Transparenz Aufgabe 2: Der gläserne Konsument

Thomas.Hahn.Uni-Linz, 1. November 2015, 17:49

Dass heutzutage persönliche Daten gesammelt werden, ist nichts Neues mehr. Stichworte wie BigData werden schon seit Jahren thematisiert. Wer in einem Supermarkt einkauft und seine Bonus- bzw. Kundenkarte vorzeigt, liefert seine Daten direkt an die Firma.

Was derzeit in einem noch nicht so großen Ausmaß verwendet wird, nennt sich Location-based Marketing. Mit diesem Thema in Bezug auf Marktransparenz beschäftige ich mich in diesem Beitrag.

 

Begriff und Bedeutung [1]

In dem vom April 2015 stammenden Artikel geht es um Location-based marketing in Bezug auf Smartphones bzw. Tablets.

„Location-based marketing“ (LBS) oder zu Deutsch auch „standortbezogene Werbung“ ist laut dem Artikel im Marketing-Bereich derzeit noch Nische. Aber im Bereich mobile marketing ist eine eindeutige Tendenz nach oben in Bezug auf Verbreitung von LBS zu erkennen. Smartphones und Tablets nehmen hier eine wichtige Rolle ein. Auf der einen Seite können sie aus Konsumentensicht ein Shopping-Assistent sein, auf der anderen Seite sind sie aus Unternehmenssicht ein Mittel zur Kundenansprache.

In dem Artikel wird der Begriff hyperlokal verwendet. Gemeint ist hier, dass Werbung in der Nähe des (potentiellen) Kunden mit Hilfe von Funktechnologien wie WLAN, NFC, GPS oder Bluetooth stattfinden kann. Beacons sind Sender, die per Funk Nachrichten auf Empfänger (Smartphones, Tablets) übertragen können und sind meist in Shops bzw. in deren Nähe angebracht. Wer mehr zu den Technologien wissen möchte, kann sich in einem separaten Beitrag von mir bzw. von Kollegen Sascha Naderer darüber informieren.

 

Relevanz von LBS [1]

Prognostizierte Erlöse bis zum Jahr 2018 für Europa in der Höhe von 1,5 Milliarden Euro untermauern die zukünftige Wichtigkeit von LBS.

Potential besteht auch deshalb, wenn man berücksichtigt, dass bereits alleine im Nachbarland Deutschland 28 Millionen NFC-fähige Geräte am Markt sind.

Die Relvanz bzw. der praktische Einsatz von LBS im Marketing soll sich durch das Mobile Payment weiter erhöhen.

 

Der Artikel beschreibt sechs Formen von standortbasiertem Targeting [1][2]

1) Geo-Targeting

Ziel: Identifikation und Ansprache des Kunden

Bezug: Wohnort (PLZ) oder aktueller Standort

Beispiel: Identifikation und geografische Zuordnung des Teilnehmers anhand der IP-Adresse des Browsers.

 

2) Geo-Fencing

Ziel: ein "virtueller Zaun" wird über ein Gebiet gelegt, direkte Auslieferung von Werbung

Bezug: aktueller Standort

Beispiel: Wer sich in in den "Zaun" begibt, erhält eine Werbemeldung.

 

3) Local-Content-Targeting

Ziel: Identifikation Userstandort und gezielte Werbung

Bezug: aktueller Standort

Beispiel: Der User ruft über den Browser regionale Angebote auf, also Angebote, die sich in unmittelbarer Nähe seines Aufenthaltsortes befinden.

 

4) Location-Social-Targeting

Ziel: Werbung auf Basis von Check-Ins in sozialen Netzwerken

Bezug: aktueller, vergangener oder zukünftiger Standort

Beispiel: Über „Facebook“ Check-Ins wird festgestellt, wo sich der User befindet oder vorhat, hinzugehen.

 

5) Local-Context-Targeting

Ziel: Werbung in Abhängigkeit des aktuellen lokalen Kontextes des Users

Bezug: aktueller Standort

Beispiel: Studierende einer Universität können auf über ihren Aufenthaltsort identifiziert werden, zb Welche LVA wird gerade besucht?

