeigt werden. Diese Datenaggregation erfolgt durch den sogenannten Knowledge-Graph, welcher Objekte und Verbindungen zur Entstehung eines semantischen Netzwerkes herstellt, um in weiterer Folge die Suchanfragen besser bedienen zu können. [19]
Abbildung 4. Google Suchergebnis mit Google Shopping [20]
Das Suchergebnis der Suchmaschine Google zum Suchbegriff "Bose Kopfhörer" wird in Abbildung 4 angezeigt. Mit der Verwendung eines Produkt-Suchbegriffs signalisiert der Nutzer der Suchmaschine offensichtlich eine Kaufabsicht. Mit Google Shopping-Ergebnisse dem Nutzer sowohl ein Preisvergleich sowie der Möglichkeit eines Kaufs geboten.
Die Abbildungen 2-4 zeigen, dass Google den Nutzer nicht mehr zwingt die Suchmaschine zu verlassen. Damit wird die Bindung des Nutzers immer weiter verstärkt und ausgebaut. Spätestens jetzt sollte man sich die Frage stellen: Praktisch für den Nutzer oder doch ein bedenklicher Trend?
Neueste Bemühungen den Ranking-Algorithmus zu optimieren bringen den Rank Brain als neuen, dritt-wichtigsten Ranking-Faktor auf das Radar jedes Suchmaschinen-Optimierers. Dazu ist bekannt, dass dieser Algorithmus auf eine eigenständige Erkenntnisgewinnung bzw. auf bisherige "Erfahrungen" - ähnlich einer künstlichen Intelligenz - zurückgreift. Somit soll es möglich sein, mehrdeutigen Suchanfragen besser zu interpretieren, umgangssprachliche Anfragen und Wortneuschöpfungen besser zu erkennen sowie Spracheingaben und besser zu bearbeiten. [21]
Diese Anstrengungen und Maßnahmen stellen ein weiteres unbekanntes Rädchen im Dschungel der Suchmaschinenoptierung dar. Wie bereits übt dies Einfluss auf Transparenz und Chancengleichheit aus.
Möglicher Lösungsansatz
Ein Ansatz, der vor allem in Europa, wo Google einen Marktanteil von 90% aufweist, angestrebt wird, ist das Entgegenwirken der Monopolstellung unter anderem von Google [22] [23]. Allerdings geht es nicht um eine Zerschlagung oder ein Verhindern der Entstehung von innovativen Produkten. Vielmehr soll der Wettbewerb durch sanfte Regeln, die Strukturnachteile ausgleichen, angekurbelt werden. Darunter können etwa Regelungen im Umgang mit Daten bzw. sogar die Offenlegung der Daten für die Konkurrenz verstehen. Dabei sind vor allem die Ideen der Wettbewerbshüter gefragt. Wissenschaftliche Ökonomen haben ebenfalls bereits die Lösungssuche eröffnet. [24]
Hinterlassen Sie gerne unter den Kommentaren Ihre eigenen Lösungsansätze dieses Dilemmas.
Referenzquellen
[1], [3] Initiative zu Netzfreiheit (Net Neutrality): Days of Future and Past?, Webseite, 2014, Online: https://unsernetz.at
[2], [4] Mittendorfer, H.: Web-Technologien, Blogartikel, 2015, Online: https://collabor.idv.edu/porpaedwebwi2015w/stories/51906
[5] Maier, L. (Lunapark Web-Agentur): Suchmaschinen Marktanteile weltweit 2014, Blogartikel, 2014, Online: http://www.luna-park.de/blog/9907-suchmaschinen-marktanteile-weltweit-2014
[6] Statista: Anzahl der Suchanfragen bei Google weltweit in den Jahren 2000 bis 2014 (in Milliarden), Webseite, 2014, Online: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/71769/umfrage/anzahl-der-google-suchanfragen-pro-jahr
[7] Eigener, individueller Screenshot zum Suchbegriff Smartphone unter der Nutzung der Google Suchmaschine, 2016, Online: https://www.google.at/webhp?sourceid=chrome-instant&ion=1&espv=2&ie=UTF-8#q=Smartphone
[8] Google Adwords Hilfe: Adwords-Hilfe, Webseite, Online: https://support.google.com/adwords
[9] Google Adwords Hilfe: Auktion, Webseite, Online: https://support.google.com/adwords/answer/142918?hl=de
[10] Google Adwords Hilfe: Qualitätsfaktor: Definition, Webseite, Online: https://support.google.com/adwords/answer/140351?hl=de
[11] Google Adwords Hilfe: Freigabeprozess für Anzeigen, Webseite, Online: https://support.google.com/adwords/answer/1722120?hl=de
[12], [13], [15] Google Webseite: Alles über die Suche, Webseite, Online: http://www.google.de/insidesearch/howsearchworks/thestory
[14] Search Engine Land: Chapter 9: Violations & Search Engine Spam Penalties, Website, Online: http://searchengineland.com/guide/seo/violations-search-engine-spam-penalties
[16] MOZ (Web-Agentur): Google Algorithm Change History, Webseite, Online: https://moz.com/google-algorithm-change
[17] Eigener, individueller Screenshot zum Suchbegriff Duden unter der Nutzung der Google Suchmaschine, 2016, Online: https://www.google.at/webhp?sourceid=chrome-instant&ion=1&espv=2&ie=UTF-8#q=duden
[18] Eigener, individueller Screenshot zum Suchbegriff Christoph Waltz unter der Nutzung der Google Suchmaschine, 2016, Online: https://www.google.at/webhp?sourceid=chrome-instant&ion=1&espv=2&ie=UTF-8#q=christoph+waltz
[19] Sullivan, D. (Search Engine Land, Web-Agentur): Google Launches Knowledge Graph To Provide Answers, Not Just Links, Blogartikel, 2012, Online: http://searchengineland.com/library/google/google-knowledge-graph
[20] Eigener, individueller Screenshot zum Suchbegriff Bose Kopfhörer unter der Nutzung der Google Suchmaschine, 2016, Online: https://www.google.at/webhp?sourceid=chrome-instant&ion=1&espv=2&ie=UTF-8#q=bose%20kopfh%C3%B6rer
[21] Searchmetrics (Web-Agentur): RankBrain, künstliche Intelligenz und die Entwicklung der Google-Architektur, Blogartikel, 2015, Online: http://blog.searchmetrics.com/de/2015/11/19/rankbrain
[22] Heuzeroth, T.: Google muss endlich hart angefasst werden, Web-Artikel, 2015, Online:http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article139602109/Google-muss-endlich-hart-angefasst-werden.html
[23] van Bebber, W.: Monopol muss man nicht googeln, Web-Artikel, 2015, Online: http://www.tagesspiegel.de/politik/verfahren-der-eu-gegen-google-monopol-muss-man-nicht-googeln/11647052.html
[24] Bernau, P.: Was tun mit Google?, Web-Artikel, 2015, Online: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/maechtige-internetriesen/das-google-verfahren-und-das-natuerliche-monopol-was-tun-13547280.html
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