Demokratisierung der Gesellschaft
elke.strobl.uni-linz, 14. Juni 2014, 14:48
Das Internet ist eine Spielwiese für viele Menschen weltweit. Knapp 2,4 Milliarden Menschen sind Internetnutzer (Vgl. Q1) ), das sind sehr viele User, man darf aber nicht vergessen, dass mehr als die Hälfte der Menschen weltweit immer noch keinen Zugang zum Internet hat. Meine weiteren Ausführungen beschränken sich auf einen mitteleuropäischen Raum, wo die Anzahl der Nutzer im weltweiten Vergleich überdurchschnittlich hoch ist. 1,23 Milliarden Menschen sind auf Facebook aktiv (Vgl. Q2) und können sich darüber vernetzen, austauschen und... demokratisieren?
Zuerst könnte man die Hypothese aufstellen, dass wenn das Internet die Gesellschaft demokratisieren würde, besonders so genannte "digital natives", also Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, deren "Muttersprache" die digitale Sprache ist, demnach ganz besonders demokratisch sein sollten. Warum ist es dann aber so, dass gerade Jugendlichen der Ruf anhängt, besonders unpolitisch zu sein und Wahlergebnisse zeigen, dass besonders jungere Menschen dazu neigen, antidemokratische und rechtspopulistische Parteien wie Ungarns neonazistische Jobbik oder Österreichs FPÖ zu wählen?
Eine Erklärung könnte sein, dass viele jungen Menschen zwar an politischen Themen interessiert sind und sich dabei auch einbringen (Peitionen), sich aber nicht für institutionalisierte Parteipolitik interessieren (Vgl. Q3). Ich behaupte, viele Jugendliche fühlen sich von den etablierteren Parteien nicht mehr angesprochen, weil sie scheinbar ein System unterstützen, aufrecht erhalten und auch mitbegründet haben, das schon lange in sich zusammenbricht. Der Kapitalismus hat nicht erst mit der Wirtschaftskrise zu stinken begonnen, sondern war schon lange ein gammelnder Fisch auf einem veraltetem Karren. Alternativen fallen uns nicht ein, wir versuchen Löcher zu stopfen und Blasen zu balancieren, auf dass sie bloß nur nicht platzen. Informationen über die Hintergründe der Wirtschaftskrise, der Tatsachen, dass in unserer Welt arme Menschen immer ärmer werden und Reiche immer reicher, warum die Unzufriedenheit steigt, warum Menschen in asiatischen Gewässern immer noch zum Garnelenfang versklavt werden (Vgl. Q4), usw. sind prinzipiell vorhanden. Das Thema ist aber so komplex dass eine wirkliche Antwort zu finden meiner Meinung nach unmöglich ist. Die neue Generation ist gleichermaßen verunsichert, destablisiert, reizüberflutet, der Arbeitsmarkt bietet zu wenige Perspektiven, prekäre Verhältnisse liegen an der Tagesordnung und auch alte Rollenbilder zwischen den Geschlechtern haben Strukturen aufgelöst.
Ich glaube, die neue Generation sind keine Wutbürger sondern weit entmachteter und perspektivenloser. Eine Petition über Hundetötungen in der Ukraine zu unterschreiben, während man vor dem Computer in Österreich mit seinem Schnitzelsemmerl sitzt, hat vielleicht mit Demokratie zu tun, ist aber kein Indiz für einen politisch interessierten, demokratiehungrigen Menschen. Völlig wahllos habe ich das erstbeste Posting auf HC Straches Social Media Page kopiert (Q5):
Was hat das Liken eines solchen Postings mit Demokratie zu tun? Gar nichts. Trotzdem hat Strache meines Wissens nach mehr Likes auf Facebook als jede*r andere österreichischer Politeriker*in. Rechtspopulismus liefert einfache Lösungen auf schwierige Fragen, die in ihrer Komplexität wahrscheinlich sehr schwer zu vermitteln sind. Das Internet stellt Inhalte bereit, aber in der Reizüberflutung und Masse an Informationen ist nicht immer das demokratieförderliche herauszufiltern, sondern manchmal auch nur polemische Marktschreier.
Meine Konklusio ist, dass ich nicht der Meinung bin, dass das Internet per se die Gesellschaft demokratisiert. Informationsverbreitung und -beschaffung ist ein Mittel der Demokratie. Das Internet stellt Informationen auf einer unglaublich breiten Bandbreite zur Verfügung. Was damit passiert und wer sich für welche Inhalte interessiert, ist aber immer noch Aufgabe der Gesellschaft selbst.
Im Internet können beispielsweise Peitionen unterschrieben werden, die sicherlich ein interessantes demkratisches Werkzeug sein können. Aber einerseits haben die Verantwortlichen keine rechtliche Verpflichtung gegenüber der Petition (selbst wenn eine Milliarde Menschen für Hunde in der Ukraine unterschreibt heißt das nicht, dass sich an der Situation der Tiere etwas ändert und es heißt vor allem nicht, dass sich gesetzmäßig etwas ändern muss.) und andererseits ist es meiner bescheidenen Meinung nach weit weniger Partizipation der Bürger, als es die Demokratie brauchen würde. Brauchen würde es nicht nur die Möglichkeit, sich zu informieren, sondern auch die Menschen, die sich informieren, brauchen würde es nicht nur Petitionen, sondern eine Reflektion der eigenen Werte und ein Handeln, das über einen Mausklick hinaus geht und letztendlich natürlich würde es eine Partizipation am Urnengang bedeuten, aber die Wahlbeteiligung der letzten Jahre spricht eine andere Sprache.
