Dynamische und personalisierte Preise zwischen Vertragsfreiheit und Willkür

anica.nacova.uni-linz, 9. Jänner 2020, 21:23

In dem Paper „Dynamische und personalisierte Preise zwischen Vertragsfreiheit und Willkür“ von Peter Rott werden die Preissetzungsstrategien aus Verbrauchersicht behandelt, sowie deren psychologische und wirtschaftliche Auswirkungen, potenzielle Gegenstrategien und rechtliche Handlungsmaßnahmen, um diese Art von Preisdiskriminierung einzugrenzen bzw. für den Konsumenten transparenter zu gestalten. 

 

Dynamische und personalisierte Preise

Bei der dynamischen Preissetzung werden die Preise im zeitlichen Verlauf geändert – diese sind aber zu einem definierten Zeitpunkt für alle Konsumenten gleich. Die Preise werden von den Unternehmern meist an den stets gegebenen Umständen angepasst – z.B. Kosten ändern sich (z.B. Warenbezug, Personal), saisonabhängige Nachfrage (z.B. Bademode, Winterjacken), Ablauf der Haltbarkeit oder geänderte Wettbewerbsbedingungen. Das Verhalten der Nachfrage ist Dank der Digitalisierung vorhersehbar. Des Weiteren können geänderte Konkurrenzbedingungen schneller festgehalten werden (Preisvergleichsportale) und die damit einhergehende Reaktion kann dementsprechend auch automatisiert werden. Dies wiederum bedeutet, dass somit die Reaktionszeiten ziemlich kurz gehalten werden können und es zu einer häufigeren Preisanpassung kommen kann. Beispielhaft konnten im E-Commerce Preisänderungen bis zu 240% innerhalb einer kurzen Zeitspanne festgehalten werden. Nichtsdestotrotz kann bei dynamischer Preissetzungsstrategie nicht auf jedes einzelne Individuum eingegangen werden und dementsprechend wird die Zahlungsbereitschaft in verschiedenen Kohorten abgeschöpft.

 

Im Vergleich hierzu werden beim Personalised Pricing den einzelnen Kunden zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Preise angeboten. Grund für diese Art von Preissetzung ist die optimale Abschöpfung der Zahlungsbereitschaft der Konsumenten. Die hierfür notwendige individuelle Zahlungsbereitschaft kann durch Faktoren wie z.B. Verwendung von bestimmten Endgeräten sowie Kauf- und Suchhistorie des Konsumenten abgeleitet werden. 

 

Auswirkungen auf Verbraucher 

Zu den Auswirkungen zählen zu einem die Ungleichheit und Diskriminierung, und zu anderem die Intransparenz.

Grundsätzlich werden dynamische und personalisierte Preise von den Verbrauchern, trotz dessen, dass einzelne Personen davon profitieren, als unfair empfunden. Deswegen halten sich einige Onlineanbieter von dieser Art von Preisgestaltung fern. Andererseits kann argumentiert werden, dass theoretisch volatile und persönliche Preise dazu führen, dass auch die Zahlungsbereitschaft von Personen mit geringer Kaufkraft abgeschöpft werden kann. Eine Diskriminierung würde dann vorliegen, wenn ein Zusammenhang zwischen den ungünstigen Konditionen und bestimmten persönlichen Eigenschaften wie Geschlecht oder sexuelle Orientierung besteht. 

 

Sowohl dynamische als auch personalisierte Preise resultieren in Preisintransparenz. Stark volatile Preise im Onlinehandel führen dazu, dass der Verbraucher das Empfinden hinsichtlich - welcher Preis tatsächlich "angemessen" ist - verliert. Dies führt weiterhin dazu, dass Verunsicherungen entstehen. Hierfür fordert die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, dass Online-Händler verpflichtet werden, ihre letzten Preisänderungen preiszugeben. Für das optimale Marktgleichgewicht bedeutet dies, dass durch die Verunsicherung der Verbraucher ineffiziente Suchkosten entstehen.

