Digital Thoughts @m_goldbeck.

We-Commerce und das Gefangenendilemma

michael.goldbeck.uni-linz, 15. April 2015, 17:24

Biology is war. Mit dieser sehr gewagten, aber aus darwinistischer Sicht durchaus treffenden Aussage startete Howard Rheingold in seinen sehenswerten TED Talk im Jahr 2005. Nur der Härteste überlebt. Aber nicht nur in der Grundlage allen Lebens ist der Überlebenskampf stark verankert - auch in Wirtschaft und Politik diktiert das Primat des Gewinners, gibt Wettbewerb den Ton an.

 

 

Doch wie kann in einem solchen Lebens- und Wirtschaftsumfeld Kooperation und Zusammenarbeit, geschweige denn Zusammenhalt entstehen? Warum sollten Verkäufer und Käufer Handel betreiben, wenn beide aufgrund der Maximierung des eigenen Vorteils nicht auf einen grünen Zweig kommen können?

 

Übertragen vom Analogen ins Digitale werden diese Fragen des Gefangenendilemmas noch relevanter. Warum sollte jemand auf Ebay.com von einem Fremden gebrauchte Produkte kaufen, die er/sie nicht oder nur über leicht verfälschbare Bilder ansehen kann? Warum sollte eine Person - wie momentan mit We-Commerce / Share Economy im Trend - das eigene Auto, die eigene Küche, ja sogar die ganze Wohnung an Fremde “borgen”, die sich über AirBnB.com & Co. gemeldet haben?

 

Die Antwort: Vertrauen. “It is the crux of this new economy — the movement to be more inclusive and less distrusting; to be more democratized and less traditional; to help each other make better decisions about resources and waste less, and to harness the best aspects of technology to do so. With collaborative services, the hope is that, albeit slowly, we're all changing for the better. It's an altruistic idea, but there it is. If people can trust more, they can save money and gain flexibility.”, schreibt Lyndsey Gilpin auf techrepublic.

 

Mit dieser Antwort stellt die Autorin nicht nur einen technischen Wandel durch die weltweite Etablierung des World Wide Webs in den Raum, sondern argumentiert, dass sich die menschliche Denke und Natur der Risikoabwiegung aufgrund des neuen Umfelds und des stark wachsenden Trends zur “Share-Economy”, auch “We-Economy” genannt,  und deren Faktoren umwälzt.

 

Dies wirkt am ersten Blick überdramatisiert - doch die großen Veränderungen der letzten Jahre können nicht abgestritten werden. Nicht nur, dass mittlerweile hunderte Millionen von Menschen täglich das Internet zur Ordnung des eigenen Lebens verwenden, auch haben Dienste wie Google und Facebook neue Wörter und Phrasen geprägt, die in unseren alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen sind. Wir teilen in einer Minute 3,3 Millionen Beiträge auf Facebook, übergeben die Kontaktdaten aller Freunde, Verwande und Arbeitskollegen direkt an Apple, Google, Microsoft & Co. und nehmen ohne Bedenken Services wie Uber oder Lyft in Anspruch - entgegen alt eingebürgerten Sprichwörtern wie “steige nicht bei Fremden in das Auto ein.

 

Doch wie kann sich - mangelndem Schutz zu trotz - Vertrauen zwischen zwei Individuen über das Web aufbauen, sodass ein Geschäft daraus erwächst? Katie Finley von der Universität Warwick hat sich in ihrer Studie “Trust in the Sharing Economy: An Exploratory Study” mit dieser Fragestellung auseinander gesetzt. Ihre Ergebnisse zeigen vor allem eines; das Vertrauen der Nutzer von AirBnB hängt stark von der vorhandenen Informationsmenge ab: “it is important to highlight an emergent articulated philosophy regarding the development of trust within the Airbnb platform: “the more information, the better.”” (Katie Finley, Seite 57). Aber nicht nur die von AirBnB eingebauten Reputationsmechanismen wie das Bewertungssystem waren laut Finley für die Etablierung von Vertrauen zentral, sondern viele kleine Faktoren wie die Länge der Beschreibung bzw. verifizierte Kontaktdaten (E-Mail und Telefonnummer).

 

Auch Stephen Ufford von Forbes kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen: die Lösung des Gefangenendilemmas auf digitalen Diensten und somit auch der weitere Erfolg der Share-Economy hängt direkt mit dem Vertrauen der einzelnen Stakeholder zusammen. Die durch die mobile Revolution erzeugte Informationsflut der letzten Jahre hat die Art und Weise wie wir Risiko im Internet abschätzen, massiv verändert und die neue Art des Teilens erst ermöglicht. Doch ganz ist der Weg noch nicht geebnet: laut einer Umfrage des National Opinion Research Centers im Jahr 2012 antworteten nur 32 Prozent aller Befragten, dass Menschen generell vertraut werden kann - 1972 waren es noch 46 Prozent.  


Der We-Commerce - oder auch Share-Commerce - entkommt also nicht dem Gefangendilemma. Sie ändert lediglich unsere Risikoeinschätzung von anstehenden Handlungen und Geschäften sowie dem Vertrauen des uns Gegenübers. Gleichzeitig gibt sie aber neue Möglichkeiten der Kollaboration und Effizienzsteigerung bei der Nutzung von Besitz - sei es Wohnraum oder Transportmittel. Auch wenn Dienste wie Uber oder AirBnB nicht als Allheilmittelt betrachtet werden sollten - sie könnten als Zusatz zu etablierten Diensten für Kundinnen und Kunden eine Bereicherung sein und unsere Gesellschaft gesamt nach vorne bringen.

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