Digital Thoughts @m_goldbeck.

Aufgabe 3: Die Dekadenz der Netzneutralität

michael.goldbeck.uni-linz, 11. Oktober 2014, 10:06

Netzneutralität. 2013 und 2014 sicher einer der meist diskutierten Begriffe des Netzes. Doch leider wurde der Begriff mit Framing-Versuchen beider politischer Gegenspieler systematisch verwaschen. Nicht mal mehr innerhalb der Netzcommunity gibt es ein einheitliches Verständnis, was denn jetzt eigentlich “Net Neutrality” bedeutet bzw. welche Auswirkungen deren Abschaffung auf das Internet hätte. Von allen Seiten wird sie hochstilisiert, unterschiedlich interpretiert und unisono in der politischen Agitation verwendet. Schleichend zur Dekadenz verdammt, verliert die Diskussion zusehens an Fahrt, welche der Wichtigkeit dieser Frage nurmehr unzureichend gerecht wird.

 

Doch was ist nun diese Netzneutralität? Für mich persönlich beideutet Netzneutralität, dass alle Inhalte, unabhängig von Typ und Herkunft, von Netzbetreibern ohne Diskriminierung, Manipulation oder Drosselung an die User weitergeleitet werden. Es gibt eine Daten-Autobahn, auf der alle gleichermaßen fahren dürfen, unabhängig der Marke sowie der Leistung des Motors. Nicht der Netzbetreiber entscheidet darüber, welche Inhalte der User sieht, sondern der/die NutzerIn selbst. Ein BMW darf nicht länger auf der Überholspur fahren, wie ein Trabi.

 

 

Dieses Ende-zu-Ende Prinzip gewährleistet, dass  aus technischer Sicht keinerlei Dienst bevorzugt wird und somit zu jederzeit jede Website/App unter Zugzwang für Innovation und Nutzermehrwert steht. Daher gewährleistet ein neutrales Netz vor allem einen aktiven Wettbewerb der Innovation und sichert Usern eine gewisse Unabhängigkeit von den schon tief in unser Leben integrierten Diensten. Man könnte sagen, dass vor allem kleine Start-Ups überproportional von dieser Dynamik profitieren, denn große Moloche können trotz Netzwerk-Effekt durch agile und dynamische Anbieter genau so schnell abgelöst werden, wie sie selbst aufgestiegen sind.

 

Für mich scheint daher klar, dass die Netzneutralität einen wesentlichen Platz in der Netztopologie verdient hat. Wären da nicht die Netzbetreiber. Überwältigt vom Erfolg des Online Contents und der damit verbundenen Traffic Explosion sahen die Internet-Provider den eigenen Gewinnen beim Versickern zu. Als Rückrat des Netzes sehen sie sich immer noch als quasi “Gilgamesch, den Gottkönigen unter den Netzunternehmen. Es wird geglaubt, dass ohne einen selbst das Internet nicht laufen würde und daher man alleine diktieren kann, wie’s um die Web-Services stehen und weitergehen soll. Innovation wird genauso unterbewertet wie disruptive Technologien, welche sich schon am nicht allzu fernen Horizont abzeichnen - sei es Facebook mit seinen Internet-Drohnen oder Google mit seinen Internet-Baloonen. Dieser Mix aus Ignoranz und spätrömischen Stolz führt zu dem logisch falschen Schluss, dass nur über Eingrenzung und Betonierung der eigenen Position Gewinne in die Kassen gespült werden können. Lieber das gesamte Netz dem egoistischen Willen beugen als das eigene Geschäftsmodell in frage zu stellen.

 

Es scheint daher nur logisch, dass die Netzcommunity das Horn zum Gegenangriff bläst - meiner Meinung auch völlig zu recht. Dienste, wie von der Provider-Seite vorgeschlagen, mit “Assured Quality of Service” zuzulassen würde das Grundsystem des Internet untergraben und Innovationen sowie freie Meinungsäußerung im Keim ersticken - nur wer den Netzbetreibern Geld nachwirft kann dann die User mit eigenen Diensten und Inhalten überzeugen. Die Provider werden von Infrastrukturgebern zu Dienstverwaltern - den Gatekeepern des Internets welche über Erfolg und Misserfolg von innovativen Diensten walten.

 

Aber so laut auch das Horn der Netzcommunity im Internet ist, tweeten alleine wird die Politik der gut bezahlten Lobby nicht verhindern und schon garnicht technik-unaffine PolitikerInnen überzeugen können. Es gibt zwar ein paar Lichtblicke unter PolitikerInnen, wie Josef Weidenholzer oder Jan Phillipp Albrecht, trotzdem bleiben diese zwei Ausnahmen.

 

 

AktivistInnen müssten aktiv handeln und fernab von Twitter und Co. Änderungen einfordern. Sasha Lobo hat dazu eine ausgezeichnete Rede bei der re:publica14 gehalten, die meiner Meinung nach von jedem/r NetzaktivistIn gesehen werden muss - denn nur wenn wir selbst unsere Arbeit endlich ernst nehmen, können richtige Erfolge erziehlt und langfristig professionelles Lobbying betreiben. Und ja, es ist Lobbying.

 

Um meinen Power-Rant zu einem Abschluss zu bringen: Ja, die Netzneutralität muss geschützt werden. Und ja, sie betrifft jede und jeden von uns. Um den Wettkampf um unser Internet gewinnen zu können, müssen wir auch selbst aufstehen und unsere Rechte durchsetzen. Nicht alle PolitikerInnen sind böse - auch wenn einige Verantwortliche sich nicht gerade rühmlich für unser Internet einsetzen. Sasha Lobo hat recht, nur tweeten ist nicht genug. Und auch wenn viele PolitikerInnen das Internet nicht verstehen, sind sie mit einem kleinen Stubs definitiv in die richtige Richtung zu bewegen. Und auch wenn das EU-Parlament bereits FÜR die Netzneutralität gestimmt hat, verhindern die europäischen Nationalstaaten progressives Recht. Daher ist unsere Arbeit noch nicht getan. Firmen picken sich Aufgrund der Rechtsleere die Lorbeeren heraus und missachten aktiv die Netzneutralität. Nur wenn “net neutrality” endlich gesetzlich verankert wird, können wir die bereits gestartete Dekadenz stoppen und unser Internet, als offenes Medium von und für alle,0 erhalten.

 

</power_rant>

 

PS: Alle Links wurden am 11. Oktober 2014 das letzte Mal aufgerufen.

0 comments :: Kommentieren


To prevent spam abuse referrers and backlinks are displayed using client-side JavaScript code. Thus, you should enable the option to execute JavaScript code in your browser. Otherwise you will only see this information.