Transparenz & Virtuelle Identitaet Customizing Prices in Online Markets

carolin barbara andrea.angermayr.uni-linz, 6. November 2014, 12:26

Nachfolgend wird der Artikels des Marketing-Professors, Werner Reinartz "Customizing Prices in Online Markets", publiziert in Symphonya Emerging Issues in Management, n. 1, 2002, behandelt.

Der Text analysiert 5 Bedingungen für den Einsatz dynamischer Preisanpassungen. In traditionellen Märkten eingeschränkt möglich und oft kostspielig in der Umsetzung, stehen dem E-Commerce effiziente Werkzeuge für die dynamische Preisgestaltung zur Verfügung: "[...] e-commerce transactions which involve dynamic pricing will leap [...]. One-to-one pricing is supposedly just around the corner." (Q1, S. 56)
Je mehr der Verkäufer über den Konsumenten weiss, desto zielgerichteter kann er seine Preisgestaltung auf den einzelnen Käufer ausrichten.

Es gibt verschiedene traditionelle "diskriminierende Variablen" als Grundlage für die dynamische Anpassung von Preisen, wie z.B. das Wetter (Regenschirme sind bei Regen, Erfrischungsgetränke bei warmen Temperaturen teurer), Mengenrabatte (größere Mengen werden zu geringeren Stückpreise verkauft), Zielkunden-Segmente (Preisempfindliche Kunden zahlen weniger), Zeit (Frühbucherrabatte), etc.

Die höchsten Umsätze lassen sich erzielen, wenn angebotene Preise der jeweiligen Zahlungsbereitschaft der Kunden entsprechen. "At least theoretically, this approach maximises firms' profits in economic terms and is therefore superior to all the other methods [...]." (Q1, S. 56). In traditionellen Märkten war die Umsetzung dieses Ansatzes schwierig, in Online-Märkten wird es möglich: "the time has come for firms to personalise prices to individuals. [...] One-to-one pricing is supposedly just around the corner." (Q1, S. 56)

Aber nicht nur für Verkäufer stehen neue Möglichkeiten offen, auch für den Verbraucher ist es einfacher, Preise zu vergleichen und Erfahrungen mit anderen Konsumenten auszutauschen, weshalb ein one-to-one pricing-Ansatz nicht ohne Risiko für Verkäufer ist, Kunden zu verärgern und letztlich zu verlieren.

Der Artikel analysiert 5 Bedingungen, wann und wie Preisanpassungen als seriöses Werkzeug im Werkzeugkasten eines Verkäufers sinnvoll eingesetzt werden können:

1. Heterogene Zahlungsbereitschaft von Konsumenten

Eine wichtige Grundlage für dynamische Preise ist eine unterschiedliche Zahlungsbereitschaft von Konsumenten für ein und dasselbe Produkt oder Service. Als Gründe werden Opportunitätskosten der Zeit, die Notwendigkeit der Erhöhung von Suchanstrengungen, individuelle Einstellung gegenüber Produktrisiken, unterschiedliche Wahrnehmung von Markenwerten, etc. angeführt. Für differenzierbare Produkte, wie Markenprodukte, besteht in Online-Märkten eine höhere Preisempfindlichkeit als in traditionellen Märkten, in denen Preisvergleiche schwieriger sind. In dieser Hinsicht führt das Internet zu mehr Wettbewerb und kompetitiveren Märkten mit niedrigeren Margen.

2. Der Markt muss segmentierbar sein

Die Schwankungsbreiten der Zahlungsbereitschaft sind in vielen Märkte erheblich, die Möglichkeiten deren Ausschöpfung meist beschränkt. In der Regel zahlt im Handel jeder Kunde denselben Preis für ein bestimmtes Produkt. Die Möglichkeiten der Erfassung der Zahlungsbereitschaft durch den Händler sind beschränkt auf

  • eine Verbindung zwischen Einkauf und Kunden herzustellen, um über Gutscheine bestimmte verkaufsfördernde Maßnahmen umzusetzen und
  • den Kunden die Segmentierung selbst zu überlassen, indem sie sich durch ihren Kauf einem bestimmten Kundensegment zuordnen, z.B. bei der Buchung eines möglichst günstigen Flugtickets zahlreiche Einschränkungen in Kauf nehmen oder mehr für höhere Flexibilität bezahlen.

Das Web hat Möglichkeiten geschaffen, Kunden auch nach ihrer Zahlungsbereitschaft zu segmentieren, insbesondere durch das Tracking. Dabei werden Käuferprofile angelegt die Präferenzen und Entwicklungen im Zeitverlauf analysieren, Reaktionen und Auswirkungen bestimmter Marketing-Maßnahmen verfolgen und letztlich die Zahlungsbereitschaft einzelner Kunden errechnen können. Während traditionell für den Verkäufer lediglich die Kaufentscheidung ersichtlich wird, können Webtechnologien bereits jene Informationen erfassen, die der Kunde in seinen Entscheidungsprozess vor der finalen Kaufentscheidung berücksichtig hat. Das Ergebnis ergibt ein relativ genaues Bild über Präferenzen und nachvollziehbare Entscheidungsmuster, etc. eines Kunden. Das Wissen über diese Zusammenhänge liefert dem Marketing eines Unternehmens wertvolle Informationen über die Zahlungsbereitschaft seiner Kunden.

Nähere Informationen über Segmentierung in dem Blogbeitrag von Kollegin Claudia Ganglberger.

