Propaedeutikum Webwissenschaften Artikel | Geschäftsmodelle im Internet der Dinge

stevan.milic.uni-linz, 10. Jänner 2017, 19:49

 

Vor zehn Jahren hätte niemand geglaubt, dass Kunden bereit wären 80 Euro für ein Kilo Kaffee zu bezahlen, oder dass über zehn Prozent der Weltbevölkerung ihre persönlichen Informationen auf Internetplattformen veröffentlichen - und zwar freiwillig. Das Internet hat einiges verändert und auf den Kopf gestellt. Wer erfolgreich sein will, muss dem Fortschritt einen Schritt voraus sein. (Gassmann/Frankenberger/Csik 2013, S. 3f)

 

 

Innovative Geschäftsmodelle = Erfolg

Viele gehen davon aus, dass Produkt- und Prozessinnovationen für den Erfolg eines Unternehmens ausschlaggebend sind. Studien zeigen jedoch, dass Geschäftsmodellinnovationen das Erfolgspotenzial erhöhen. Laut einer Studie von The Boston Consulting Group sind Geschäftsmodellinnovatoren durchschnittlich um sechs Prozent profitabler als Produkt- oder Prozessinnovatoren. Innovative Produkte und Prozesse sind nach wie vor bedeutsam, doch das Geschäftsmodell ist für den Erfolg oder Misserfolg verantwortlich. Die Autoren vertreten folgende Meinung: (ebd., S. 4)

„Der Wettbewerb wird in Zukunft nicht zwischen Produkten und Prozessen stattfinden, sondern zwischen Geschäftsmodellen.“

 

Wie wichtig innovative Geschäftsmodelle sind, zeigen folgende Beispiele: (ebd., S.4f)

  • Der größte Buchhändler der Welt hat kein einziges Ladengeschäft. (Amazon)
  • Der größte Musikhändler verkauft keine CDs. (Apple)
  • Computer-animierte Filme haben in den letzten zehn Jahren elf Oscars gewonnen. (Pixar)
  • Das Videothekengeschäft funktioniert auch ohne den Betrieb von Videotheken. (Netflix)
  • Der größte Kommunikationsanbieter der Welt hat keine eigene Netzwerkinfrastruktur. (Skype)

 

IT und Internet schaffen neue Möglichkeiten

Seit den 90er Jahren ermöglicht die IT branchenverändernde Geschäftsmodellinnovationen und natürlich auch digitale Geschäftsmodelle. Natürlich gibt es auch Geschäftsmodelle, welche ohne IT funktionieren, doch heutzutage ist die IT aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Denn die IT und das Internet haben den Unternehmen zu neuen digitalen Geschäftsmodellen verholfen. Beispielsweise taucht zwischen 1995 und 2000 das „Web 1.0 - Internet als Geschäftsinfrastruktur“ auf. Hierzu zählen E-Commerce, Freemium, Leverage Customer Data, Open Source Software und Digitalisierung.

Um 2005 entstehen neue Geschäftsmodellmuster, welche auf dem Web 2.0 beruhen. Hier taucht zum ersten Mal der Begriff „Social Media“ auf. Das Internet ermöglicht den Nutzern Inhalte zu veröffentlichen und einen Wert zu schaffen. Zum Web 2.0 gehören Crowdsourcing, Crowdfunding, Long Tail, User Designed und Open Source Content.

Das Web 3.0 hat sich in den letzten Jahren entwickelt und wird gerne als „Internet der Dinge“ bezeichnet. Hier schaffen Sensoren Werte und es wird kommuniziert, jedoch ohne Menschen. (Fleisch/Weinberger/Wortmann 2014, S. 3)

 

Geschäftsmodelle im Internet der Dinge

Das Internet der Dinge bietet Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten. Einerseits können bestehende Geschäftsmodelle optimiert werden, andererseits besteht die Chance neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Aus diesem Grund hat sich auch der Wettbewerb in vielen Branchen verändert. Durch den Einsatz von intelligenten, vernetzten Produkten wurde ein sogenanntes „digitales Nervensystem“ geschaffen. Das erleichtert die Steuerung von Prozessen, vollkommen neue Angebote können erstellt werden und auf Messungen kann eine automatisierte Reaktion erfolgen. (Matyssek 2017, S. 160)

Neuartige Nutzenangebote ermöglichen neue Geschäftsmodelle. Durch die digitalen Dienste wurden neue Funktionen geschaffen. So können die heutigen Produkte beispielsweise Diagnosen erstellen (Überwachung der Gesundheit), die Steuerung übernehmen (Senkung des Energieverbrauchs) oder sogar Daten erheben (Parkplatzsuche - freie Parkplätze finden). Zudem können Produkte als Service angeboten werden.

Bestehend Geschäftsmodelle können dahingehend optimiert werden, dass durch genauere Messungen die Qualität steigt und die Kosten minimiert werden, aufgrund der Automatisierung von Prozessen und der Reduktion von Ausfallzeiten. Außerdem dienen die automatisierten Messungen und die daraus erhaltenen Daten als Grundlage für Analysen und Optimierungen. (ebd., 160ff)

 

Wie man ein erfolgreiches Geschäftsmodell für das Internet der Dinge aufbaut, lässt sich anhand des Unternehmens Nest erläutern. Das Unternehmen bietet lernende Thermostaten an. Diese Thermostaten haben Sensoren, welche erkennen, wann die Bewohner zu Hause sind und welche Vorlieben sie haben. So wird die Heizung oder Kühlung automatisch auf die Bedürfnisse angepasst und laut Nest sinken die Energiekosten um 20 Prozent.

