Vortrag Das Ende der gedruckten Tageszeitung?
Hans.Mittendorfer.Uni-Linz, 13. Mai 2015, 12:56
Aus gegebenem Anlass
Am Zeitungskongess 2015 in Wien (Q1) war das Verhältnis zwischen Printmedien und Onlinemedien ein zentrales Thema. Es ging jedoch weniger um die Frage Soziale Medien versus Qualitätsjournalismus, sondern primär um die Rezeption bisher als klassisch eingestufter Medien. Der Konsum Letzerer mittels Geräten der Mobilkommuniaktion scheint die Richtung zu weisen. Ein Beitrag im Rahmen der ORF Berichterstattung ZIB 2 vom 4. Mai 2015 nimmt darauf Bezug.
Google Epic 2015
Die multimediale Dokumentation Google Epic 2015 wurde 2004 von Robin Sloan und Matt Thompson erstellt und online publiziert. Es handelt sich dabei umd einen fiktiven Rückblick auf die Medienlandschaft aus dem Jahr 2015, des fiktiven "Museum Of Media History". Die Aussagen in der multimedialen Dokumentation bis 2004 sind demnach historische Fakten aus der Entwicklung des Internets. Aussagen, die sich auf die Zeit von 2005 bis 2015 beziehen, haben Prognosecharakter.
Multimediale Dokumentation: http://media.aperto.de/google_epic2015_de.html, 6. Mai 2014
Ausgangssituation
Die vorliegende Dokumentation fokussiert auf die Nutzung des Internets bzw. des Web - und nicht auf dessen Technologie. Letztere wurde vorausgesetzt und im Sinne einer treibenden Kraft zur Kenntnis genommen. Die Verlegung der Betrachtung von der Technik auf deren Anwendung bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Schwerpunktsetzung der Begriffe "Web" und "Internet".
Suchmaschinen
2004 waren Suchmaschinen, vor allem Google, längst etabliert und gehörten neben E-Mail in das Standardrepertoire aller Gruppierungen der Internet-Benutzer.
Sogenannte Robots durchsuchen permanent den globalen Webspace nach Änderungen und Neuerungen in HTML-codierten Dokumenten und teilweise auch proprietären Formaten (z.B PDF, MS Word), um diese nach Begriffen in Überschriften, Bild-Unterschriften, Volltexten oder Metainformationen und Links zu durchsuchen, zu beschlagworten und letztendlich zu gewichten.(Page-Rank-Algorithmus).
Abbildung: Visualisierung der Content-Analyse
Quelle: http://media.aperto.de/google_epic2015_de.html, 6. Mai 2014
Anmerkung: Der Page-Rank einer Website auf einer 10-teiligen Skala kann abgefragt werden.
Blogs, Wikis, Wikipedia
Der als Online-Lexikon bekannte Dienst "Wikipedia" nimmt 2001 seinen Betrieb auf. Das Unternehmen "Blogger" wird bereits 1999 gegründet. Anfang des Jahrhunderts verbreiten sich Weblogs auch im deutschsprachigen Raum. Der Weblog des "Schockwellenreiters", alias Jörg Kantel, gilt als der Bekannteste seiner Zeit.
Abbildung: Logo des Blog-Dienstes "Blogger"
Quelle: http://media.aperto.de/google_epic2015_de.html, 6. Mai 2014
2003 geht der erste, österreichische Blogservice "twoday" (14.3.2011) in Betrieb. 2003 ist auch das Gründungsjahr des vorliegenden Lernblog-Dienstes ::Collabor:: eine partizipative, universitäts-übergreifende Plattform zwischen der HTW-Berlin, der Universität Salzburg und der Johannes Kepler Universität Linz, im Rahmen einer Verbund-Vorlesung an drei Orten.
Den, bis zum Auftreten von Blogs und Wikis vornehmlich rezipierenden Nutzern des Web (Web 1.0), war damit die Möglichkeit eröffnet, selbständig, ohne Informatik-Kenntnisse und spezieller Ausrüstung, im Web zu veröffentlichen, wenngleich mehrheitlich in kurzen Beiträgen oder Kommentaren. Es folgen Foto- und Video-Sharing-Dienste. Der Mikro-Content wurde geboren.
Soziale Netze
Friendster, ein Dienst der kategorisch heute zum Kern der sozialen Netzwerk gezählt wird, wurde 2002 gegründet und verbuchte erste Erfolge im englischsprachigen und asiatischen Raum.
Abbildung: Logo des sozialen Netzwerkes "friendster"
Quelle: http://media.aperto.de/google_epic2015_de.html, 6. Mai 2014
Später folgen "MaySpace" und in weiterer Folge "Facebook". Der beliebte Dienst "Twitter" startet 2006 seinen Dienst.
Analyse
Mittlerweile ist der Zeitpunkt der fiktiven Rückschau fast erreicht. Was ist eingetreten - was nicht?
