Propädeutikum Webwissenschaften, Wintersem. 2016

Frankreichs Minitel

Minitel könnte auch mit dem Bildschirmtext-Dienst, in Österreich 1982 von der Post- und Telegraphenverwaltung eingeführt und 2001 eingestellt, verglichen werden. Bildschirmtext war im Vergleich zum französischen Minitel weder in Österreich, noch in Deutschald besonders erfolgreich. Minitel erfreute sich über 30 Jahre hinweg, nämlich von 1982 bis 2012 einer vorerst regen und erst nach und nach abnehmenden Nutzung, verursacht durch das Internet. Doch es gab auch eine Phase des Überganges, in der Nachrichten und Mitteilungen über sogen. Gateways in beide Richtungen ausgetauscht wurden.

Abb.: Ankündigung einer Messagerie aus "Bildschirmfieber", einer Dokumentation von Marie-Rose Bobi und Michael Busse. Eine Produktion des NDR, gesendet vom ORF am 17. Oktober 1987.

Frankreichs Minitel wird heute als einer der erfolgreichsten prä-WorldWideWeb-Dienste bezeichnet. Es stellt sich nun die Frage, ob Minitel, Telex, die Littfassäule, Minnesänger und Herolde in nachfolgende, umfassendere Medien eingegangen sind oder ob sie bzw. deren Funktion und Absichten verloren gingen. Sind Medien die verschwinden, nicht auch Wegbreiter für neue?

Minitel - ein Weg aus dem Alltag zu entfliehen und sich mit Menschen zu vernetzen. Seien es gleiche Interessen oder einfach nur die Langeweile und Einsamkeit der Masse.

Sicherlich eine Parallelle zum Internet.

Großer Unterschied zum Internet: Die Daten wurden zentral gespeichert, was Kontrolle und Monetarisierung klar vereinfacht. 

Spannender Vergleich mit dem Apple AppStore: http://orf.at/stories/2128355/2128407/

Auch hier werden die Inhalte zentral verwaltet, kontrolliert und monetarisiert. 

Ein Produkt, zweckentfremdend angewandt und eine Vielzahl an neue Business Models ermöglicht - Minitel kann eigentlich als Paradebeispiel für eine "Markt-Innovation" gesehen werden. 

Als ich als Jugendliche mit dem Internet vertraut wurde (90er Jahre) war ebenso die attraktivste Funktion der Live-Chat mit anderen Leuten in der ganzen Welt unter witzigen Nicknames, damals von den öffentlichen PC's in der Schule aus. Unverbindliche Unterhaltung und Entertainment stand im Vordergrund.

Interessant dass sich Minitel in Frankreich im Gegensatz zu Deutschland und Österreich so durchgesetzt hat:

Minitel 1990 - 4Millionen Nutzer

BTX 1988 - -100000 Nutzer

Mupid 1992 - 15600 Nutzer

Hier zwei Artikel zu BTX und MUPID.

Vor allem die Indentifikation mit der Telefonummer also Adresse im Minitel kann als Parallelität zu den heuten verwendeten IP-Adressen gesehen werden. Also wurde auch hier die Anonymität trotz der verwendeten Pseudonyme nicht gegeben. Unklar ist wie weit dabei Informationen vorhanden waren um die in Minitel erzeugten Daten mit ihrem Urheber in Verbindung gebracht werden konnten.

Spannend, dass bei der beschränkten Anzahl an Minitels auch hier so rasch der Grundgedanke verworfen (bzw. aus den Fokus geriet) und für "andere Dinge" verwendet wurde. Anonymität (Alias, kein Gesicht,...) spielt hier natürlich eine große Rolle. 

Die Funktionsweise erinnert stark an einen "Chatroom". Die beschriebenen Geschichten über die User, die einen Roman zusammen schreiben, erinnern an moderne SciFi Spiele. Es werden vergleiche gezogen mit dem Aufkommen der Postzustellung im 17. Jahrhundert, was auch Ähnlichkeiten zu heutigen Emails bzw. die Kommentare, die der "Pirat" verfasst auch Parallelen zu einem "Blog". Die N7 Zentrale ist vergleichbar mit den heutigen Servern. Die gesamte Technologie wird sowohl am Arbeitsplatz, als auch in der Freizeit bzw. auch zur "Flucht aus dem Alltag" verwendet.

Auch zu dieser Zeit ist zu beobachten, dass der Wechsel von einem Kommunikationssystem zu einem anderen äußerst schnell zu verlaufen.

