Propaedeutikum Aufgabe 6: Wird die Gesellschaft durch den Web demokratischer?

rainer.kroisamer.uni-linz, 13. Juni 2014, 10:08

 

Trägt das Internet zu mehr Demokratie bei?

 

Eine diffizile Frage. Die Antwort könnte lauten, ja und nein. Noch nie war es so leicht wie heute sich Informationen über jedes beliebige Thema zu besorgen, sich mit anderen Menschen zu vernetzen und seine persönliche Meinung kundzutun. Über Foren, Online-Communities, Weblogs und soziale Netzwerke können sich BürgerInnen aktiv für Veränderung einsetzen. Sie können sich zu politischen Themen positionieren und ihren sozialen Kontakten (Facebook-Freunde oder Twitter-Follower) ihre eigene politische Haltung signalisieren und diskutieren und auch versuchen, andere Menschen für ihre Ideen zu aktivieren. Und von dieser Möglichkeit wird auch immer mehr Gebrauch gemacht. (Q1)

 

Lief politische Kommunikation in der prä-Internet-Ära vorwiegend in Form von Einbahnstraßenkommunikation ab - die Parteien versprechen, und die WählerInnen antworten alle vier Jahre mittels Stimmzettel - so können sich WählerInnen nun aktiver am Politgeschehen beteiligen. Mittlerweile haben auch viele politische Parteien und NGO’s das Web und die sozialen Medien für sich entdeckt und suchen, mit mehr oder weniger großem Erfolg, den Kontakt zu ihren potentiellen WählerInnen. (Q2) 

 

Das Internet ermöglicht einerseits eine interaktive und partizipative und andererseits eine Mehrweg-Kommunikation (elektronische Petitionen, Online-Wahlen) und führt von der eben erwähnten Einbahnstrassenkommunikation zu einer “Many-to-One” respektive „Many-to-Many“ Kommunikation. (Q3)

 

Der Großteil von politisch relevanten Informationen sind BürgerInnen meist nur über Massenmedien zugänglich. Massenmedien, zu denen in Teilen auch das Internet zu zählen ist, haben die Verantwortung, BürgerInnen in Demokratien mittels Berichterstattung die Teilhabe am politischen Geschehen zu ermöglichen. Dabei ist die Möglichkeit sich hinreichend informieren zu können eines der wesentlichen Bestandteile eines demokratischen Prozesses. (Q4)

 

Das Internet ist dabei in den vergangenen 15 Jahren zu einer äußerst wichtigen Informations- und Kommunikationsquelle geworden, und die Reichweite und Nutzung hat sich durch Fortschritte technischer (Breitband) und kommerzieller (günstiger) Art massiv erhöht. (Q4)

 

Das Internet eröffnet als interaktives Medium grundlegende Kommunikationsmöglichkeiten neu und ist damit auch demokratietheoretisch relevant. Dies betrifft vor allem die Konstituierung von Öffentlichkeit [...] und die Möglichkeiten politischer Information, Deliberation und Partizipation.“ (Q3)

 

Demzufolge spielt das Internet durchaus eine tragende Rolle in demokratischen Prozessen in unserer Gesellschaft und hat dabei vor allem starken Einfluss auf die gewählten Kommunikationswege zwischen Politik und BürgerInnen. Doch in welche Richtung? So sehr sich die BürgerInn in politisches Geschehen einmischen kann und so sehr sie noch aufgeklärt sein mag über politische Vorgänge und Missstände in ihrem Land, so sehr wird sie auch von der Politik kontrolliert. Wir alle sind längst zum gläsernen Menschen geworden. Wir hinterlassen unsere digitalen Fingerabdrücke im täglichen Leben, unsere Krankengeschichte wird auf winzigen Chips hinterlegt, unsere privaten Kommunikationsdaten auf Vorrat gespeichert. Wie sehr hat das etwas mit Demokratie zu tun? Wird die freie Meinungsäußerung, eine der wesentlichen Grundlagen in einer Demokratie, gefährdet durch ein Internet das niemals vergisst? Möglicherweise eignet sich das Internet doch nicht so gut zur freien Meinungsäußerung - alles wird gespeichert, alles wird kontrolliert, alles kann gegen mich verwendet werden.

"Was offline gilt das gilt auch online" heißt es zwar im Recht, und grundsätzlich ist jeder für seine eigenen publizierten Inhalte verantwortlich. Doch was "offline" schnell einmal gesagt ist, bekommt im Internet, verschriftlicht und gespeichert, schnell eine sich verstärkende Wirkung (vgl. "kreisende Erregungen im Netzwerk" im Video von Kruse) (Q5). Das Internet ist ein mächtiges Instrument und soll behutsam genützt werden. 

 

Ein praktisches Beispiel wie das Internet für demokratiepolitische Bewegungen genutzt wurde waren die Protestbewegungen und anschließende Revolution im Jänner 2011 in Ägypten, bei der sich Teilnehmer unter anderem über soziale Netzwerke organisiert hatten und erst durch soziale Medien wie Twitter Information direkt an internationale Medien gelangten. Solche Protestbewegungen lassen sich auch immer wieder in China, trotz massiver Internetzensur der politischen Führung, beobachten.