Unternehmenswert und Unternehmenszusammenschlüsse
Angenommene Unternehmenszusammenschlüsse im Großformat, wie Amazon und Google, sind zwar nicht erfolgt, aber Unternehmensübernahmen stehen auf den Tagesordnungen der "Big Player". Medienunternehmen, Giganten der Internet-Branche und Unternehmen der traditionellen Computerbranche kämpfen um die Einverleibung kleiner Unternehmen mit innovativen Technologien. Das Sprießen von "Startups" ist die Folge, Unternehmen, die es darauf anlegen aufgekauft zu werden oder mit einem "Millionenkapital" an die Börse zu gehen. Diese Entwicklung hat die Writschaftskriese 2008 nur kurzzeitig gedämpft.
Automatisierte Verarbeitung von Nachrichtenstömen
Abbildung: Visualisierung der automatisierten Verarbeitung von Nachrichtenströmen
Quelle: http://media.aperto.de/google_epic2015_de.html, 19. März 2013
Den, in der vorliegenden Dokumentation nur implizit angedeuteten Diensten wie "NowPublic" (gegründet 2005) und "Amazon Mechanical Turk" (Beta-Stadium bis heute) liegen Geschäftsmodelle zu Grunde, welche auch Laien in die publizistische Produktion einbinden. "Jeder trägt bei und kann sein Leben zum Teil der Medienlandschaft machen." (ebenda)
Es folgt die Ausdehnung der permanenten Suche und Verarbeitung neuer Inhalte im Web, vor allem Veröffentlichungen in Weblogs, Wikis und Sozialen Netzen, zum Zwecke der Gewinnung von Daten für die Generierung von Nachrichten und einer fundierten, datenbasierten Marktanalyse (Big Data). Die klassische Marktforschung mittels Befragung oder Interview verliert womöglich an Bedeutung.
Abbildung: personalisierter, automatisierter Nachrichtendienst
Quelle: Quelle: http://media.aperto.de/google_epic2015_de.html, 19. März 2013
Der Datenhunger nach personalisierten Daten zieht die Missachtung des Datenschutzes, auf beiden Seiten - Diensteanbieter wie Nutzer - nach sich. NutzerInnen Sozialer Medien geben bewusst oder unbewusst, freiwillig, oftmals leichtsinnig oder unfreiwillig Teile ihrer Privatsphäre preis, die vor der Epoche der Sozialen Medien nur - und wenn überhaupt - Vertrauenspersonen zugänglich gemacht worden wären.
Abbildung: personalisierte Datensammlung
Quelle: Quelle: http://media.aperto.de/google_epic2015_de.html, 19. März 2013
Mobile "Medienplayer"
Abbildung: "wifiPod"
Quelle: http://media.aperto.de/google_epic2015_de.html, 19. März 2013
Der vorausgesagte "wifiPod" von Apple ist Symbol für die rasche Verbreitung sogenannter Smartphones und Geräte der Mobilkommunikation.
Geolokalisierung
Die Kombination von Mobilgeräten und GPS tragen zur Geolokalisierung nahezu aller Daten bei. Dienste, welche geolokaliserte Daten zum Kern ihres Angebotes machen verbreiten sich parallel zu den Mobilgeräten.
Abbildung: Geolokalisierte Nachrichten
Quelle: http://media.aperto.de/google_epic2015_de.html, 19. März 2013
Schlussfolgerung
Google Epic 2015 konzentriert sich auf die Nutzung des Web und verschiebt das "Phänomen-Web" vom (allein) technologischen zum auch, oder überwiegend gesellschaftlichen.
Das beinahe theatralisch dargestellte Verschwinden des "vierten Standes", mit dem Medium "Zeitung" - repräsentiert durch den berühmten Vertreter "New York Times" - scheint etwas überzogen, weist aber unmissverständlich auf radikale Änderungen in der Medienlandschaft hin. Nicht nur die Zeitung, sondern auch das Buch, Fernsehen und Film nehmen neue Formen der Rezeption an, sie werden nicht verschwinden, aber sie mutieren. Der Journalismus, als Qualitätssicherung der auch künftig allgegewärtigen Medien, scheint nicht zu verschwinden. Die Geschäftsmodelle die dem 4. Stand sein Überleben sichern sind in Entwicklung.
Pressefreiheit ist nicht mehr "die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten (Q1)", sondern "die Freiheit von mehr als zwei Milliarden Menschen mit Internetzugang, ihre Meinung ins Netz zu stellen (Q2).
Umfrage:
Bitte nehmen Sie an der kurzen Umfrage zu Google Epic 2015 teil.
Quellen:
- (Q1) Theodor Herzl in A. Wolf: Wozu brauchen wir noch Journalisten ?, Wien 2013 Seite 55.
- (Q2) A. Wolf: Wozu brauchen wir noch Journalisten ?, Wien 2013 Seite 56.
