Abschlussarbeit - App "C-où"

inga-kristin.grosser.uni-linz, 10. März 2016, 09:03

Lebensmitteleinzelhandel, der Kundenbindung bereits seit Jahren über Kundenkarten und Rabatte betreibt, hat zunehmend auch den Nutzen der mobilen Endgeräte seiner Kunden für sich entdeckt. Einerseits ersetzen Apps auf dem Smartphone die physikalische Kundenkarte und Aktionsflyer und bieten zusätzlichen Nutzen beim Einkauf im Markt, wie beispielsweise MERKUR[1]. Die App der österreichischen Handelskette nutzt die Kamera des Geräts als Codescanner für direkte Auskünfte über Produkte und die GPS-Funktion des Smartphones zur Standortsuche. Andererseits bieten sich die in den Geräten enthaltenen Sensoren und Drahtlosverbindungen noch für weitere, darüber hinausgehende Möglichkeiten an.

Navigation per App weitergedacht – Carrefours „C-où“

Die Innenraumnavigation ist eine Weiterentwicklung der Idee der Standortermittlung. GPS eignet sich nicht zur Navigation in Innenräumen, da diese Signale abschirmen.

Die französische Supermarktkette Carrefour nutzt ein Funkfeuer der anderen Art.[2] Ihre App „C-où“, die für Android- und iOS-Smartphones verfügbar ist, ermöglicht eine LED-basierte Wegfindung zum gewünschten Produkt im Einkaufscenter. Die von Philips entwickelte "Visual Light Communication" (VLC) basiert auf im gesamten Markt installierten LED-Leuchtstreifen. Über das Licht wird ein individueller Code ausgestrahlt, der für das menschliche Auge nicht wahrnehmbar ist, wohl aber für die digitalen Sensoren der Smartphone-Kameras. Wenn die App installiert und im Markt aktiviert wird erfasst sie über die Kamera den ausgestrahlten Code und kann so dem Nutzer metergenau seine Position anzeigen. Wird ein bestimmtes Produkt oder Angebot in der Anwendung ausgewählt und die Navigation gestartet führt sie den kaufwilligen Kunden auf kürzestem Weg dorthin. Wenn Sonderangebote während der Navigation in der Nähe liegen weist die App ebenso darauf hin.

Darüber hinaus erprobt Carrefour im Moment auch eine Einkaufserleichterung in Form einer Shoppinglist auf der Smartwatch. Wer eine Samsung Gear S Watch und ein kompatibles Samsung Smartphone besitzt, kann sich seine Einkaufsliste anzeigen lassen sowie passende, individuelle Preisangebote, wenn er vor dem Regal steht.

Die Funktionen der App beinhalten:

  • Informationen über den nächstgelegenen Markt inkl. Öffnungszeiten, Sortiment, etc und GPS-Ortung
  • Abbildung des gesamten Sortiments, aus dem man sich eine persönliche Einkaufsliste erstellen kann
  • Aktuelle Angebote
  • Rezeptvorschläge mit hinterlegten Einkaufslisten
  • Navigation in bestimmten Märkten durch Auswahl eines Produkts aus der Sortimentsliste oder Einscannen eines Produktcodes mit der Smartphone-Kamera

 

Navigation per App und VCL am Smartphone

Quelle: http://business.lesechos.fr/directions-numeriques/digital/mobile-et-nouveaux-ecrans/0203583184714-carrefour-geolocalise-la-lessive-et-le-lait-101159.php#

Die Merkmale des Mobile Business verdeutlichen sich in diesem Anwendungsbeispiel anhand des Einsatzes von

  • mobiler Endgeräte
  • Drahtlosverbindungen (GPS)
  • Neuer User Interfaces durch multiple Sensoren
  • Örtliche und zeitliche Unabhängigkeit durch Auswahl der Produkte zu Hause und Navigationsauskunft vom aktuellen Standort
  • Personalisierung durch die Kombination mit der App, bei der man angemeldet sein muss

 

Mehrwerte der Innenraumnavigation mittels VLC liegen für den Supermarktbesucher auf der Hand: Die Ortung im Supermarkt hilft zeitgestressten Kunden ihre Erledigungen effizienter und ohne Zeitverlust durch aufwändigeres Hin- und Hergehen und Suchen zu gestalten. So bleibt Zeit für eventuelle Zusatzeinkäufe, die auch durch gezieltes Hinleiten zu passenden Angeboten dem Supermarkt höhere Gewinne und zufriedene, wiederkehrende Kunden bescheren können. In einem Supermarkt übernimmt die Auskunft über Lagerorte klassischerweise ein Mitarbeiter aus Fleisch und Blut – wenn denn gerade einer auffindbar ist und sich die gestellte Frage auf seinen Zuständigkeitsbereich bezieht. Der Vorteil einer mobilen Variante ist die örtliche Unabhängigkeit. Der Kunde muss sich nicht zuerst an einen bestimmten Ort begeben, um die Auskunft zu erhalten, sondern wird ab seinem Standort dorthin gelotst. Mit individuellen Angeboten schafft diese Art der mobilen Unterstützung auch eine gewisse Individualisierung des Angebots, indem gezielt auf passende Angebote hingewiesen werden. Die derzeit gängigste Kundeninformation findet nach wie vor über Printmedien in Form von Foldern und Point-of-Sale-Werbung statt.