Minitel war ein revolutionäres Tool um Zugang zu Informationen und Unterhaltung für Privatpersonen zu ermöglichen. Ursprünglich war das Minitel als Ersatz für schwere Telefonbücher gedacht und wurde als Auskunft genutzt. Effektiv wurde das Minitel jedoch für weit mehr genutzt - Austausch von Kurznachrichten, Abfrage des Kontostandes und Tätigung von Banküberweisungen usw. Der Dienst wurde jedoch nur in Frankreich angeboten. 

Es scheint als wäre Minitel eine kleine Ausführung des Word Wide Web, man ist anonym und hat ZUgang zu reichlich Informationen und kann sich mit anderen Nutzern austauschen. Es wurde auch als Sprachrohr verwendet um eine Meinung zu einem gewissen Thema an eine große Menschenmenge mitzuteilen. 

Das Web war ursprünglich dafür gedacht, allgemeinen Zugang zu einer großen Ansammlung von Dokumenten zu erlauben und sich auszutauschen und ermöglicht ebenso Zugang zu reichlich Informationen zu bekommen. 

siehe Beitrag

Technischer, automatischer Support einer Maschine via Mini-Tel. - erstaunliche Technologie. Ist hier Minitel in Teilen der Vorläufer von Industrie 4.0  

Außerdem ähnliche Rolle in der Organsiation von politischen Bewegungen wie zb dem arabischen Frühling. Damals Minitel, heute Twitter. 

Überrascht hat mich wie bewusst negativ und zukunftspessimistisch der Bericht gestaltet ist. Die neue unbekannte Technologie wird verteufelt und die Nutzerinnen nahezu als Soziopathen dargestellt die im "realen Leben" nicht zurecht kommen. Über die inszenierung der Bilder, die gesprochenen Texte und selbst die Musikauswahl im Bericht wird hier bewusst eine Geschichte inszeniert. Objektiver Journalismus sieht anders aus.

Das Bildschirmgerät mit ausklappbarer Tastatur stand zeitweise in jedem dritten Haushalt. Es erlaubte den weit über 20 Millionen Benutzern, Zugtickets zu kaufen, Börsenkurse abzufragen oder den Wetterbericht einzusehen – und zwar so rasch und einfach, dass selbst Technikbanausen damit umgehen konnten - der Minitel alias "Prä-www"

Was mit den verbliebenen Geräten passiert? Die Zeitung "Le Parisien" ist der Frage nachgegangen - und hat herausgefunden, dass den Geräten künftig als Auto-Stoßstangen oder Mantelhalter eine zweite Karriere bevorsteht. Eine bei Toulouse gelegene Firma hat sich darauf spezialisiert, die Geräte mit gezielten Hammerschlägen zu zertrümmern, um dann die Kunststoffteile einer neuen Verwendung zuzuführen.

HIER der Link zum Artikel

Die erste Homepage kommt aus der Schweiz und sollte das Internet und seine Nutzung erklären... -> http://derstandard.at/1363709639185/20-Jahre-freies-WWW-Aelteste-Website-der-Welt-reanimiert

Die neuen Kommunikationssysteme haben neue Ebenen des gesellschaftlichen Austauschs ermöglicht. Es stellt sich die Frage, wie durch die neuen Kommunikationssysteme die bestehende Gesellschaft verändert wird und welche Handlungsmöglichkeiten sich mit den neuen Kommunikationsformen ergeben, dazu mein weiterführender Kommentar: https://collabor.idv.edu/webwisanziv/stories/54025/

Frankreich erlangte durch den Minitels eine Vorreiterrolle. Bereits in den 1978 wurde er eingeführt, mit dem Ziel der "Informatisierung der Gesellschaft". Doch warum war dieser klobige Kasten so erfolgreich? Ein Grund dafür war, dass die Hardware gratis zur Verfügung gestellt wurde. Zudem warf der Einsatz des Minitels Geld ab! Beispielsweise wurde durch erotische Chats und Sex-Hotlines Gewinn gemacht, welche im Jahre 1987 71% des Datenverkehrs ausmachten.

Hier ein interessanter Artikel zum Minitel mit einigen Fakten: https://www.brandeins.de/archiv/2015/ziele/minitel-paris-erwacht/

Die Funktionen des Minitels sowie die Emotionen der Minitel-Benutzer hatten in meine Augen starke Ähnlichkeiten mit dem heutigen sozialen Netzwerken. In meinem Kommentar bin ich auf die Ähnlichkeiten genauer eingegangen.

Mehr dazu!

Welche ähnlichen Phänomene lassen sich zwischen www und Minitel finden? Mehr dazu hier.