- (Q3) Online: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20080420_OTS0014/groesster-europaeischer-zeitungskongress-startet-heute-in-wien (aufgerufen am 5. 5. 2015)
Deutsche Verleger gegen Google
christoph.strutzenberger.uni-linz, 6. Mai 2015, 18:41
Seit einiger Zeit wird in Deutschland rege über das sogenannte Leistungsschutzrecht diskutiert. Zwischendurch hat Google die Kurzbeschreibungen aus den Suchergebnissen verbannt (manche Suchergebnisse sogar ganz). Aktuellste Entwicklung: Die VG Media AG (als Rechtsvertreter) verlangt 6% vom Deutschland-Umsatz. Ein interessanter Kampf mit fragwürdigen Konstellationen.
http://www.lvz-online.de/kultur/news/leistungsschutzrecht-verleger-wollen-sechs-prozent-vom-google-umsatz/r-news-a-284446.html
Artikel zum Beitrag
victoria.krauk.uni-linz, 6. Mai 2015, 18:55
Rechtssprechung löst kein gesellschaftliches Problem
inga-kristin.grosser.uni-linz, 6. Mai 2015, 19:43
Weder Medienvertreter noch ein Gesetzgeber wird die Problematik des Qualitätsjournalismus in Verbindung mit Google lösen. Der Internetnutzer/Konsument beeinflusst mit seinem Handeln das Angebot von Google und ebenso mit seinem Kauf/Nicht-Kauf von Printmedien. Nicht alle Informationen, die Verlage in ihren Printmedien veröffentlichen sind selbst recherchiert, sondern teilweise zugekauft. Dieser Umstand und das Überangebot an Zeitungen und Zeitschriften wird zwangsläufig in einer Marktbereinigung enden. Echte Qualität wird sich hingegen immer einer Nachfrage zu einem fairen Gegenwert gegenüber sehen.
Wer sitzt am längeren Hebel?
tobias thomas.hoegg.uni-linz, 6. Mai 2015, 20:30
Meiner Meinung nach, ist es verständlich, dass Verlage in aktuellen Krisenzeiten am riesigen Umsatz von Google teilhaben wollen. Aber gerade in Zeiten, in denen viele Verlage das Offlinegeschäft gezwungenermaßen verkleinern müssen und im Gegenzug versuchen, das Onlinegeschäft voranzutreiben, ergibt sich mit Googles Marktmacht in Deutschland (weit über 90% Marktanteil) eine Abhängigkeit von der Suchmaschine. Eine eingeschränkte Anzeige oder gar komplett gelöschte Snippets aus den Suchergebnissen können aufgrund des enormen, damit einhergehenden Trafficverlustes nicht im Sinne der Verlage sein.
fisch+fleisch als interaktive Meinungsplattform
ines.schallauer.uni-linz, 6. Mai 2015, 18:56
Zitat aus "Was wir wollen" der Plattform fisch+fleisch aus Österreich:
"fischundfleisch ist eine unabhängige Meinungsplattform. Top-Journalisten kommentieren auf fischundfleisch aktuelle Themen rund um Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft und decken Missstände auf. Auch Du bist Teil der Community und hast die Gelegenheit, mit Deinen Beiträgen viel zu bewirken! Jetzt bist Du dran! Lade Deinen Beitrag hoch!"
Hat die Plattform wirklich Potenzial die Medienlandschaft in gewisser Form zu beeinflussen?
https://www.fischundfleisch.com/wer-wir-sind/was-wir-wollen.html
Virtuelle Realität und Suchmaschiene
balazs.szaradics.uni-linz, 6. Mai 2015, 19:11
Ist Amazons neue App der Anfang vom Ende des Einzelhandels?
Das Ende der gedruckten Tageszeitungen
sandra.rechberger.uni-linz, 6. Mai 2015, 21:28
Meiner Meinung nach wird es auf lange Sicht kaum mehr Tageszeitungen geben. Der Trend wird hin zu Wochenzeitungen gehen, die detaillierte Hintergrundinformationen geben. Aufgrund der mangelnden Aktualität wird die gedruckte Zeitung nicht mehr bestehen können. Derzeit gibt es noch eine Zielgruppe für die Printversion, doch die jüngere Generation ist nicht mehr bereit für gedruckte Zeitungen Geld auszugeben, wenn sie die Informationen zu einem früheren Zeitpunkt im Internet kostenlos erhält.
Der Artikel zeigt auf...
kerstin.wasmeyer.uni-linz, 28. Juni 2015, 21:58
...dass die gedruckte Tageszeitung zwar in Gefahr ist, die Gründe sie zu lesen allerdings immer noch vorhanden sind. Vor allem weil es einfach zu einem gewissen Alltag und Ritual gehört. Allerdings ist es sicher notwendig hier umzudenken um eine Zukunft für die gedruckte Tageszeitung gewährleisten zu können. Man muss mehr an die Zielgruppe denken und das Besondere an dem Produkt hervorheben.