Q2: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/37545/umfrage/anzahl-der-aktiven-nutzer-von-facebook/
Q3: http://www.kas.de/wf/doc/kas_33500-544-1-30.pdf?130214122754, Seite 61
Q5: https://www.facebook.com/HCStrache?fref=ts (zuletzt aufgerufen am 14.06.2014, 14:31)
Verpiss di hoam du kebab...
stefanie.fadl.uni-linz, 16. Juni 2014, 10:22
... Waaaaahnsinn! Solche Aussagen sind einfach nur peinlich! Hast dir einen super Post ausgesucht! ;-)
Bzgl. E-Voting befürchte ich irgendwie auch, dass die Demokratie etwas an Wertigkeit verliert... Gerade für ältere Personen ist der Besuch im Wahllokal ja mehr oder minder Tradition und auch ich bin damit aufgewachsen, dass das einfach ein "Muss" ist. Man zieht sich etwas schöner an und gibt "feierlich" seine Stimme ab und aufgrund dieses Rituals ist man sich der Ernsthaftigkeit sicher eher bewusst als wenn man zu Hause auf der Couch herumlümmelt und mal kurz einen Mausklick macht. Aber wer weiß - ich bin wie gesagt skeptisch, aber probieren kann man's ja!
nicole.gebeshuber.uni-linz, 17. Juni 2014, 16:17
Ich teil nicht ganz die Auffassung, dass Demokratie an Wertigkeit verlieren könnte, da es durch die Technologisierung in unserer Zeit durchaus gewollt ist unliebsame Dinge schnellstmöglich Online zu erledigen. Vielleicht ist es ein etwas banales Beispiel, aber viele Menschen ziehen Online-Shopping mittlerweile dem realen Einkaufserlebnis vor - da es zeit- und nervensparend ist. Ein anderes Beispiel, meine Geburtsurkunde habe ich beim Übersiedeln leider verloren. Ich dachte mir, das Ausstellen eines Duplikats ist mit viel Aufwand und Behördengängen verbunden - falsch gedacht. Innerhalb ein paar Minuten konnte ich das Duplikat anfordern und es via E-Banking bezahlen. Innerhalb einer Woche hatte ich meine Geburtsurkunde per Einschreiben zugestellt bekommen. Meiner Meinung nach verlieren diese Dinge durch die Online-Abwicklung nicht an Wertigkeit sondern erleichtern uns so manches.
Prinzipiell gebe ich dir Recht
elke.strobl.uni-linz, 18. Juni 2014, 17:58
Prinzipiell gebe ich dir Recht, das ist wirlkich total praktisch! Ich habe auch beim Umzug meine Geburtsturkunde verloren und hatte sie Ruck Zuck ersetzt! Als ich bei den letzten Wahlen im Ausland war, konnte ich mit wenigen Mausklicks eine Wahlkarte beantragen und habe somit auch das Internet fürs Wählen benutzt. Aber ich glaube einerseits hat Stefanie schon einen Punkt damit, dass die Wahl an sich mit dem Urnengang nicht nur mehr "Flair" hatte, sondern auch nochmal ein Ort des Austausches war. Und ich sehe halt die große Gefahr, dass manche Leute ihre politische Partizipation darauf beschränken, online eine Petition zu unterschreiben und glauben, das reicht, um etwas zu bewirken. Und ich glaube nicht, dass es reicht.
So wie auch Du
rainer.kroisamer.uni-linz, 18. Juni 2014, 19:47
in deiner Conclusio geschrieben hast, bin auch ich der Meinung dass das Internet nicht per se demokratisch ist, sondern in erster Linie demjenigen dient, der es für seine Ideen benutzt. Wenn H.C. Strache nun Facebook für seine Kampagnen benutzt dann tut er dass weil er weis dass er dort auf gute Gesellschaft stößt und ein großes Echo für seine Tiraden findet. Die vermeintliche Anonymität im Internet verleitet viele Nutzer dazu ein Gesicht zu zeigen, dass sie in einer realen Welt nicht zu Tage tragen können. Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen zur Meinungsbildung sind ein wesentlicher Bestandteil von Demokratien. Im Internet ist das alles möglich, aber es ist kein Garant für mehr Demokratie. Mehr dazu in meinem Blogbeitrag.
Web als Schaden für Demokratie....
hannes werner.steininger.uni-linz, 19. Juni 2014, 11:20
Wahrscheinlich habt ihr recht, dass das Web auch einen negativen Einfluss auf die Demokratie haben kann.
Vor allem am Beispiel der FPÖ und Herrn Strache sieht man, wie die Kommunikationsmedien des Webs dazu verwendet werden um vor allem jungen Menschen von den eigenen Parteiforderungen zu überzeugen. Oft werden auch Halbwahrheiten verbreitet, welche von sehr vielen Menschen nicht hinterfragt werden, sondern einfach nur als gegeben hingenommen werden.
Den Spruch "Paper doesn't blush" gibt es schon lange, aber ich denke er trifft auch auf das Internet zu, da sehr oft Informationen im Net gefälscht oder sogar erfunden werden. Als Beispiel fällt mir dazu der Wikipedia Eintrag von G.W. Bush oder der Eintrag zum Irak Krieg ein.
Trotzdem denke ich, dass das Web zur Demokratisierung der Gesellschaft in vielen Bereichen beiträgt.
Thomas.Hahn.Uni-Linz, 29. Juni 2014, 22:43
Ich finde es spannend, dass hier zwei unterschiedliche Meinungen zu einem Thema in der Form diskutiert werden, wie das hier passiert.
Ich stimme Elke und Rainer teilweise zu. Aber zu sagen, dass das Internet den Web nicht demokratischer macht, kann ich nicht teilen.
Ich bin hier ganz der Meinung von Hannes, da vor allem durch die technologischen Entwicklungen neue Möglichkeiten entstehen, wie man Demokratie leben kann.
Mehr dazu gibt es in meinem Beitrag.