 

Gegenstrategien 

Mögliche Strategien gegen dynamische und personalisierte Preise können Preisvergleich, Verwirrung und Manipulation sowie Vermeidung sein.

Preiseänderungen zu verfolgen und sich dann erst für den Kauf zu entscheiden, wenn der Preis am niedrigsten ist, scheint die beste Gegenstrategie hinsichtlich dynamischen Preisen zu sein. Preisvergleichs-Apps oder -portale, die größtenteils nur den momentan verfügbaren Preis aufzeigen und somit keinen historischen Vergleichswert bieten, erleichtern teilweise diesen Prozess. Des Weiteren gibt es aber auch noch vereinzelte Tools, die den Preis für ein Produkt beobachten und bis zu einem Jahr rückwirkend aufzeigen können – z.B. idealo.de. Nichtsdestotrotz sind entsprechende Systeme bei personalisierten Preisen nicht hilfreich. Weiterhin sind Vergleichsportale oftmals nicht im Sinne der Markttransparenz darauf ausgerichtet alle Anbieter zu erfassen und sie entsprechend dem tatsächlich günstigsten Preis zu reihen. Der Grund hierfür ist, dass beim Ranking die für die Portale erzielbaren Provisionen eine große Rolle spielen.

 

Personalisierte Preise könnten z.B. durch die Verwendung von mehreren Accounts oder vorgetäuschten Suchanfragen, ohne konkretes Interesse zu haben, sabotiert werden. Jenes Verhalten kann aber durch smarte Algorithmen ohne großen Aufwand enttarnt werden. Dieser Wettkampf ist somit nicht fair, denn den Verbrauchern kosten entsprechende Strategien viel Zeit, während auf der anderen Seite automatisierte Algorithmen als Gegenspieler auftreten. Damit die Preise theoretisch von den Verbrauchern manipuliert werden könnten, müssten die Verbraucher wissen, wie die verwendeten Algorithmen funktionieren. Einfach gesagt, müssten die Verbraucher wissen, mit welchem Gerät und zu welcher Uhrzeit sie online sein müssten.

 

Unternehmen zu umgehen, die diese Art von Preissetzung verwenden, wird kaum möglich sein, da deren Identifizierung, z.B. durch Eigeninformation oder durch Dritte, sich als sehr schwierig gestaltet. Hierfür müsste man die Verbraucher auf unterschiedlichen Devices nach einem bestimmten Produkt parallel suchen lassen. Dies ist zeitaufwendig. Des Weiteren erhöhen sich die Suchkosten auch dementsprechend und damit wird ein effizientes Markgleichgewicht verhindert. Die einzige Möglichkeit die bleibt, um dynamische und personalisierte Preise zu umgehen, ist den Online-Handel, sowie die unterschiedlichen Kundenbindungssysteme, aber auch die sozialen Medien, die viel über unsere Person dokumentieren, zu meiden. Auch die rechtlich mögliche Ablehnung von Cookies ist nicht wirklich zweckbringend, da die meisten Webseiten und vor allem Suchmaschinen dann nicht mehr funktionieren.

 

Zusammenfassend betrachtet, können Verbraucher etwas gegen dynamische und personalisierte Preissetzung unternehmen. Dies ist aber mit einem hohen Aufwand sowie mit hohen Suchkosten verbunden. Alle drei Strategien sind eingeschränkt begründet dadurch, dass die entsprechenden Strategien sowie die dahinterliegenden Methoden für den Verbraucher nicht ersichtlich bzw. bekannt sind. Letztendlich entsteht der Eindruck, dass der Verbraucher der freien Willkür von Unternehmen und deren Algorithmen aufgeliefert ist.

 

Rechtliche Konsequenzen

Die rechtlichen Auswirkungen von dynamischen und personalisierten Preisen können Ungleichheit und Diskriminierung, Intransparenz und Willkür sein. 