3. Arbitrage - Einschränkung des Profitierens aus Preisunterschieden für gleiche Waren auf unterschiedlichen Märkten, Vermeidung von Weiterverkauf

Bei regionalen Preisunterschieden sollen Käufer nicht in Versuchung kommen, Produkte, die an einem Ort günstiger sind als anderswo günstig ein- und an einem Ort mit höheren Marktpreis und mit Gewinn wieder zu verkaufen. Deshalb werden Produkte, wie z.B. billige Flugtickets mit einer Reihe von Restriktionen belegt, um den Weiterverkauf zu verhindern oder uninteressant zu machen.

4. Die Kosten der Segmentierung und Überwachung dürfen die Umsatzsteigerungen in Folge der Anpassungen nicht übersteigen

Als Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung dieser Art von Preisanpassungen werden die Preisfindungsmaßnahmen von Fluggesellschaften angeführt. Obwohl die Umsetzung den Fluggesellschaften viel Geld kostet, profitieren sie überdurchschnittlich stark davon. Durch bestimmte Berechnungen können Sitze, die frei bleiben würden, zu günstigeren Preisen dennoch verkauft werden.

5. Wahrgenommene Gerechtigkeit

Der Kunde muss das Gefühl haben, ein faires Geschäft abgeschlossen zu haben, um wiederzukommen. Ein wichtiger Faktor bei dieser Bedingung ist die beschränkte oder unbeschränkte Verfügbarkeit eines Produkts. Während ein Platz auf einem bestimmten Flug nur eine bestimmte Zeit in limitierter Menge verfügbar ist, sind Massenprodukte, wie z.B. DVDs zumindest theoretisch unlimitiert verfügbar. Dynamische Preisanpassungen werden für limitierte Produkte akzeptiert. Bei unlimitiert verfügbaren DVDs hingegen erwartet der Kunde einen fixen Preis innerhalb einer bestimmten Zeitspanne. Als Amazon z.B. in 2000 DVDs zu Preisen nach dem Zufallsprinzip verkaufte, wurde dies sehr schnell publik und provozierte großen Ärger seiner Kunden. "relationships are built up over time but the can be destroyed in a single transaction." (Q1, S. 62)

Unter bestimmten Voraussetzungen können dynamische Preise auch für unlimitiert verfügbare Produkte argumentiert werden:

  • die Transaktion und Preisfindung zwischen Kunde und Firma erfolgt nicht öffentlich
  • klare organisatorische Trennung zwischen Online- und Offlinegeschäft
  • Einführung von Produktversionen, z.B. special oder limited Editions.
  • zeitlich begrenzte Angebote oder verderbliche Waren.

Formen von Dynamischer Preisgestaltung

Basierend auf den genannten 5 Bedingungen kann zwischen einer schwachen und einer starken Form der dynamischen Preisgestaltung gewählt werden.

Bei der schwachen Form dynamischer Preisgestaltung, ändern sich Preise im Zeitverlauf, aber nicht zwischen Kunden, was von dem Kunden als fair wahrgenommen wird.

Bei der starken Form der dynamischen Preisgestaltung ändern sich Preise über die Zeit und zwischen Kunden. Die Gefahr besteht, dass man Kunden verärgert und verliert. Deshalb ist die Abwägung der Chancen und Risiken entscheidend. "If relationship building is key to the business, then the strong form of dynamic pricing is probably not the right option."(Q1, S. 63)

Fazit

Dynamische Preisgestaltung ist ein wichtiges Werkzeug zur Steigerung der Umsätze. Je mehr Information ein Unternehmen über seine Kunden, ihre Zahlungsbereitschaft und kaufentscheidende Faktoren hat, desto zielgerichteter kann es Maßnahmen treffen, die den Kunden zu einem Kauf bewegen. Das Internet ermöglicht es, diese Informationen aufzuspüren und auszuwerten.

Zahlreiche Firmen haben sich bereits auf die Entwicklung von Software spezialisiert, die Informationen aus dem Surfverhalten von Kunden aufzeichnet, analysiert und für Auftraggeber auswertet. Händler setzen diese Software klammheimlich ein, um Käufergruppen nach bestimmten Kriterien zu identifizieren. Relevant sind dabei z.B. die Verweildauern, die Eile bei einer Suche - ein eilig Suchender hat möglicherweise eine höhere Zahlungsbereitschaft als einer, der sich intensiv mit einem Kauf beschäftigt, Apple-Usern wird die Tendenz zu preiswerteren Hotels nachgesagt, etc. (vgl. auch Beitrag von Kollege Robert Gmeiner).
"If they knew, many would feel that it is “pushing the boundaries” of fairness, notes Werner Reinartz, a University of Cologne marketing professor and consultant to two Fortune 500 companies that use customisation techniques."  (Q2)

Der gläserne Kunde ist bereits Realität. Prof. Reinartz warnt vor den Risiken, die mit starken Formen dynamischer Preisgestaltung einher gehen, denn "relationships are built up over time but the can be destroyed in a single transaction." (Q1, S. 62).

Für mich als Kunde sind diese Entwicklungen bedenklich. Sowohl Anbieter dieser Software als auch Firmen, die diese Software einsetzen halten geheim, wie sie welche Informationen für ihre Zwecke sammeln und gebrauchen, wem sie welche Information verkaufen, etc. Während der Konsument für diese Firmen immer transparenter wird, werden die Geschäftsmethoden für den Konsumenten immer undurchsichtiger. Für das Gefühl von "wahrgenommener Gerechtigkeit" beim Einkauf ist das Wissen über diese Mechanismen wenig förderlich.

 

Quellen

Q1: Reinartz, Werner. 2002. "Customizing Prices in Online Markets" Symphonya Emerging Issues in Management, n. 1, 2002, abgerufen im Oktober 2014

Q2: The Economist: "How deep are your pockets", vom 30.06.12, abgerufen im Oktober 2014

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