 

Für bestehende Demokratien könnte das Internet sogar eine Gefahr, oder zumindest eine Quelle der Unruhe, darstellen, nämlich dann wenn die Potentiale seiner Ausprägungen (Web, Soziale Medien, Aufschaukelungseffekt, etc.) für die demokratische Grundordnung nicht ernst genug genommen oder erkannt werden. (Q6) 

 

 

Fazit

Kommunikation, Informationsbeschaffung, Transparenz und freie Meinungsäußerung sind wesentliche Bestandteile einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft. Das Internet kann durch die neu entstandenen Kommunikationsformen und die Entwicklung von einer “One-to-Many”-Kommunikation hin zu einer “Many to-One”-Kommunikation stark zu einer verbesserten direktdemokratischen Entwicklung in einem Land beitragen. “Können” deswegen weil die mitsprechende BürgerInn aus der Anonymität des Internets heraustreten muss um ernst genommen zu werden. Sich hinter der (vermeintlichen) Anonymität des Internets zu verstecken hilft der Entwicklung einer Demokratie meiner Ansicht nach nicht.

 

Das Internet ist nicht per se demokratisch, genauso wenig wie die Nutzer des Internet und des Web es sind. Es kann Bewegungen aller Art, seien es demokratische, radikal-islamische oder andere begünstigen und durch den Aufschaukelungseffekt (siehe Video, Kruse) verstärken. Das Internet hilft also nicht per se der Demokratie, sondern der Sache für die es benutzt wird. (Q6)

 

Ich bin der Meinung dass das Internet mehr direkte Demokratie nur dort ermöglichen kann wo es bereits eine, zumindest in ihren Grundzügen, Tendenz zu einer demokratischen Entwicklung gibt.

 

 

 

 

 

 

Quellen:

1. Online: http://www.bpb.de/apuz/75830/das-demokratische-netz?p=all, abgerufen am 8.6.2014

 

2. Online: http://www.pm-magazin.de/r/geschichte/gef%C3%A4hrdet-das-internet-die-demokratie, abgerufen am 8.6.2014

 

3. Hetzer, A.; Im Fokus, SPW 2011, S. 32

 

4. Gerhards J., Schäfer Mike S.; Demokratische Internet-Öffentlichkeit? Ein Vergleich der öffentlichen Kommunikation im Internet und in den Printmedien am Beispiel der Humangenomforschung, Publizistik, Heft 2, Juni 2007, S. 210

 

5. Online: http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=sboGELOPuKE, abgerufen am 12.6.2014

 

6. Online: http://www.kas.de/upload/dokumente/verlagspublikationen/Internet-Demokratie/internet_demokratie_05.pdf, unbekannter Autor, S. 71-72, abgerufen am 8.6.2014

 

 

5 comments :: Kommentieren

Interessanter Beitrag!!

martina.auer.uni-linz, 14. Juni 2014, 10:07

Die Unmengen an Informationen im Netz machen es fast unmöglich gleich zu erkennen, welche Seiten vetraueneswürdig sind und welche nicht. 

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Gute Konklusio

elke.strobl.uni-linz, 14. Juni 2014, 13:33

Was Hannah Arendt über Revolutionen gesagt hat, nämlich, dass sie nur dort enstehen können, wo die Macht bereits auf der Straße liegt, stimmt wahrscheinlich auch mit der Demokratie und dem Internet. Das Internet ist ja nicht der Inhalt und die Demokratie an sich, sondern immer nur ein Übertragungsmedium. Hat es beispielsweise im arabischen Frühling den Leuten geholfen, sich auszutauschen und zu vernetzen? Ja! Hätten die Menschen sich auch ohne Internet nach Demokratie gesehnt und vielleicht irgendwann protestiert? Wahrscheinlich.

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Sicherlich.

rainer.kroisamer.uni-linz, 15. Juni 2014, 15:38

Das Internet hat natürlich nichts mit der Sehnsucht nach Demokratie oder sonstigem zu tun. Aber es wurde ganz einfach deutlich, dass es die Demokratiebewebung massiv beschleunigt hat indem sich Menschen zu tausenden rasch vernetzen und organisieren konnten, und die Bilder des arabischen Frühlings in die Welt hinausgetragen wurden. Der einzelne hat womöglich nicht den Mut zum Protest, aber durch das Internet kommt es zur Vernetzung von Gleichgesinnten die sich zu einer Protestbewebung zusammenschließen und so rasch an Einfluss gewinnen können. 

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nicole.gebeshuber.uni-linz, 17. Juni 2014, 16:11

Druch das Kollektive hat das Internet sicher eine immense Möglichkeit vor allem demokratisierend tätig zu werden bzw. diese zu erweitern. Am Beispiel der Türkei (Wahlen März 2014) wird sehr schön aufgezeigt, wie weit es wirklich mit der Demokartisierung ist, denn da waurden über Nacht die Zugänge zu Twitter und Co gesperrt. Artikel im  Spiegel online

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Thomas.Hahn.Uni-Linz, 13. Juli 2014, 22:01

Hallo Rainer,

ich kann deiner Aussage nicht zu stimmen. Ich bin da ganz anderer Meinung. Meiner Ansicht nach trägt der Web wesentlich dazu bei, die Demokratisierung in einer Gesellschaft voranzutreiben.

Du hast natürlich recht, wenn du schreibst, dass dies nicht für alle Länder gilt. Das möchte ich hier auch gar nicht bestreiten. Diese Länder, die eine Internetnetzensur forcieren, sind aber eher die Ausnahme als die Regel.

Mehr dazu gibt es in meinem Blog

 

 

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