 

6) Proximity-Targeting

Ziel: gezielte Werbung auf Basis von Kurzstrecken-Funktechnologien, App oder Sender notwendig

Bezug: aktueller Standort

Beispiel: Ein Student geht an einem Geschäft vorbei und bekommt den Hinweis, dass es heute -10% auf einen Artikel seiner Wahl gibt

 

Beispiel [1]

Es werden diverse Beispiele für LBS im Artikel erwähnt, ich habe mich für das nachfolgende Beispiel eines Supermarkts entschieden, welches ich erweitert habe. Hier möchte ich anhand des Beispiels demonstrieren, was die (vollkommene) Informationen des Kunden im Zusammenhang mit Marktransparenz bedeuten kann:

„In den USA führte im vergangenen Jahr die zu Unilever und dem spanischen Konzern deOleo gehörende Marke Bertolli für ihre Olivenöle eine auf NFC gestützte Kampagne in Supermärkten durch. Passierte ein Konsument mit aktivierter NFC-Funktion das Regal mit den Pflanzenölen, erhielt er ein Rezept. Inklusive Einkaufsliste – die er noch vor Ort abarbeiten konnte. Auch stellte man ihm Videos mit Kochtipps zur Verfügung. „Wichtigste“ Zutat selbstredend: die diversen Olivenölarten von Bertolli.“ (Seite 28)

Dieses Beispiel zeigt, welche Möglichkeiten es aus Marketingsicht, den Konsumenten von einem Produkt zu überzeugen. Leider wird in diesem Artikel nicht ausreichend auf die Konsumentensicht eingegangen.

Hier sollte man also weiter denken. Es wäre denkbar, dass beispielsweise eine App für einen Supermarkt auch Infos zu Allergien speichern kann. Der Shopping-Assistent oder das Shopping-Erlebnis könnte also für den Konsumenten insofern aufgewertet werden, dass beispielsweise bei einem Einkauf der User informiert wird, ob das Produkt, für das er sich entschieden hat, spezielle bei ihm Allergien auslösen kann. Dies muss natürlich entsprechend komfortabel erfolgen (Barcodescanner bzw. NFC).

Liefert also eine Applikation beispielsweise für den Supermarkt entsprechende demografische Angaben sowie weitere Angaben (Allergien, Vorlieben, ect.) und kombiniert diese mit den Produkten, die vom User eingekauft werden, so lässt sich ein sehr gutes Kauf- bzw. Essprofil des Users ableiten.

Überlegt man hier weiter kann es auch sein, dass zukünftig eine Applikation den Ernährungsberater übernimmt. Überspitztes Beispiel: Der User möchte sich eine Packung Chips kaufen, die App informiert den User darüber, dass er diese Woche schon 4x Chips gekauft und daher keine Chips mehr kaufen sollte.

Hier sieht man, dass ein Rückschluss auf Basis von Tagen, Wochen, Monaten und Jahren denkbar ist. Daraus lassen sich Prognosen für die Zukunft ableiten und Vorhersagen treffen. Einerseits kann der Supermarkt auf Basis der Vorhersagen über Kundenbedürfnisse sein Lager befüllen. Andererseits kann man den Kunden nach beispielsweise dem dritten Einkauf der Chips-Marke zu einer anderen Marke animieren bzw. einen Gutschein für die bestehende Chips-Marke ausstellen. Würde der Kunde also kein viertes Mal Chips kaufen, wird er durch den Gutschein angeregt, das doch zu tun (Stichwort Kundenbindung).

Kommen wir zurück zum Ernährungsberater: Solange es eine reine Information bleibt, ist es zwar aus datenschutzrechtlicher Sicht bedenklich, aber meiner Meinung nach nicht bedenklich genug, dass das Groß der Menschen diese Funktion nicht nutzen würde. Problematisch wird es dann, wenn aus dem nettgemeinten Rat des digitalen Assistenten ein Verbot wird und der Kunde keine Chips mehr kaufen darf. Bis dorthin haben wir sicherlich noch einen längeren Weg, die Grundlage dafür ist bzw. wird jetzt schon geschaffen.