Die Ungleichheit und Diskriminierung beziehen sich auf das Vertrags-, das Antidiskriminierungs- und das Lauterkeitsrecht. Im Bereich des Vertragsrechts gibt es auf EU-Ebene keine Einschränkung für das Gestalten von dynamischen oder personalisierten Preisen durch Unternehmen. Ob die Freigabe von jener Art von Preisgestaltung im Sinne der freien Märkte erfolgt ist, ist nicht genau ersichtlich. Auch das Antidiskriminierungsrecht sieht keine effektive Einschränkung von dynamischen oder personalisierten Preisen vor. Einzig das Lauterkeitsrecht (Wettbewerbsrecht iwS bestehend aus Lauterkeitsrecht (unlauter Wettbewerb) und Kartellrecht) sieht auf EU-Ebene vor, dass wesentliche Gesichtspunkte (z.B. Preisvergleichsseite erhält Provision von Anbietern) für die Kaufentscheidung dem Verbraucher nicht vorenthalten werden dürfen. Jedoch können solche Verstöße nur durch Verbraucherorganisationen angefochten werden.

 

Hinsichtlich der Intransparenz, welche durch die Dynamisierung und Personalisierung von Preisen entsteht, gibt es rechtlich betrachtet nur wenige Vorgehensmöglichkeiten. Grund hierfür ist, dass es keine gesetzlichen Vorschriften in Bezug auf wie sich der Preis zusammenstellt bzw. entwickelt vorliegen. Dies wird auch nicht durch die Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften geändert. In Deutschland werden vom Bundesgerichtshof lauterkeitsrechtlich Preisänderungen als problematisch eingestuft, wenn z.B. es sich um Preisschaukelei handelt – sprich die Preise werden systematisch angehoben und um dann wieder abgesenkt zu werden und um somit Mondpreise (= anfangs wird ein viel zu hoher Preis angesetzt, welcher dann beim Herabsetzen des Preises die Ersparnisse höher wirken lässt) zu verschleiern. Ein weiteres Beispiel hierfür wäre auch, wenn Supermärkte die Preise ab dem späten Nachmittag anheben würden, denn hier wären z.B. berufstätige Personen benachteiligt. Jener Punkt scheint ein klares Indiz dafür zu sein, dass eine entsprechende dynamische Preisgestaltung zur kurzfristigen Intransparenz der Märkte führt. Kaufentscheidungen werden im Zusammenhang mit den Mondpreisen aus irrationalen Gründen getroffen. Vorwiegend spielt dabei der vermeintliche Rabatt zum ursprünglichen Preis eine enorm große Rolle.

 

Unter dem Punkt „Willkür“ geht der Autor auf das Datenschutzrecht sowie auf die verfassungskonforme Auslegung des Privatrechtes näher ein. Das Datenschutzrecht wirkt einerseits mittels einem Verbot von computergesteuerten Entscheidungen und andererseits in Form einer Qualitätsprüfung von Scoringwerten und einem Recht auf Auskunft beim Scoring, dem Empfinden, der willkürlichen Handhabung von automatisierten Entscheidungen unterworfen zu sein, entgegen.

Hypothetisch könnte unter dem Rechtsbegriff der Willkür automatisierte Entscheidungen eingeschränkt werden, die individuelle Personen durch personalisierte Preise ungleich behandeln. Hier gibt es jedoch nach wie vor keine klare Anwendungsrichtlinie. Wird das Privatrecht betrachtet, könnte man davon ausgehen, dass die Beurteilung von Individuen anhand von Scoringwerten, die selbst die großen Anbieter, wie Amazon, auf Dauer nicht verstehen können (selbstlernende Algorithmen) illegal ist. Denn jedes Individuum hat das Recht eine Auskunft zu erhalten auf welcher Basis es bewertet wird.