 

Weiterentwicklung: Verbindung von Big Data und Mobiler App

Eine Weiterentwicklung der Idee, über die Kundenkarten-App am Smartphone zusätzliches Geschäft generieren zu können wäre die Kombination einer gezielten Analyse des Einkaufsverhaltens mit dem Bestand an verderblichen, zubereiteten Lebensmitteln im Geschäft unter Nutzung der GPS-Ortung des Kunden.

Die gesammelten Kundendaten gelten mittlerweile im Wirtschaftsleben als wichtigstes Asset. Auf gesättigten Märkten mit austauschbaren Produkten ist derjenige im Vorteil, der seinen Kunden genau kennt und auf ihn abgestimmte Leistung anbieten kann. Big Data, die Kenntnis und Verarbeitung solcher Daten, wird unter Experten laut der KPMG-Studie „Die Zukunft des Einkaufens“ von 2013 bereits als „Öl des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet.[3]

Und nicht nur die Internetnutzung ist mobiler geworden, sondern auch das Essverhalten der Menschen in Österreich und Deutschland. Vermehrt wird auswärts gegessen, beim Pendeln zu Arbeit oder Studium.  Die Küche bleibt bei Berufstätigen immer häufiger kalt, da Job und Freizeitaktivitäten viel Zeit in Anspruch nehmen. Gegessen wird dann, wenn Zeit dafür bleibt.

Laut einer Studie des Lebensmittelriesen „Nestlè“ 2016 „So is(s)t Deutschland“[4] versorgen sich seit 2010 10% mehr Menschen mit Snacks und Mahlzeiten, die sie außer Haus erwerben und verzehren. Der Trend entwickelt sich weg vom Kochen zu Hause und hin zum „Außer-Haus-Verzehr.

Auf Basis dieser Entwicklungen wäre die Verzahnung von

  • Smartphone-Kunden-App
  • Smartphone-Sensoren
  • Gewonnenen Kundendaten („Big Data“)
  • Datenbasis des Warenwirtschaftsprogramms beim Händler

für die Weiterentwicklung des bestehenden Systems wie bei Carrefour wirtschaftlich interessant.

In der Praxis könnten so beispielsweise berufstätige Kunden, deren Analyseprofil verrät, dass sie häufig nach der Arbeit noch einen Snack oder eine vorbereitete Mahlzeit (Snack, Salat aus der Kühltheke, speziell vorportioniertes Gemüse und Obst, etc.) kaufen von ihrer App zur individuell passenden Uhrzeit auf entsprechende Angebote in ihrer Nähe (->GPS-Ortung Smartphone) hingewiesen werden.  Entsprechende Warenangebote des Marktes würden in Echtzeit abgeglichen werden.

 

Innovationen und Restriktionen

Die „Nestlè“-Studie „So is(s)t Deutschland“  zitiert[5] zudem eine Studie des Digitalverbandes Bitkom, nach der 15 Millionen Deutsche im Jahr 2014 Lebensmittel im Internet bestellt haben. „Gegenüber 2011 hat sich die Zahl von 4,5 Millionen damit mehr als verdreifacht.“. Die Online-Bestellung von Lebensmitteln kommt in Österreich und Deutschland langsam in Fahrt und soll laut der Einschätzung der Nestlé-Studienersteller weiter an Bedeutung gewinnen. Lebensmittelketten wie Billa bieten neben einem Online-Shop auch eine Abholung von bestellter Ware ohne Wartezeit an.

In Großbritannien hat sich die Online-Bestellung bereits etabliert. Auch in Österreich sind Wachstumstreiber für diesen Trend die geänderten Anforderungen der Kunden, bei denen vor allem eins wichtiger wird: schnell muss es gehen!

  • Vorauswahl treffen können
  • Schnelle Auswahl durch vereinfachtes Sortiment
  • Keine Wartezeiten/ Anstehen an der Kasse

Kombiniert mit dem zuerst beschriebenen, erweiterten Geschäftsmodell könnte über die App eine angebotene Mahlzeit vorreserviert werden oder automatisch in einer Abholbox bereitgestellt werden bzw. in die Zustellung gegeben werden.