Der Artikel erwähnt hier "Händler und Marketer bekämen...."hautnahe" Einblicke ins Konsumentenverhalten" (S.26). 

Aus Marketingsicht lässt sich also viel mehr machen. Es ist möglich das Verhalten eines Konsumenten u.a. mit Hilfe von Beacons im Detail festzuhalten:

  • Wo wohnen Konsumenten?
  • Wo halten sich potentielle Kunden auf?
  • Für welche Produkte hat sich der Kunde interessiert?
  • Welchen Weg hat der Kunde durch den Supermarkt genommen? (Stichwort Besucherstromanalayse)
  • Wie kann man (darauf basierend) die Produkte noch optimaler platzieren?
  • Wie lange braucht ein Kunde um sich zwischen zwei Produkten zu entscheiden?

 

In dem Artikel wird jedoch nicht nur one-to-one Marekting wie oben angeführt beschrieben, sondern auch one-to-one pricing (S.28): "Denkbar ist durchaus, dass sich der Preis dem Konsumentenverhalten anpasst. Elektronische Preisschilder werden künftig wohl ohnehin häufiger eingesetzt werden." Um das Beispiel aus dem Supermarkt wieder aufzugreifen, bedeutet das, dass der Kunde Aktionen (ohnehin schon Usus und bekannt) erhält. Konkret geht es darum, dass der Kunde individuelle Rabatte bzw. Preise erhält. Es ist denkbar, dass für den Kunden A die Chips-Packung nur 3€ kostet, für den Kunden B 5€. Das alles in Abhängigkeit von verschiedenen Informationen (z.B.: der Kaufhistorie oder des gesamten Kaufvolumens). 

 

Warum ist so ein derartiges Marketing überhaupt möglich?

Diese Frage wurde von mir bereits in der letzten LVA am 15.11.2015 mit der Aussage beantwortet, dass der Mensch großen Wert auf Bequemlichkeit und Einfachheit legt. Dies bestätigt sich durch die Aussage des Artikels, dass es dem Nutzer darum geht, dass der Erhalt von Informationen bzw. der Einkauf schnell und bequem möglich ist. 

 

Fazit

Ich habe mich nach längerer Rercherche für diesen Artikel entschlossen, da einige Aspekte und Sichtweisen in Bezug auf Marktransparenz behandelt werden. Fokus in dem Artikel hat zwar die Seite des Marketers, jedoch lässt sich daraus im Umkehrschluss die Bedeutung für den Konsumenten ableiten. 

Quellen:

[1] WISO: LEAD digital Nr. 04 vom 22.04.2015, Location-based Marketing, S22-29.

[2] Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), Arroum et al., Location Based Advertising - Einsatz standort-basierter Werbekampagnen Struktur, abgerufen am 27.10.2015  

 

