Ich gebe zu, ich habe es mir in diesem Beitrag etwas leicht gemacht. Ich bin Vertreter der Meinung, dass Spielen eine selbstverständliche Form des Lernens ist. Weshalb wir Spiele spielen, ist nicht immer ganz einfach zu erklären. Einen - meiner Ansicht nach - recht guten Versuch wagt Youtuber Vsauce in seinem zwölfminütigem Video zu Spielen, worin mitunter auf Videospieldesigner Chris Crawfords Abgrenzung von "Games" zu "Toys", "Playthings" oder "Challenges" eingegangen wird (ab etwa 02:09):
Ein "Plaything" macht Spaß und ist interaktiv, wenn eine Challenge andere Personen beinhaltet, ein Ziel hat und man mit diesen Interagieren und in deren Spielerfahrung eingreifen kann, so spricht man von einem "Game". Und genau bei dieser Interaktion, die ein Spiel zu einem Spiel macht, möchte ich mit zwei Extrembeispielen virtueller Kommunikation in Videospielen einhaken.
Journey - eine stille Reise mit Unbekannten
Das im Jahr 2012 exklusiv für die Playstation 3 erschienene Independent Video Game Journey hat hohe Wellen geschlagen. Allerdings nicht ausschließlich wegen der tollen visuellen Aufbereitung und der Tatsache, dass das Spiel - wie auch zahlreiche andere Indie Games, die künstlerische Aspekte in die Videospielerfahrung einfließen lassen - als "very artsy" gilt. Was Journey so besonders macht, ist der ganz besondere Zugang zum Multiplayer:
In Journey lenkt man eine Figur durch eine Wüste, das Ziel ist ein Berg in weiter Entfernung. Während der Reise kann man andere Spielfiguren antreffen, die widerum von anderen Menschen gelenkt werden. Man kann nebeneinander herlaufen, man kann sich helfen, doch man weiß nicht, wer der andere ist. Man begeht seine Reise wortlos. Kein Chat, keine Mikrofone, keine Nicknames, nur die stille, anonyme Präsenz des Anderen. Einzig ein musikalischer Ton, den die Figur so lange loslässt, solange man die entsprechende Taste drückt, dient der Kommunikation. (1)
Ein weiteres Video, in dem man die Multiplayererfahrung sehen kann, ist hier zu finden: http://www.youtube.com/watch?v=z5v9_MVuodw
Diese minimalistische Form der Kommunikation hat dem Spiel sehr schnell zu rasender Bekanntschaft verholfen. Geschichten von Menschen, die durch diese Anonymität des Anderen in tragischen Lebenssituationen Vertrautheit gefunden haben, machten die Runde. (2)
DayZ - Untote, die Apokalypse, Freundschaft und Betrug
“You are now our slave. If you follow instructions, you’ll stay alive. If not, we will shoot you.” (3)
Dieses Zitat aus dem Artikel "Stockholm Syndrome: How Six Men Kidnapped Me in DayZ" zeigt die Wirklichkeit im Survival-Horror-Spiel mit Namen DayZ. DayZ versetzt den Spieler in eine postapokalyptische Welt, gibt ihm ein paar Utensilien (keine Waffen) in die Hand und schickt ihn auf eine Reise. Dabei werden Teile klassischer MMOGs und First Person Shooters in einem Spiel, allerdings gibt es hier keine definierten "Teams", die gegeneinander antreten. (4)
Unterwegs trifft man auf computergesteuerte Untote, aber auch auf andere Menschen. Diese Menschen können entweder Banditen oder andere Überlebende sein - man weiß es nicht, und der Wechsel zwischen Bandit/Überlebender ist graduell und verändert sich je nach dem eigenen Verhalten. Banditen könnten den Spieler von der Entfernung erschießen oder ihn berauben. Sie können sich aber auch vorerst wie Freunde verhalten, nur um dem Spieler dann in den Rücken zu fallen. Denn wer stirbt, verliert alles und beginnt wieder von vorne: Mit leeren Händen und irgendwo in der Spielwelt. (5)
Dieser Aspekt macht DayZ in gewisser Hinsicht einzigartig. Der Spieler könnte theoretisch alleine sein Glück versuchen, durch die Wälder schleichen und den Kontakt mit anderen vermeiden. Nahrung, Wasser und Waffen gibt es allerdings in eher in Städten, und diese sind durch Untote und Lebende gut besucht. Um in der Welt langfristig bestehen zu können, empfehlen sich Bündnisse, allerdings gibt es auch Motivationen, die eigenen Gruppenmitglieder zu hintergehen, wodurch viele Interaktionen Züge des Prisoner's Dilemma aufweisen, das der Kollege Christian Bachner in seinem Blogartikel näher erläutert. (4)
Das Open-World-Spiel fällt zwar aus Crawfords Definition eines Spiels, da es kein direktes Spielziel bzw. -ende gibt, dennoch verlockt der moralische Aspekt ("Schließe ich mich dir an oder erschieße ich dich und nehm dir dein Hab und Gut?") zu intensiver Kommunikation (mittels Texteingaben und Mikrofon) zwischen den Einzelnen.
Um die Stimmung des Spiels und der Teilnehmer etwas einzufangen, sollen hier einige Zitate aus verschiedenenYoutube-Videos angeführt werden:
"I betrayed 2 guys and took all their stuff, cause i had the feeling they were going to betray me first." - Playakiddie
"I dont know who has the heart to just betray like that, even in a video game. To me, people in this game are just as real as real people" - zanaik
"I do it all the time. Sometimes I make people think that I am friendly, hell, I will even travel with them for a short while. After a while, I will just unload on them.
It's a good way to get resources. You can't trust anybody in this game, just like in the real world." - Colten DeYoung
Zum Schluss
DayZ ist ein Experiment. Ein Experiment, das, ganz im Gegensatz zu Journey, ein hohes Maß an Kommunikation verlangt und dabei tiefgehende moralisch diskussionswürdige Handlungen hervorbringt. Diese werden nicht vom Spielmacher, sondern vom Spieler vorgegeben. Journey setzt hingegen auf eine gemeinsame und lineare Erfahrung, die vom Ersteller des Spiels geplant wurde. Beide Spiele sind Experimente, beide beleuchten die Bedeutung der virtuellen Kommunikation, allerdings auf anderer Basis.
Quelle 1: http://en.wikipedia.org/wiki/Journey_(2012_video_game)
Quelle 2: http://kotaku.com/5982655/she-lost-her-father-but-journey-helped-her-cope
Quelle 3: Ruch, A. (2012). Stockholm Syndrome: How Six Men Kidnapped me in DayZ. (http://games.on.net/2012/07/stockholm-syndrome-how-six-men-kidnapped-me-in-dayz/)
Quelle 4: Carter, M., Wadley, G., & Gibbs, M. (2012). Friendly, don't shoot!: how communication design can enable novel social interactions. In Proceedings of the 24th Australian Computer-Human Interaction Conference (pp. 72-75). ACM. (http://marcuscarter.com/wp-content/uploads/2012/12/p072-075.pdf)
Quelle 5: http://de.wikipedia.org/wiki/DayZ
Alle Quellen wurden zuletzt am 6. Mai 2013 abgerufen.