Wearable – Smartphone Apps und weiterentwickelte Sensoren: Diese Kombination in Verbindung mit dem „Internet of Things“ könnte automatisch etwas zu essen bestellen, wenn der Blutzucker fällt. Die Apple Watch bietet für Diabetiker in Verbindung mit der passenden App und Sensoren bereits ein entsprechendes Angebot.[6]

Zu den Restriktionen zählt mit Sicherheit die Bedeutung des Datenschutz und der Schutz von sensiblen Daten. Viele Nutzer gehen mit ihren persönlichen Daten im Tausch gegen die kostenlose Nutzung von Diensten und Apps recht sorglos um.  Springer-Verlag-Chef Mathias Döpfner äußerte sich in einem Interview mit dem Handelsblatt bereits 2014 sehr kritisch zu diesem Verhalten: „Ich kaufe mir mit der scheinbaren Kostenlosigkeit meiner Dienste deine Seele. Und deine Seele heißt: deine Daten, dein Verhalten.“[7] Er sieht die Freiheit durch die Preisgabe persönlicher Daten bedroht und prognostiziert den Nutzern in den nächsten 7 Jahren eine steigende, kritische Haltung gegenüber Diensten, die solche Daten sammeln und verarbeiten. Die Bereitschaft zur Nutzung der App könnte deshalb sinken, wenn sie nicht sogar durch Datenschutzgesetzesänderungen eingeschränkt werden.

 

Geschäftsmodell

Die Carrefour-App „C-où“ wird als gratis Download angeboten. Die Zielgruppe besteht aus Kunden, die bei Carrefour einkaufen und dient der Kundenbindung und als Instrument der Umsatzsteigerung durch gezielte Bewerbung.

Vorteile für Carrefour

Nicht nur der Kunde weiß dank VLC genau, wo er sich gerade befindet, sondern auch die „Gegenseite“ (der Händler) kann den Kunden genau „mappen“ und tracken. Durch die genaue Verortung des Kunden sowie sein Bewegungsprofil kann da Verhalten des Kunden analysiert und gesteuert werden. Daraus ergeben sich Vorteile in Form von Zusatzumsätzen durch:

  • Gezielte Bewerbung von passenden Produkten für den individuellen Käufer
  • Entspanntere Einkaufsatmosphäre führt zu einer erhöhten Kaufbereitschaft
  • Optimierung von Weggestaltung und Produktplatzierung: Wie lange verweilte der Kunde vor speziellen Produkten, welche Extra-Wege wurden gegangen und wie lange dauerte der Einkauf insgesamt bis zum Verlassen des Geschäftes? Auf Basis dieser Daten können Rückschlüsse auf die Wirkung von Werbung bis hin zur Sortiments- und Weggestaltung gezogen werden. Dies muss nicht nur für eigene Zwecke genutzt werden, sondern kann als Dienstleistung an Hersteller/Lieferanten zur Analyse von Werbewirkung am Point of Sale verkauft werden

 

Die App in der (angedacht) weiterentwickelten Version:

Das zeitlich gezielte „Matchen“ von interessierten Kunden mit verderblichen Waren würde sich positiv beim Unternehmer auswirken:


  • Reduzierung des Verlustes durch Entsorgung von verderblichen Waren durch zeitliche Optimierung des Verkaufes des Warenbestandes und
  • Generierung von Zusatzeinnahmen durch gezielte Ansprache des Kunden
  • Kundenbindung durch Bereitstellung eines hilfreichen Service

 

 

Mobile Strategie - Peronalisierung

Um nicht nur eine digitale Einkaufsliste und praktischer Kompass zu bleiben muss die Funktionalität der App ausgebaut werden und der Aspekt des persönlichen Nutzerprofils durch die Auswertung des Kundenverhaltens miteinfließen. Die App muss entsprechend der Gewohnheiten und  Verhaltens personalisierte Angebote bereithalten und auf Änderungen bei der Platzierung von häufig gekauften Produkten aufmerksam machen. Je größer der Nutzen für den Anwender, desto besser die Kundenbindung und somit eine gesteigerte Customer Lifetime (value). Zur Refinanzierung sollten Analysedaten zur Werbewirkung am Point of Sale verkauft werden an die Lieferanten sowie Werbeeinschaltungen in der App.

Mobile Ortung from IngaJKU

 

 

 Quellen
 
[1] https://www.merkurmarkt.at/FoM/Friends_Service/Kundenkarte_in_mobile_pocket/Kundenkarte_in_mobile_pocket/mm_Content.aspx?folderId=180779

 
[2] http://derstandard.at/2000016320814/Supermarkt-bringt-Indoor-Navigation-mit-LEDs-an-den-Start

 
[3] https://infocus.emc.com/william_schmarzo/kpmg-survey-firms-struggle-with-big-data/

 
[4] http://www.nestle.de/verantwortung/nestle-studie/2016

 
[5] http://www.nestle.de/themenwelten/dossier/lebensmittel-online-shopping

 
[6] http://www.maclife.de/news/apple-watch-soll-blutzucker-messen-koennen-10062354.html

 
[7] http://www.handelsblatt.com/wirtschaft-handel-und-finanzen-doepfner-sorgloser-umgang-mit-daten-kann-freiheit-kosten/9999820.html

 

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