4 comments :: Kommentieren

doris.beneder.uni-linz, 28. Oktober 2015, 09:14

Ich finde es interessant, welche Formen vom standortbasierten Targeting es gibt. Die digitalen Möglichkeiten sind enorm, um beispielsweise den User mit gezielter Werbung auf Grund seines aktuellen Standortes anzusprechen. Auch bei Facebook wird genau an Hand vom Check-In analysiert, wo sich der User gerade befindet oder vorhat hinzugehen. Ich persönlich bin der Meinung, dass dies vielleicht im Tourismus von Interesse sein könnte, da der Konsument Ausflugstipps zu den Sehenswürdigkeiten oder Restaurantempfehlungen gut benötigen und auch an Hand von Rezensionen gut abwägen kann, wohin er gehen möchte. Im Supermarkt sehe ich es problematisch, wenn es zur Anwendung vom elektronischen Preisschild kommen sollte, da sich die Preise über den Tag verteilt innerhalb von wenigen Minuten laufend ändern können. Zudem ist die Preistransparenz nicht gegeben und auch der Vergleich mit anderen Mitbewerbern ist schwierig. Darüber hinaus würde ich es nicht gut finden, wenn das "One to One"-Pricing sich noch stärker durchsetzt und zwei unterschiedliche Konsumenten für das gleiche Produkt einen anderen Preis bezahlen, da der Konsument nicht mehr weiß, wo er vielleicht für ein Produkt zu viel bezahlt und dies "teurer" einkauft und das andere vielleicht nur zu einem Aktionspreis erwirbt, den andere Kunden auch erhalten. Ich denke, dass der Konsument die Zeit nicht hat, laufend alle Preise mit dem Mitbewerb zu vergleichen, daher sehe ich solch eine Entwicklung problematisch was die Markttransparenz betrifft. Anbei auch noch mein Blog  der dich ebenfalls interessieren könnte.

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sabrina.wappel.uni-linz, 28. Oktober 2015, 09:52

Ich finde deinen Beitrag sehr spannend, zudem sich auch mein eigener Beitrag mit dem Thema Handel beschäftigt. Als Kundin finde ich es prinzipiell gut, in Shops personalisierte Angebote und Services zu bekommen. Zugleich sehe ich es sehr kritisch, da man als Kunde nicht weiß was Unternehmen tatsächlich mit den Daten machen. Verkaufen sie diese? Wie gut sind diese geschützt? (Beispiel Wiener Linien) Wozu werden sie noch verwendet?

Ein weiterer negativer Aspekt, wie du auch angeführt hast, ist die Preisdiskriminierung zwischen den verschiedenen Kunden. Dieses Profiling wurde auch von Michael Goldbeck gut in seinem Artikel erörtert. Ich persönlich finde es nicht richtig, dass verschiedene Preise aufgrund der Kaufhistorie oder der demographischen Merkmale, etc. verlangt werden.

Zudem bewegt sich die Gesellschaft zunehmend weg vom Homo Oeconomicus und bewegt sich in Richtung Satisficer, was so viel heißt wie Menschen geben sich auch mit der zweit- oder drittbesten Alternative zufrieden. Dabei ist es wichtig möglichst wenig Aufwand dafür einzusetzen, falls nötig senken Kunden dafür auch ihre Ansprüche. Hierbei wird diese "Faulheit" von Unternehmen ausgenutzt und bieten Apps,  etc. um möglichst viele Daten zu sammeln.

Generell sollte man sich seiner Transparenz bewusst werden und in seinem Umfeld auch ein gewisses Bewusstsein schaffen.

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michael.goldbeck.uni-linz, 29. Oktober 2015, 09:32

Hallo Thomas,

danke für die tolle Zusammenfassung - gerade die 6 Formen von standortbasiertem Targeting finde ich sehr spannend und werde ich mir noch genauer ansehen; könnte für meinen Job auch nicht uninteressant sein. Wie auch schon in einem Kommentar bei Sabrina's Beitrag erwähnt, gibt es gerade in Großbritannien zu dem Thema sehr "krasse" Ansätze. z.B. erfassen in TESCO Tankstellen die Überwachungskameras die biometrischen Daten der kunden, damit personalisierte Werbung an den Kassen ausgeliefert werden kann. Ein guter Artikel dazu.

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rainer.kroisamer.uni-linz, 5. November 2015, 10:46

Sehr interessanter Beitrag der einen guten Überblick und Beispiele für LBM gibt. Er zeigt auch gut den Zusammenhang zwischen den Themen mobile business, big data, privacy, welche nicht voneinander zu separieren sind. Einige der Beispiele sind sicherlich nur in der Theorie anwendbar, in der Praxis werden sie aber womöglich nicht umsetzbar sein, weil sie von der breiten Masse nicht rasch genug angenommen werden. Datenschutz ist hier die größte Hürde für diese Art von Anwendungen (oder Schutz für den Konsumenten).

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