 

Fazit:

Derzeit gibt es für Verbraucher keine zielführende Möglichkeit um dynamische oder personalisierten Preisen auszuweichen. Dies liegt teils daran, dass das Individuum nicht feststellen kann, ob jene Art von Preisschema zur Anwendung kommt. Auf EU-Ebene könnte jedoch eine maßgebliche Entscheidung getroffen werden, wenn man die Anbieter verpflichten würde, die Anwendung von dynamischen oder personalisierten Preisen auszuweisen. Dies würde es dem Verbraucher möglich machen, den jeweiligen Anbieter aus seinem persönlichen Preisvergleich zu exkludieren. Dass dies eine enorme Wirkung hat, ist historisch bereits erwiesen. Anbieter, die der personalisierten Preisfindung entlarvt wurden, haben sofort im Anschluss diese Praktik eingestellt, um keine weiteren Kunden zu verlieren. Zu einer Verbesserung der Markttransparenz könnten personalisierte Preise führen, wenn sie dazu beitragen, die individuelle Zahlungsbereitschaft zu identifizieren und dementsprechend abzuschöpfen. Jedoch scheint dies eine sehr theoretische  Betrachtung zu sein, die außen vorlässt, ob der Algorithmus tatsächlich die individuelle Zahlungsbereitschaft ermitteln kann. Und selbst wenn dies annäherungsweise gelingt, wird die Zahlungsbereitschaft nicht auf den Einzelnen heruntergebrochen, sondern nur auf bestimmte Kohorten. Zum Teil führt die dynamische Preisgestaltung dazu, dass Vergleichsportale durch die Preisunsicherheit des Verbrauchers an Macht gewinnen. Jene Portale leiten eher Intransparenz ein, da oftmals die Anbieter nach den Provisionen, die das Vergleichsportal erzielen kann, gelistet werden. Im Großen und Ganzen erzeugen dynamische und individuelle Preise eine Verunsicherung der Verbraucher, die wiederrum durch daraus resultierenden, fingierten Preisvergleichen zu Marktintransparenz führt.

 

Das Paper wurde ausgewählt, da es einen guten Überblick über die Auswirkungen der Preisstrategien auf den Verbraucher gibt und dabei aufzeigt, welche Ineffizienzen hieraus entstehen.

 

 

 

Literatur:

Rott P. (2019): Dynamische und personalisierte Preise zwischen Vertragsfreiheit und Willkür. In: Ochs C. et al. (Hrsg.), Die Zukunft der Datenökonomie: Medienkulturen im digitalen Zeitalter, S. 285-305. Springer VS, Wiesbaden. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-27511-2_13

 

 

1 comment :: Kommentieren

tania christine.theinschnack.uni-linz, 13. Jänner 2020, 15:06

Wie bereits im Fazit erwähnt gibt es für Verbraucher derzeit keine zielführende Möglichkeit, um der dynamischen oder personalisierten Preissetzung auszuweichen. Dies ergibt sich schon einmal darin, dass Nutzer nicht einmal kontrollieren können, welche Nutzungsdaten überhaupt von den Unternehmen erhoben und für die Preisgestaltung herangezogen werden. Zum anderen besteht auch eine Problematik darin, dass aufgrund der hohen dynamischen Preisdifferenzierung im Online-Handel, nicht eindeutig festgestellt werden kann, ob es sich nur um eine dynamische Preisdifferenzierung handelt oder ob personalisierte Preise eingesetzt werden.

Ob hier auf EU-Ebene maßgebliche Entscheidungen, im Hinblick darauf Anbieter dazu zu verpflichten die Anwendung von dynamischen oder personalisierten Preisen auszuweisen, helfen würde bzw. solche Maßnahmen zielführend sind, bezweifle ich hier stark. Dies schon einmal aus dem Grund, dass Unternehmen nicht zugeben personalisierte Preise, wie dieses auch in der Studie Individualisierte Preisdifferenzierung im deutschen Online-Handel erwähnt wird, einzusetzen.

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