Zudem verkauft Nest die Nutzungsdaten an Energieversorger. Diese können mit den Daten Prognosen erstellen und sich auf Lastspitzen besser einstellen. Das Geschäftsmodell von Nest war derart innovativ, dass Google das Unternehmen Nest für 3,2 Milliarden USD kaufte. (ebd., S. 156)

 

Weitere erfolgreiche Geschäftsmodelle werden nachfolgend angeführt: (ebd., S. 166ff)

  • Intelligente, vernetzte Produkte: Das Unternehmen Limmex verkauft analoge Uhren mit einer Notruf-Funktion. Babolat fertigt Tennis-Schläger, welche dem Nutzer beziehungsweise Spieler wichtige Rückmeldungen über den Spiel-Stil geben. YardArm informiert die Zentrale, wenn Polizisten die Waffe ziehen oder benutzen. Besonders Produkte für die Überwachung von Wohnungen sind gefragt. Diese Geräte holen automatisch Hilfe bei Einbrüchen, Feuer oder Unfällen. Kunden würden jährliche zwischen 180 und 400 USD dafür bezahlen. Laut Prognosen erwartet man eine Marktdurchdringung von 18 bis 29 Prozent bis zum Jahr 2025.
  • Anything as a service: Das Unternehmen Kaeser stellt Druckluft-Kompressoren her und ändert nun das bestehende Geschäftsmodell. Statt den Kompressoren will Kaeser Druckluft verkaufen. Über Sensoren wird der Verbrauch gemessen und dem Kunden in Rechnung gestellt. Für den Kunden ergibt sich ein wichtiger Vorteil, denn er muss keine Anlage kaufen, sondern nur die fortlaufenden Betriebskosten zahlen (Druckluft-Verbrauch). Ein weiterer Vorteil ist, dass sich der Kunde keine Sorgen um die Wartung machen muss, denn die übernimmt Kaeser. Das Unternehmen Kaeser strebt eine dauerhafte Beziehung zu den Kunden an und eine hohe Bindung bedeutet laufende Einnahmen. General Electrics übernimmt sogar die Verantwortung für die Ergebnisse der Kunden. Mit dem Einsatz von Sensoren kann das Unternehmen die Anlagen der Kunden optimieren. Dadurch sind die Kunden sehr abhängig von General Electrics und das Unternehmen kann die Leistungen erfolgsbasiert abrechnen.
  • Datenverkauf - Sensor as a Service: The Weather Company hat 100.000 Wettersensoren in Betrieb und verkauft die Echtzeit-Daten an Unternehmen und Regierungen. Streetline.com hat sich auf die Parkplatzsuche mittels Sensoren spezialisiert. Autofahrer benötigen lediglich die App und können damit die Daten kostenlos abrufen. Die Daten sind auch für die Stadt-Verwaltung wichtig, denn Falschparker werden schneller entdeckt und die Auslastung von Parklätzen erhöht sich.
  • Schaufeln für Goldgräber: Die Einführung neuer Geschäftsmodelle kann sehr komplex sein. Viele Unternehmen fehlt es an Know-how in gewissen Bereichen wie zum Beispiel Software-Entwicklung, System-Integration, Datenanalyse oder Internet-Sicherheit. Das haben einige auf Outsourcing spezialisierte Unternehmen erkannt und bieten daher Grundlagen-Technik an. Namhafte Unternehmen wie SAP und IBM schaffen hier Abhilfe mit Standard-Software.
  • Plattformen: Auf Plattformen können verschiedene Anbieter eigene Lösungen anbieten. Beispielsweise können Smartphones mit Hilfe von Apps um Funktionen erweitert werden. Dadurch kann man das Smartphone als Kassensystem, Spielekonsole oder sogar für medizinische Untersuchungen nutzen. Plattformen sind attraktive Geschäftsmodelle, wobei die Betreiber von den Leistungen anderer Anbieter profitieren. Wie profitabel das Geschäft ist, zeigt sich anhand des Apple Store: Hier generiert Apple 30 Prozent des Umsatzes.

 

Ausblick in die Zukunft

Das Internet der Dinge hat noch lange nicht seine Grenzen erreicht. Der Trend zeigt, dass die technische Weiterentwicklung Luft nach oben hat und die sinkenden Kosten sowie neuen Einsatzmöglichkeiten zur Verbreitung des Internet der Dinge beitragen werden. Der Autor führt folgende Vorteile an: (ebd., S. 175)

  • Die Komponenten werden immer günstiger angeboten.
  • Die Einsatzmöglichkeiten von Sensoren erweitern sich, durch die Entwicklung von Sensoren, welche ohne externe Stromversorgung funktionieren.
  • Es entstehen neue Mobilfunknetze, welche sich auf die Anforderungen des Internets der Dinge spezialisiert haben. Zum Beispiel braucht das Netz von SigFox nur einen Funk-Chip für 1 bis 2 USD und die Datenübertragung kostet bloß 1 USD pro Jahr.

 

Laut dem Autor werden die elektrischen Bauteile in 10 Jahren mit einem Hundertstel der Energie auskommen. Dadurch werden neue Anwendungen möglich und Raum für neue Innovationen geschaffen. (ebd., S. 175)

 

 

 

Quelle:

Gassmann, O., Frankenberger, K., Csik, M. (2013): Geschäftsmodelle entwickeln. München: Carl Hanser Verlag

Fleisch, E., Weinberger, M., Wortmann, F. (2014): Geschäftsmodelle im Internet der Dinge. http://www.iot-lab.ch/wp-content/uploads/2014/09/GM-im-IOT_Bosch-Lab-White-Paper.pdf [27.12.1016]

Matyssek, T.: Geschäftsmodelle im Internet der Dinge. In: Schallmo, D. (Hrsg.) (2017): Digitale Transformation von Geschäftsmodellen. Wiesbaden: Springer Gabler, S. 159-178

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