Gruppenarbeit Netzneutralität: Ökonomische Ursachen, gesellschaftliche Folgen
Klaus.Schaechner.Uni-Sbg, 30. Mai 2011, 01:03
Den ersten Teil der Präsentation zum Thema Netzneutralität hat mein Kollege Thorsten Jochner schon vorgestellt, indem er sich vor allem auf die technischen Hintergründe konzentriert hat. In meinem, also dem zweiten Teil soll der Schwerpunkt auf den Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft dargestellt, die Akteure und Beweggründe für den Kampf um Netzneutralität, sowie eine Rundschau auf die aktuellen politischen Positionen gegeben werden.
Warum wollen wir eigentlich Netzneutralität?
Für den Ottonormal-Surfer ist der Begriff Netzneutralität wahrscheinlich recht abstrakt. Nichts mit was man in Berührung kommt, ein Nerd-Thema eben. Wie mit abstrakten Konzepten üblich, merkt man nämlich erst in ihrem Fehlen, dass sie einmal mehr oder weniger präsent waren (z.B. bei der Freiheit). Die Netzneutralität, bzw. deren Absenz spüren Internet-Nutzer nämlich sehr wohl, wenn das YouTube-Video nicht lädt, weil das Netz überlastet ist oder der BitTorrent-Download deshalb ins Stocken gerät. Nutzer von Smartphones merken vielleicht, dass ihr Mobilfunkanbieter nicht will, dass sie mit VoIP-Diensten wie Skype telefonieren, anstatt die viel teureren Minuten des Anbieters zu verbrauchen.
Was bewegt die Unternehmen?
Internet Service Provider (ISP) und Telekommunikationsnetz-Betreiber müssen nämlich wirtschaftlich handeln, das heißt Gewinn erzielen im Wettbewerb mit der Konkurrenz. Daneben sollen sie auch noch das Netz ausbauen und es laufend instand halten. Dass jeder Nutzer dabei für einen einmaligen monatlichen Betrag (also mit einer Flatrate) so viel Traffic verbrauchen kann wie er will, ist den ISPs und Telkos deshalb schon länger ein Dorn im Auge. Denn im Laufe der Jahre haben sie mehr Datenvolumen verkauft als sie tatsächlich zur Verfügung stellen können (errechnet aus Mischwert-Kalkulationen). Die Idee der Flatrate lässt sich aber kaum wieder vom Markt verdrängen, weshalb die Unternehmen mit einem anderen Konzept planen: Einem Internet der verschiedenen Geschwindigkeiten; also einem Basis-Internet, das in etwa dem jetzigen Netz entspricht und einer Deluxe-Variante mit Aufpreis, in der Angebote wie Web-TV, Downloads oder Telefonie schneller übertragen werden. Das kann man sich analog zu einer vielspurigen Autobahn vorstellen, auf welcher zahlende Personen einen Stau auf der Standspur umfahren dürfen (siehe Illustration rechts).
Mario Sixtus und Sascha Lobo im Streitgespräch über Netzneutralität
Die Content-Industrie, also jene Branche die Inhalte für das Internet liefert, operiert schon längst nach diesem Schema: z.B. hat Google ein Abkommen mit Netzbetreibern, um "Google-Daten" schneller zu transportieren. Zwischen Content-Industrie und ISPs gilt Netzneutralität also schon jetzt nicht und diese Lage könnte sich in Zukunft noch verschärfen. Das könnte zur Folge haben, dass Unternehmen grundsätzlich für einen schnellen Datentransfer zahlen müssen und größere Konzerne damit einen weiteren Wettbewerbsvorteil gegenüber kleinen Firmen bekommen. Das "Zwei-Klassen-Internet" würde sich also nicht nur zwischen ISP und Benutzern, sondern auch zwischen ISP und Content-Industrie etablieren.
Was tut sich in der Politik?
Die Debatte um Netzneutralität schlägt vor allem in den letzten Jahren hohe Wellen, sodass sich auch die Politik in die Diskussion mit einschaltet. Was tut sich in...
...den USA? Hier streiten in erster Linie die ISPs wie AT&T und Verizon mit den großen, heimischen Internet-Konzernen über die Netzneutralität. Die Republikaner wollen derweil im Parlament die von der Kommunikationsbehörde (FCC) erlassenen Vorschriften für die Netzneutralität kippen, während die Demokraten diese im Gesetz verankern wollen.
...Europa? Verschiedene Länder, verschiedene Positionen. Während die EU unter Kommissarin Neelie Kroes für Netzneutralität ausspricht, handeln die Mitgliedsländer bisweilen eigenständig: Während die französische Regierung, die sich schon durch Three-Strikes nicht als Internet-Enthusiasten hervorgetan haben, die Idee eines "zivilisierten Internets" verfolgt, gibt es in den Niederlanden schon ernsthafte Bemühungen Netzneutralität per Gesetz vorzuschreiben. Diese gegensätzlichen Auffassungen allein illustrieren die unterschiedliche Auffassung der Netzneutralität innerhalb der EU schon sehr gut.
...Deutschland und Österreich? In beiden Ländern ist das Bestreben auf Seiten der Politik groß, die Netzneutralität in ein Gesetz überzuführen, dass es ISPs verbietet bestimmte Verkehrsdaten vorrangig zu übertragen (und im Umkehrschluss: andere langsamer). Netzbetreiber wie die Deutsche Telekom sträuben sich nach wie vor gegen dieses Vorhaben.
Ingo Arzt mit einem Plädoyer für die Netzneutralität
Generell wollen weltweit Befürworter die Netzneutralität im Gesetz verankert sehen, während Gegner auf die regulierende Kraft des freien Marktes vertrauen wollen. Längst diskutieren nicht nur Politiker über das Thema - schon lange zuvor ist Netzneutralität ein Thema auf Seiten wie netzpolitik.org gewesen oder führte zur Gründung von Initiativen wie la quadrature du net oder Pro Netzneutralität!
Fazit
Die Entscheidung für oder wider die Netzneutralität wird das Internet auf lange Zeit hin beeinflussen. Die Standpunkte der ISPs, wie auch der Content-Industrie sind ökonomischer Natur und für sich betrachtet auch verständlich. Ein schnelleres Internet für jene die es sich leisten können, würde aber viele ärmere Menschen mit eingeschränktem Zugang zum Netz lassen.
Quellen:
Chaosradio 150: Netzneutralität. Alle Pakete sind gleich! Aber sind einige gleicher?
Neuigkeiten und Erweiterungen zur politischen Netzneutralitätsdebatte der USA
Matthias.Patscheider.Uni-Sbg, 9. Juni 2011, 11:43
Ich habe mich in meinem Statement noch etwas intensiver mit der Debatte in den USA beschäftigt: http://collabor.idv.edu/0721788/topics/Netzneutralitaet